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Die kleine Oase

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Es will noch kühler werden in den frühen Morgenstunden. Die Kälte hält mich davon ab, beim morgendlichen Gruß des Muezzins aufzustehen, um mir den Sonnenaufgang anzusehen. Die Bequemlichkeit überschattet die Neugierde. Zwei Stunden später ist es warm genug, die Sonne steht am strahlend blauen Himmel, um den Morgen willkommen zu heißen. Nun wird noch gefrühstückt und dann wieder aufgebrochen – mit Kamel. Mein Hintern tut noch vom Vortag weh und auch meine Ellenbeugen schmerzen. Die Hitze steht schon um 9 Uhr in der Luft. Zurück in Zagora sind wir um 10 Uhr. Um 11 Uhr sitzen wir im Auto und begeben uns auf den langen Rückweg zur Atlantikküste – entlang der wunderbaren Straße der Oasen – dem Draa Tal. Einen Orangensaft noch einmal auf der Dachterrasse des Kasbahs Othmane bei einem Plausch mit dem Hausherren einnehmen. Die deutschen Motorradfahrer vom Vortag sind auch noch hier. Dann werden wir weich, uns der vielfach dargebotenen Köstlichkeit des Oasentals hinzugeben. Neben den Melonen wachsen hier natürlich Datteln. Als wir einen Karton abkaufen, kommen gleich andere Jungs, um ihre Dollars bei uns einzutauschen. Aber was sollen wir denn bitteschön mit Dollars?

In Agdez trennt sich unser heutiger Weg von dem gestrigen. Nun wird es wieder neues zu sehen geben. Mohammed aus dem Bagdad Café hatte uns dies versprochen. Die Straße sei gut, auch wenn sie bei uns im Reiseführer nur als Nebenstraße ausgewiesen ist. Und schneller als über Ourzazaze sei sie allemal. Naja, dass Mohammed ein Schwafler ist, hatten wir längst gemerkt. Dennoch konnte Lars nicht widerstehen und so bogen wir in die direkte Verbindungsstraße nach Tazenakht ein. Das erste Stück war noch ausgezeichnet, doch schnell erhöhte sich die Anzahl der Schlaglöcher und irgendwann wären wir selbst über ein zaghaftes Schlagloch noch froh gewesen, denn die vermeintliche Straße kieste zunehmend aus, je mehr sie zum Gebirgspass wurde. Hinter zig Serpentinen lag plötzlich im Niemandsland ein Industriedorf, von dem ich nicht wissen wollte, was für ein Dreck hier hergestellt wurde. Denn Becken mit hässlichen Chemikalien lachten uns schon von weitem an und drumherum gab es die Infrastruktur für Arbeiter – die sich ärmlich in das rotbraune Bild der Landschaft einfügte.

Nun kamen uns von Tazenakht kommend nur noch LKWs entgegen. Und diese Straße wurde nicht besser. Als landschaftlich reizvoll wurde uns diese Straße im Reiseführer angepriesen. Die Landschaft kann nur der genießen, der nicht dauernd angespannt auf den Straßenbelag starren muss. Das Hochplateau, auf dem wir uns irgendwann bewegten, erinnert mich sehr an bolivische Natur. Lamas an dieser Stelle hätten mich nicht gewundert. Doch die Augen für Natur bleiben verschlossen, wenn man schnell sein Ziel erreichen möchte. Und das lag noch 79 km hinter Tazenakht – immerhin auf einer besseren Straße.

Als wir Taliouine erreichten, drängte sich uns gleich ein Camping Platz auf, so dass wir gar nicht weiter nach einer Unterkunft suchen mussten. Er hatte viel Gartenanlage und auch ein paar einfache Zimmer zu bieten. Außer einzelne Wohnwagen und Jeeps aus Holland, Belgien und Frankreich, die weitläufig über das Areal verteilt waren, hatten wir wohl als einzige Gäste ein Zimmer bezogen. Es gab ein Swimming Pool – das große Plus nach 6 Stunden Fahrt in der Hitze. Das Problem war nur, dass sich diese Hitze verzog, sobald wir aus dem Auto traten. Denn hier auf dem Plateau in der Oasenstadt pfiff wieder ein kräftiger Wind. Zudem legte sich der Schatten der umliegenden Berge über das Tal. So machte die Sache mit dem Ausruhen am Pool wenig Sinn.

