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Dreiländereck – Wann fährt das nächste slow Boat nach Iquitos? {DIARY}

Leticia

30. Dez. 2009 – Weihnachten ist vorüber, die Ruhe ist vorüber. Mehr Touristen reisen an. Uns zieht es weiter, denn die Zeit drängt. Am Morgen des 28. Dezembers machen wir uns wieder auf den Rückweg nach Tabatinga. Leider müssen wir das Camp schon früh morgens verlassen, da die uns begleitende kolumbianische Familie mittags ihren Flieger nach Bogotá bekommen muss. Der Weg sollte schneller gehen, als der Hinweg. Shortcuts führen uns wiederum durch enge Kanäle. Doch dieses Mal ragen Stämme in das Wasser. Das heißt Rückkehr und Umweg oder Motor kurz anheben und die Stämme überqueren. Unser Bootsmann entscheidet sich für letzteres und so wird die Rückfahrt nicht langweilig. Baumstamm für Baumstamm überspringen wir. Unser Bootsmann hat wahre Freude. Inzwischen in den Übermut gesprungen, übersieht er, dass uns ein Boot entgegenkommt. Das wäre beinah schief gegangen.

Durch die frühe Abfahrt sitzen wir dann einen ganzen Tag in Leticia. Wir schlafen im alten Hostel von Gustavo, wurden aber erst zum neuen Haus gefahren, das sogar einen Swimmingpool hat. Dort können wir zumindest kurz ein paar Dinge mit Gustavo bereden. er gilt ja unter Reisenden als verlässliche Auskunftsquelle. Leticia macht einen schon nach wenigen Stunden wahnsinnig, weil sich das Geräusch der zahlreichen Mopeds in jede Windung meiner Ohrmuschel bis in jede Windung meines Gehirns bohrt. Im Garten des Hostels kann man etwas Ruhe finden, vor allem vom Lärm. Wir haben genug Zeit, letzte Dinge für unsere Bootsfahrt zu organisieren und nach Tabatinga zum ausstempeln zu laufen.

Es folgt ein Tag ohne Aufenthaltsgenehmigung in irgendeinem Land. Wir sind illegal – egal in welche Richtung wir uns nun begeben – ob Peru, Kolumbien oder Brasilien. Am 29. sollen wir nun das Boot nehmen – The „slow boat“, wie sie alle so schön sagen. Das kommt immer am Dienstag um 14 Uhr an und fährt um 20 Uhr ab. Auch Gustavo teilte uns dies so mit. Somit begeben wir uns auch auf den Weg nach Santa Rosa (Peru) am gegenüberliegenden Ufer von Leticia und mit dem Boot in 10 min zu erreichen. Die Rucksäcke sind gepackt – Hängematte und Schlafsack obenauf – und auch der 7 Liter Kanister Wasser.

