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Abgestempelt II

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Wozu benötigt man heutzutage einen Reisepass, fragt mich meine Sitznachbarin im Wartesaal des Lichtenberger Bürgeramtes. Wir beide warten schon seit 45 min – trotz Termins. Doch an diesem Brückentag zieht es nicht nur uns hierher. Der Raum ist voll mit Wartenden. Die ältere Dame holt einen Pass für ihren Sohn ab. Er arbeitet auf Montage. Während ich die Zeit meiner Mittagspause ungeduldig runterzählen sehe, ist sie völlig entspannt und an einem Gespräch mit mir interessiert.  Ich erkläre ihr, dass man den Reisepass durchaus benötigt, wenn man ins Ausland  reist und zeige ihr meine bunt abgestempelten Seiten. Mein Pass erzählt Geschichten von meinen letzten 4 Jahren.  Er ist Tagebuch im Stillen. Die Rentnerin schaut mich verunsichert an und fragt mich, ob sie auch einen Reisepass benötigt. Sie plant Anfang 2018  eine Schiffsreise mit Ruten oder so. „Norwegen? Hurtigruten? – Nein.“

Nach nur vier Jahren hat mein Pass erneut ausgedient. Eine letzte Doppelseite wurde von dem etwas mürrisch dreinschauenden Brasilianer an der Passkontrolle abgestempelt. Diese letzte Seite war eigentlich für mein letztes Reiseland 2017 reserviert, doch das will nun nicht mehr klappen.
Es sind die Momente, in denen ich meine überflüssigen Quatschstempel wie Äquator, Kap Hoorn, Galapagos oder Machu Picchu im Pass bereue, weil sie den bitter benötigten Raum wegnehmen. Nun heißt es, doch noch schnell den neu beantragten XXL-Pass mit 48 Seiten beim Bürgeramt abholen, den ich vorausschauend für die nahende Reise vor drei Wochen auf Express beantragt habe – für stolze 114 EUR.

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Und mit etwas Wehmut schaue ich, wie die Dame auf dem Amt meinen Pass mit einer Schere entwertet. Zugleich ist da die Vorfreude auf all die neuen Erlebnisse, von denen mein nächster Pass berichten wird.

Noch einmal blättere ich durch und lasse die Stempel Geschichten erzählen, bevor auch dieser in der Schublade verschwindet.

Und dann kommt mir wieder eine Szene in den Sinn – von kürzlich beim Abschied von Georgien.  Die junge Lady in der Passkontrolle blätterte immer wieder fasziniert durch meinen vollgestempelten Pass. Genug Stoff, die anderen Ladys aus der Passkontrolle herbeizurufen. Während ich aus dem Augenwinkel nervös die abnehmende Schlange an meinem Gate beobachte, erkläre ich den Ladys jeden Stempel. Sie lachen, vergessen dabei ganz die sich bildenden Schlangen hinter uns. Als ich zum Gate hinübereile höre ich noch die Namen der genannten Länder, ich drehe mich um und sehe wie mir die Damen zuwinken.  Wie muss ich auf sie in diesem Moment wirken, schießt es mir kurz durch den Kopf.

 

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