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Die Brücken von Isfahan

Isfahan, Iran

„Bist du dem bewaffneten Mann begegnet?“ fragt mich mein Taxifahrer. Ich schaue ihn etwas verdutzt an. Noch etwas schlaftrunken zur frühen Stunde will ich ihn nicht so richtig verstehen.„Bang, bang“ tönt es schon vom Fahrersitz. Ich schrecke kurz zusammen und muss dann laut lachen. Nein, dem bewaffneten Mann bin ich nicht begegnet, das ist natürlich auch ihm klar. „Aber die ganze Welt hat doch Angst vor uns“, meint der Iraner mit indischen Wurzeln. Ich erwidere:„Schaue doch wieviele Touristen hier sind, sie wären sicherlich nicht gekommen, hätten sie Angst.“

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Meine Busfahrt nach Isfahan

An diesem frischen Samstagmorgen bin ich auf dem Weg zum Busbahnhof von Yazd. Die Stadt ruht noch größtenteils und auch auf dem Busbahnhof vermisse ich geschäftiges Treiben. Es sieht eine halbe Stunde lang so aus, dass ich die einzige Passagierin nach Isfahan sein werde, doch das ändert sich kurz nach der angekündigten Abfahrtzeit. Wir werden mit fünf Passagieren gen Norden starten. Die anvisierte vierstünde Fahrzeit sehe ich schon in weiter Ferne, als der Busfahrer alle paar Kilometer hält, um mal Passagiere einzuladen, sich dann heißes Wasser besorgt, Gepäck abgibt und schließlich noch für Polizeikontrollen aussteigen muss.

Das, was an meinem Fenster vorbeizieht, ist monoton und doch wunderschön. Die Luft flackert und lässt dem Auge keinen Fokus. Braun zieht sich die Landschaft bis zum Horizont. Dort sehe ich nur Umrisse in die Luft gezeichnet, die behutsam ein Gebirge in den Himmel malen. Doch was bleibt, ist nur der Schimmer an Konturen.

Mit sehr bequemen und geräumigen Sitzen, Picknickbox und iranischem Unterhaltungsprogramm lässt sich die Fahrt gut bewältigen. Um 12.45 Uhr erreichen wir den Busbahnhof von Isfahan. Dort schnappe ich mir ein Taxi. Die Straßen sind um diese Uhrzeit brechend voll, wieder legt sich der Smog in meine Lunge. Ich vermisse schon jetzt Yazd – zu ähnlich wirkt die 2,5 Mio. zählende Großstadt Isfahan der Hauptstadt Teheran. Als wir in kleine enge Altstadtgassen fahren, die zwar ihren Reiz ausüben, aber dennoch keinen Tourismus vermuten lassen, frage ich den Fahrer, ob wir richtig seien. Ich müsse noch 300 m laufen. Und schon bin ich wieder mittendrin. Die Gassen gehen in kleine enge, schummerige Tunnel über und als ich den schlecht Englisch sprechenden Mitarbeiter meiner Unterkunft nach den Richtungen der Sehenswürdigkeiten frage, bekomme ich natürlich nicht gleich die gesamten Verzweigungen, in denen man sich am ersten Tag verlaufen kann, mitgeliefert. Mein Handy ist hier auch keine Hilfe.

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In der Freitagsmoschee

„Isfahan ist die Hälfte der Welt“ (اصفهان نصف جهان Eṣfahān neṣf-e ǧahān), sagt ein persisches Sprichwort. Und ich hoffe, die Schönheit schnell entdecken zu können. Ich laufe intuitiv immer Richtung Minarett, das ich von dem Hof meiner Unterkunft aus erblicke, und stehe schließlich vor der Ali-Moschee. Dahinter verbirgt sich ein großer Platz, der Meydan-e Ali, an dem eines der Top-Bauwerke von Isfahan liegt, das auf das 8. Jahrhundert zurückgeht. Der Platz strahlt in seiner Weite und mit dem Lärm der Baustellen eine gewisse Trostlosigkeit aus. Umsäumt ist er von Arkaden, in denen sich ein Basar befindet. Er war einst Bestandteil des alten Basars von Yahudiyeh. Diesen gilt es zu durchqueren, um die alte Freitagsmoschee Jame-Moschee zu erreichen. Das Gelände der großen Moschee, die seit 2012 Weltkulturerbe ist, wird von Bauarbeiten überschattet, dafür sind überraschend wenige Touristen hier zu sehen. Ich lasse die Ruhe auf mich wirken, setze mich nieder und schaue aus der Ferne dem Bewegungsablauf zweier betender Muslime zu, der auf mich leicht meditierend wirkt.

