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Der Glanz von San Remo

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Es ist die Frage nach Autos, die mir Lars immer als erstes stellt, wenn er mich nicht auf meinen Reisen begleitet. Er macht sich normalerweise nicht viel aus Autos, ich noch viel weniger. Als würde ein Auto etwas über die Seele eines Landes verraten. Fiat oder Porsche? Oder liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen? Ich ertappe mich selbst dabei, als ich auf meiner Fahrt von Genua nach San Remo aus dem Fenster schaue – Porsche, Ferrari, Mercedes SLK, Volvo huschen an uns vorbei. Kleine geschwinde Flecken, die dem pastellenen Bild der apricotfarbenen Häuserfassaden in der sanften Berglandschaft Liguriens ein wenig die Aufmerksamkeit stehlen. Sind diese Vorboten auf einen Jetset-Ort, den wir besuchen wollen – San Remo?

Als wir die Stadt an der Riviera di Ponente erreichen, suche ich nach Klischees. Es ist die Vespa, die hier durch die Straßen knattert und italienisches Gefühl vermittelt, es ist die mächtige Spielbank, die unweit des Strandes über der Stadt thront und es sind die imposanten Villen der einstigen Adligen und Reichen, die sich an die Uferpromenade reihen. Und dann ist es der Radsport, den man unweigerlich ebenso mit Italien verbindet. Auch wir wollen weniger das Highlife erleben, als die Blumenriviera sportlich zu erschließen.

Verlassen liegt am Meer gleich schräg gegenüber von unserem Hotel der einstige Bahnhof der Stadt. Ein paar Tische stehen an diesem Morgen in der zaghaften Frühlingssonne. Ein alter Mann schlürft einen Espresso und schaut hinaus auf das Meer. Man sieht nicht viel vom Wasser, eine kleine Mauer trennt den Sehnsuchtsort vieler deutscher Urlauber zwischen Stadt und Strand. Dazwischen liegen ein Parkplatz und jener Bahnhof, in dem noch ein Café betrieben wird. Wo einst die Gleise entlangführten, liegt heute ein gut geteertes Stück Radweg. Seit Sommer 2008 verbindet dieser San Remo mit Arma di Taggia und San Lorenzo al Mare an der Küste. Auf den knapp 24 km durchquert man acht Gemeinden.

Bei Nole Bici leihen wir uns Räder, um ein Teilstück der Küstenstraße entlang zu radeln. Die Strecke ist landschaftlich schön und durch ihr ebenes Profil ziemlich einfach. Ideal für jedermann, denke ich mir. Und dennoch sind an diesem Morgen vor allem nur ambitionierte Rennradler unterwegs. Von San Lorenzo al Mare nach San Remo wird im Mai die erste Etappe des Giro d’Italia führen. Fünf Etappen finden dieses Jahr insgesamt in Ligurien statt. Man meint, die Italiener würden für den Erfolg eigenhändig in die Pedale treten wollen. Bis nach Santa Stefano al Mare haben wir uns aufgemacht, um im Il Sandolino mit Meerblick unser Mittag zu genieße. Das Ziel, der stetige Blick auf die Küste und das Meer lassen einen beschwingt in die Pedale treten. Wir passieren die Ortschaften La Cueva, Arma di Taggia, Riva Ligure und unzählige Tunnel, die an die Blütezeiten der Bahn erinnern.

Am späten Nachmittag will ich San Remo noch etwas erkunden. Als Badeort ist er mir wohl bekannt. Schon seit dem 15. Jahrhundert ist die Stadt ein beliebtes touristisches Ziel für viele, die Erholung und Entspannung suchen. Es waren vornehmlich Schriftsteller und der Adel, die schon damals vom üppigen Grün, der Blumen-, Farben- und Duftvielfalt schwärmten. Der Name Città di Fiori – Blumenstadt – ist darauf zurückzuführen. Viele berühmte Persönlichkeiten, der Jetset, folgten auch im 19. und 20. Jahrhundert.

Ich erwarte einen versnobbten italienischen Riviera-Ort und werde doch schnell überrascht. In der Bucht zwischen dem Capo Nero und dem Capo Verde verliere ich mich stattdessen im Gewirr der engen Gassen wie ich sie aus Marrakesch kenne. Das ist die andere Seite San Remos, denke ich mir. An den Ausläufern der Seealpen schmiegt sich ein Irrgarten an hohen, alten Häusern empor, in deren Gassen nur wenig Licht fällt. Wie Tannenzapfen stecken die Häuser Lego like an einem Hügel und geben der Altstadt den Namen La Pigna.