Der Ort hat auch (oder besser nur) einen Kasbah zu bieten. Der war recht zerstört. Wir fuhren in die Ortsmitte, wo für einen Sonntag das wahre Leben regelrecht tobte. Mann, Frau, Kinder – alle waren auf der Straße, wenngleich nach Geschlecht getrennt. Aber daran gewöhnt sich das Auge längst schon. Taliouine gleicht eher einer üblichen afrikanischen Stadt. Eine Hauptstraße, an der die schrottigen Läden sich aufreihen und die Männer in den „Cafés“ hocken, viel Verkehr, eine Moschee (alternativ Kirche) und sonst nichts. Wir gingen dennoch die Straße entlang und trafen auch hier wieder auf äußerst nette Menschen.

Taliouine ist die Stadt des Safrans – eine wahre Krokusstadt mit ihren Safran Kooperativen. Gerichte wurden alle mit dem gelben Gold angeboten und auch ein Maison de Safran gibt es im Herzen des Ortes, das gleich von einer Truppe Franzosen gestürmt wurde. Diese Gruppe älterer Herrschaften, die mit ihren Jeeps einfielen, stoch uns gleich ins Auge und mir bereits in den Magen. Ein Wiedersehen im Toubkal (unserer Unterkunft) machte später wahre Freude. Der Jeeptrupp war hier ebenso untergekommen. Weiträumig wie das Gelände ist, terrassenförmig angelegt, gab es nur eine Zeile mit Wohnungen wie die unsrige, und noch einige andere Zeilen, die optimal für eine solche Truppe gewesen wäre. Doch als wir um die Ecke in unsere Terrassenzeile einfuhren, glaubte ich meinen Augen nicht. Eine wahre Zeltstadt, die mit den Jeeps umrundet sind, war in unserer Abwesenheit direkt vor unserem Zimmer hochgezogen wurden. Aber ich meine auch wirklich direkt vor unserem Zimmer. Zwischen dem ersten Jeep mit Zeltaufsatz und unserem Zimmerfenster lag vielleicht ein Meter. Zwischen den Jeeps war das Partyzelt gebaut und während ich erschrocken auf das Geschehen starrte, wurde dort emsig geklappert und für das Abendessen geschnippelt. Während die anderen Ecken unbesetzt waren, obwohl sich dort keine Zimmer befanden, wurden die Franzosen direkt vor unser Zimmer postiert. Ich wollte natürlich sofort wechseln. Aber wohin?

Es gab ja nichts mehr, also musste eine andere Unterkunft her. Das sah der marokkanische Angestellte anders. Wahrscheinlich sahen wir nach Geselligkeit aus. Das Verständnis für mein Problem ist natürlich nur gering vorhanden. Lautstärke als Argument zählt da kaum. Und währenddessen ertönten die ersten französischen Gesänge. Plötzlich packte der marokkanische Junge noch eine Ass aus seinem Ärmel, als er uns auf der anderen Poolseite ein Häuschen am Rande des Geländes zeigte. Normalerweise kostet dieses 1.000 Dirham, wir bekamen es für 200 Dirham – aber nur zähneknirschend. Hauptsache wir bleiben! Das Zimmer hätte 100 EUR gekostet? Wir konnten es kaum glauben. Nicht so oll wie das andere, heißt nicht gleich gar nicht oll, heißt nicht gleich wunderschön, heißt schon gar nicht teuer. Das einzige was schön war, war die Aussicht und der kleine Balkon, den man bei der Kälte aber auch nicht nutzen konnte. Alles, was uns wichtig war, ist eigentlich Ruhe. Und die bekamen wir, mit Ausnahme des stürmenden Windes.

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