Santa Rosa besteht aus einer Straße mit ein paar Holzhütten auf Stelzen. Ein kleiner Hafen, eine handvoll Kneipen und zwei Hospedajes. Die meiste Zeit gibt es keinen Strom. Santa Rosa ist ein Ort, der dem LP keinen Eintrag wert ist. Aber doch durchaus interessant für all diejenigen ist, die über Wasser das Kolumbien oder Brasilien Richtung Peru verlassen. Wir sitzen ab 13 Uhr gegenüber vom „Minihafen“ in einer Kneipe, um nun nach dem Slow Boat Ausschau zu halten. Die Immigration ist auch noch nicht geöffnet. Leider hat man in Leticia eine andere Meinung von Abfahrtszeiten als auf der peruanischen Seite des Amazonas. Uns war klar, dass das Schiff nicht pünktlich kommen würde, aber dass es heute gar nicht mehr kommen würde, war uns nicht klar. Ein brasilianischer Kneipengast beteuerte, dieses Schiff käme heute nicht. Ich verstehe in seinem lang gezogenen Portugiesisch immer nur die Wörter Mañana und once. Wir glaubten ihm nicht ganz. Später fragt er andere Gäste, die auch meinen, heute käme kein großes Boot. Leider erhalten wir von nun an völlig unterschiedliche Aussagen. Das Boot läge in einem Hafen und käme über die Feiertage nicht, und selbst wenn es käme, würde es frühestens am Samstag wieder ablegen. Nach Manaus gäbe es gerade auch kein Schiff. Ich habe geahnt, dass Silvester ein Problem werden könnte, hatte aber die Hoffnung, dass im Urwald Feiertage keine Rolle spielen. Doch Feiern ist universal. Bis Samstag würden wir 4 weitere Tage vergeuden und das konnten wir nicht. Frustriert und resigniert stempeln wir uns in Peru auf der Immigration Office ein und entscheiden uns nun für etwas, was wir eigentlich nie machen wollten – das Schnellboot. In 10 Stunden von Santa Rosa nach Iquitos. Wir nehmen uns ein Zimmer im Ort und wissen zugleich, das wird eine Absteige sein, aber ermöglicht uns morgens um 3.30 Uhr schnell aufs Boot zu kommen, während die anderen erst von Tabatinga nach Santa Rosa übersetzen müssen. Uns ist auch klar, in diesem Ort nächtigt so gut wie kein europäischer Gast. Die Nacht ist tatsächlich eine Qual, denn der Generator wird ab 22 Uhr ausgeschaltet und von da an steigt die Hitze, so dass man im Zimmer ohne Fenster im Schweiß badet. Mein Kreislauf hat arg zu kämpfen. Zum Glück ist die Nacht kurz. Um 4 Uhr geht dann unser Schnellboot für teure 65 USD nach Iquitos. Man hat uns gesagt, dies sei wie ein Flugzeug. Naja, das stimmt nicht ganz. Vielleicht wie eine Antonov? Ich vermisse dafür die erfrischende Air Con Luft, denn auf dem Boot knockt mein Kreislauf endgültig aus.

Ich erlebe nun Dschungelromantik im Schnelldurchlauf. Indianerdörfer schwimmen an uns vorüber, das Auge erfasst 10 Stunden lang einen grünen Uferstreifen während am Bord Action-Filme mit Steven Seagal laufen. So habe ich mir das nicht vorgestellt. Die einzige Exotik bringt eine vollbusige Peruanerin mit ihrem in Windeln eingewickelten Affen, die gemeinsam schräg hinter uns sitzen. Die Exotik dieses illustren Pärchens scheint sich aber nur uns zu erschließen, für die anderen Passagiere hingegen sind Affe und Frau normale Gäste.

Uns bleibt ein halber Tag im Geburtsort des Herzog Films Fitzcarraldo, an dem wir unsere Weiterfahrt organisieren, uns aber auch Zeit zur Muse am Amazonas bleibt. Schöne Bars auf Flussstegen gelegen eröffnen uns einen romantischen Blick auf den Amazonas und das abendliche Blitzgewitter am gegenüberliegenden Ufer. In einem Hot Spot-Café westlicher Standards genehmige ich mir auf meinen geschwächten Leib noch ein Stück Sahnekuchen. Back to Civilization muss doch gefeiert werden. Und außerdem gibt es nur noch 2 Tage in diesem Jahr zu feiern. Zivilisation auf peruanisch heißt gleich mal, Taschen fest am Körper halten. So werde ich genau in diesem Café dazu ermahnt. Meine Tasche würde nicht lang hier verweilen, wenn ich sie weiter auf dem Boden ließe. Welcome to Peru. Wie sehr sehne ich mich schon jetzt zurück nach Kolumbien. Am Abend ist es dann endgültig zu viel Hitze für meinen Körper. Heiß gelaufen unter der Sonne des Amazonas erbreche ich mehrfach. An Weiterkommen ist nicht zu denken. Am nächsten Morgen muss ich mich zum Aufsteigen zwingen, um den Flieger nach Lima nicht verstreichen zu lassen. Die kräftigen Arme meines Freundes heben mich in das überdachte Mopedtaxi und dann weiter in die Baustelle des Flughafens. Liegend warten, liegend fliegen – erst in Lima komme ich wieder auf die Beine. Allein wäre ich wohl einfach in Iquitos liegen geblieben. Ich kann die Hitze gerade gar nicht mehr ab, sehne mich nach Berge. Sehne mich nach den Anden.

1 Kommentare

  1. Ninette Brückner sagt

    Das ist ja extrem ärgerlich. Und warten wolltet Ihr nicht? Es hätte doch auf kolumbianischer Seite noch Möglichkeiten gegeben, sich die paar Tage nett zu vertreiben. Na dann Dschungel vielleicht noch einmal in Bolivien?

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