Isfahan, Iran Isfahan, Iran

Auf meinem Rückweg winkt mich ein alter Mann in seine Werkstatt. Er ist umringt von selbst hergestellten Besen. Erst denke ich, er will mir sein Handwerk zeigen und verkaufen, doch stattdessen deutet er immer wieder auf die Wände, an denen christliche Motive hängen. Look – ist alles, was er auf Englisch sagen kann. Er freut sich, als ich mir die Bilder anschaue und wünscht sich Fotos von ihm in seinem Sessel. Mehr kann ich nicht verstehen – Momente, in denen ich gern einen Übersetzer bei mir hätte. Ich zeige ihm die Bilder und er drückt voller Freude ganz fest meine Hand. Es bedarf keiner Worte, seine Freude allein durch meine Präsenz in seinem Wohnzimmer erfüllt auch mich mit Glück.

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Auf dem Imam-Platz

Nach dem Besuch bei dem alten Mann schaue ich noch kurz beim Heiligtum Harun-e Velayat rein, bevor ich mich wieder im Gassengewirr zwischen den engen Lehmwänden verliere. Ein bisschen verloren suche ich das, was das Ziel eines jeden Touristen in Isfahan ist – den Imam-Platz. Der zweitgrößte Platz der Welt erschlägt mit seiner Größe alles und lässt die Prachtbauten an den Platzseiten fast verschwinden. Es ist weniger Überwältigung, die ich verspüre, vielmehr bin ich fasziniert und zugleich erdrückt. Der Platz schafft es, trotz Belebtheit zugleich tot zu wirken.

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Am nächsten Tag widme ich mich den wichtigsten Sehenswürdigkeiten, die vor allem um den Meydan-e Imam liegen. Ich starte mit der Lotfullah-Moschee, schaue mir dann die Imam-Moschee an und setze meinen Rundgang mit dem Ali-Qapu-Palast fort. Der Safawiden-Herrscher Schah Abbas I. liebte das Schöne und die Kunst. Er machte Isfahan zu einer der modernsten Großstädte weltweit, die mit Paris und London zumindest mithalten konnte. Er schuf öffentliche Gärten, ausladende Alleen, prächtige Bauten und Brücken in der einstigen Hauptstadt der Safawiden. Der Imam-Platz ist umrundet von zweigeschossigen Arkaden, in denen sich Werkstätten und Läden befinden. Über 510 m Länge und 160 m Breite erstreckt sich der Platz. Pferdekutschen drehen ihre Runden, Kinder spielen im Wasser, die Einwohner picknicken auf der Rasenfläche. Die gespenstische Ruhe wird nur durch das Hufklappern durchbrochen. Die Menschen verlieren sich fast. Früher war hier ein geschäftigeres Treiben, diente der Imam-Platz als Markt, für Feierlichkeiten, Polospielen und auch als Hinrichtungsstätte.

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Free Islam Friendly Talks

Im Garten der Imam-Moschee sitzen ein paar Touristen im Halbkreis. Ein Geistlicher erzählt im guten Englisch, warum die Auslegung des Korans keine Männersache ist. Ganz wollen mich seine Ausführungen nicht überzeugen, und so bleibe ich stehen. Er bietet mir einen Platz an und schon bin ich mittendrin in der Diskussion. Es geht ums Praktizieren, jeder Gläubige tut dies mehr oder weniger streng, das sei jedermanns eigene Sache. Aber warum wird Frau eingeschränkt, will eine Amerikanerin wissen. Das sei der Koran, der ihr dies vorgibt, und keineswegs ein Mann. Männer und Frauen müssen beide gleichermaßen Opfer bringen, wenn sie Praktizieren. Das sei Sache der Religion und der Kultur. Aber warum müssen sich dann Touristen, die das Land nur besuchen, an solche Regeln halten, hakt die Dame nach. Weil es eben Gesetz ist, ist die Kernaussage seiner Antwort.