Fasziniert biege ich mal links, mal rechts in eine Gasse ein. Frische Wäsche hängt gerade von den abblätternden Häuserfassaden herab. Keine frische Brise mag sich in die Enge verirren. Ich lasse mich durch die überdachten Gassen und Plätze treiben – wandle zwischen den Häusern, die von Stützpfeilern gehalten werden, durch die Altstadt von San Remo. Wohin ich will, ist nebensächlich. Längst finde ich die Namen auf den Straßenschildern nicht mehr auf meinem Stadtplan. Schließlich finde ich an den Hauswänden auch keine Straßennamen mehr.

Als ich den Giardino Regina Elena erreiche, öffnet sich unter mir das Gassengewirr der La Pigna wieder und setzt sich neu zu einer Stadt zusammen. Nur ein Auto der Carabinieri steht einsam in dieser kleinen Parkanlage unterhalb des Santuario della Madonna della Costa. Doch welchen Weg soll ich für den Rückweg wählen? Ich laufe einfach geradeaus. Doch wieder werden Gassen enger und dunkler, so dass ich manchmal zweimal ansetze, um dann doch wieder umzukehren. Nie weiß man, wo eine Häuserwand den Weg beendet. Als ich den Piazza Oratorio del Dolori erreiche, bin ich wieder auf sicherem Kurs. Spätestens als ich die Piazza Cassini betrete, lasse ich die Kasbah von San Remo hinter mir. Touristen und Einheimische mischen sich vor der Barockkirche Santo Stefano. Wo mich eben noch völlige Ruhe in den Häuserschluchten umgab, weitet sich nun der Blick. In der geschäftigen Corso Matteotti verliere ich mich im Getümmel zwischen den Schaufensterauslagen. Ich überquere die Via Feraldi und erreiche die Piazza San Siro mit ihrer gleichnamigen Kalksteinkathedrale im romanisch-gotischen Stil aus dem 12. Jahrhundert. Ich setze mich mit einem Eis auf die Treppenstufen der Kathedrale nieder. Kein Auto, das sich in die Enge der Stadt hervorwagt. San Remo ist nicht Porsche oder Ferrari, sondern an diesem Frühlingstag völlige Ruhe und allenfalls ein Fiat.

Nur eine Stunde von San Remo entfernt liegt Finale Ligure, ein Städtchen, das wir am nächsten Tag besuchen. Ich durchquere das Tor zur mittelalterlichen Stadt. Nahe dem archäologischen Museum steht ein alter Fiat Cinquecento im Regen, der ein Strahlen hervorzaubert. Dann klingelt das Telefon, Lars freut sich, mich endlich zu erreichen. Würde er jetzt fragen, welche Autos hier herumfahren? Doch er erkundigt sich nur nach dem Wetter. Von Italien haben wir alle eine Vorstellung, und in dieser sind 365 Tage Sonnenschein. Doch Bild und Abbild stimmen nicht immer überein – zum Glück. Denn nur dadurch gibt es immer noch etwas zu entdecken.

Was man noch wissen sollte?
Die Altstadt selbst sollte man per Fuß erkunden. Doch eine kleine Radtour auf der Pista Ciclabile entlang der Riviera im milden Klima ist empfehlenswert. Das Ausleihen eines City oder Mountain Bikes für einen halben Tag kostet bei Nole Bici beispielsweise 12 EUR, ein ganzer Tag 16 EUR.

Ich wurde von Turismo Liguria eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen. 

6 Kommentare

  1. Hallo Madlen,

    was für ein schöner Artikel über San Remo. Und ich war mir so sicher, dass ich die einzige von uns war, die sich in diesen engen Gassen verloren hatte. :-) San Remo hat mich genauso überrascht wie dich. Freue mich auf den nächsten Artikel.

    Liebe Grüße
    Nicole,
    grade nicht unterwegs sondern daheim.

    • Danke liebe Nicole. Irgendwie haben wir wohl alle ähnlich empfunden bei unseren Einzelspaziergängen durch die Stadt 😉 LG, Madlen

  2. Schöne veträumte Fotos. Ich liebe Italien von allen Seiten. Ich selber komme aus Österreich, Defereggental Osttirol und bin so froh „mal eben“ nach Italien fahren zu können. LG

  3. Vielen Dank für die vielen Impressionen. Im Spätsommer bin ich ebenfalls in Italien und werde einen Stop in San Remo einlegen um mich von dem Glanz verzaubern zu lassen.

    Liebe Grüße
    Lara

    • Ich war von San Remo wirklich sehr positiv überrascht. Ich wünsche Dir eine schöne Zeit! LG, Madlen

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