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Er fährt mit sanfter Stimme fort: „Eine Frau sollte sowieso nur einen Mann im Leben haben.“ Drei ältere Holländerinnen, die zu mir herüberschauen, glucksen vor Lachen. Nun kann auch ich mein Lachen nicht mehr unterdrücken. Free Islam Friendly Talks finden nicht nur in der Imam-Moschee in Isfahan statt, sondern auch in Jame-Moschee oder sogar am Gate im Flughafen. Und sie werden sehr gut angenommen. Der Austausch über den Islam ist wichtig – noch mehr seit der Islam in der westlichen Welt für die Anschläge in Paris, Belgien, London etc. verantwortlich gemacht wird. Der Revolutionsführer Ayatollah Seyyed Ali Khamenei hat in mehreren Sprachen einen Brief verfasst – adressiert „An die westliche Jugend“. Es geht um den Abbau von Vorurteilen als ersten Schritt, um sich vom Terrorismus zu befreien. Und es geht natürlich wieder um die Wahrheit, die bereits mein Taxifahrer in Yazd ansprach. Unsere „westlichen Medien“ scheinen hier keinen guten Ruf zu genießen. Wichtiger ist das eigene Bild, das die Besucher mit nach Hause bringen sollen und da wird im Iran gern etwas nachgeholfen, aber auf eine ideenreiche, charmante Art.

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Die Imam-Moschee entfaltet ihre ganze Pracht, die auch durch die vorbeiziehenden Touristengruppen nicht an Bedeutung einbüßt. Sie gilt mit ihrer wunderschönen himmelblauen Kuppel und den glasierten Tonfliesen mit floralen und islamischen Elementen als prächtigstes Bauwerk des Islams.

Nicht minder prächtig ist der Ali-Qapu-Palast an der Westseite des Imam-Platzes, auch dieser rührt aus der Zeit von Shah Abbas I. Von der mit 18 Säulen umsäumten Veranda schaute der Shah einst Polospielen und dem Treiben auf dem Platz zu. Ein besonderes Highlight befindet sich im 5. Stock des Palastes. Die Wände sind mir vasenförmigen Gipsnischen versehen, die dem Raum eine besondere Akustik verleihen und ihm daher seinen Namen „Musikzimmer“ geben.

Hinter dem Palast befindet sich nicht weit eine schöne Gartenanlage mit Bäumen und Bänken, die zum Verweilen einladen. Frauen picknicken, Männer spielen Schach. Vom Lärm der umliegenden Straßen ist kaum etwas zu hören. Hinter einem Wasserbecken strahlt der Hasht-Behesht-Palast.

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Brückentag

Dann nehme ich die die breite Straße Chaher Bagh-e Abbasi, die weniger schön ist, als der Reisführer es ahnen lässt. Das mag jedoch auch den laufenden Bauarbeiten geschuldet sein. Sie führt direkt auf eines der Highlights der Stadt zu, die durch viele schmuckvolle Brücken geprägt ist.

Zuvor erblicke ich durch einen schmucken blauen Iwaneine Gartenanlage. Der Wärter zeigt mir den Weg um die Ecke. Ich habe noch nicht begriffen, wo ich bin, aber ich möchte hinein. Der Herr am Einlass ist etwas irritiert, dann tauschen wir 150.000 Rials mit einem Tschador, den ich mir überstreifen muss. Von dem Hof gehen viel kleine Holztüren in die umliegenden Gebäude ab. Schuhe stehen vor den Eingängen, Männer beten. Nun wird mir klar, weshalb der Mann kurz zögerte. Es ist Mittagszeit und ich befinde mich inmitten des Hofes der Theologischen Hochschule Madrese Chahar Bagh. It’s a Man’s World. Ich versuche mich unauffällig zu bewegen, und falle doch mit dem Umhang auf.

Isfahan, Iran Isfahan, Iran

Und dann stehe ich an der ersten Brücke – die 360 m lange Si-o-se Pol. Ihre 33 Bögen legen sich über das ausgetrocknete Flussbett des Zayanderhrud. An diesem zieht sich an beiden Uferseiten eine Parkanlage entlang. Frauen sitzen auf Decken im Gras und picknicken, Männer spielen Schach und junge Paare verabreden sich hier. Man kann auch auf einem schmalen Weg direkt am Ufer entlanglaufen oder im ausgetrockneten Flussbett, das tun auch ein paar Einheimische.

Ich überquere die Brücke und nehme den Weg zur Chubi-Brücke auf der gegenüberliegenden Uferseite. Noch ein Stück weiter liegt die schönste Brücke der Stadt – die von 23 Bögen durchzogene Khaju-Brücke – über zwei Geschosse kann der Passant die Uferseiten wechseln. Auf dem Rückweg trinke ich im Farhang Café, das sich im Brückenpfeiler der Chubi-Brücke befindet, einen Kaffee. Ich setze mich auf einen Teppich ins geöffnete Fenster und überschaue die Szenerie von hier. Ausländische Touristen sehe ich am Fluss keine.

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Im Basar

Meinen Tag lasse ich in den überdachten Gassen des Großen Basars ausklingen. Iranische Basare wirken auf mich anders als üblich sehr geordnet, sauber und gedämmt. Hin und wieder spricht mich ein Händler an, doch auf offene, freundliche Art, die nicht zu aufdringlich ist. Von Teppichen, über Schmuck, Kupfer- und Keramikwaren kann man hier alles erwerben. Ich entscheide mich für Keramik, als der Verkäufer in einer sehr ehrlichen Art zu mir meint, dies sei eine gute Wahl, denn das sei handmade aus Iran, der Schmuck hingegen aus China. Wir müssen beide lachen. Es ist wie eine eigene kleine Stadt, in die man durch das Eingangsportal aus dem 17. Jahrhundert geführt wird. Vor dem schmuckvoll verzierten Iwan an der Nordseite des Imam-Platzes sind Teestände aufgebaut, die mit persischer Musik Kundschaft anlocken.

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Das Abbild der Welt

Am Ende stehe ich wieder auf dem Imam-Platz, der auch Naqsch-e Dschahan – Abbild der Welt – genannt wird. Wer nach Esfahan kommt, bereist die halbe Welt, sagt man. Ich lasse die Worte auf mich wirken, und lausche dem Ruf des Muezzins mit untergehender Sonne. Isfahan zeigt eine Hälfte der Welt, doch es gibt immer zwei Seiten. Mit dieser Dialektik gilt es, umzugehen – in Isfahan, aber auch im Iran.

Und so frage ich mich am nahenden Ende meiner kurzen Reise, was ist der Iran und was der Iraner? Da sitzt ein junges, minderjähriges Paar Arm in Arm auf einer Decke. In einem anderen Park stürmt eine junge Dame auf einen Mann auf der Parkbank zu und küsst ihn in aller Öffentlichkeit. Im Garten meiner Unterkunft sitze ich noch immer mit Kopftuch, als die Inhaberin meint, ich solle das Ding doch endlich abnehmen, wir seien hier doch quasi privat.

Was immer in meiner Fantasie die omnipräsente Sittenpolizei auf den Plan rufen könnte, quittiere ich mit einem erstaunten Blick. Und dann sind da die vielen freundlichen Menschen, die versuchen, mir meinen Aufenthalt so schön wie möglich zu gestalten, nicht zuletzt auch, damit ich ein gutes Bild mit nach Hause nehme, dass das „unserer Medien“ überschreibt. Der bewaffneter Mann gehört jedenfalls nicht dazu.

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Was man sonst noch wissen sollte?

Unterkunft

  • Dibai House Heritage Guesthouse (1 Masjed Ali Alley, Harunie, Isfahan)
    Liebevoll restauriertes persisches Wohnhaus aus den 1670’s wurde mit wunderschönen Details.

Cafés

  • Farhang Café
  • Roozegar
  • Café Spadana

Mehr zu Isfahan und dem Iran unter Iran Reisetipps.

Die Reise wurde unterstützt vom der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH und Germania.

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