Ist man auf Reisen nicht immer auf der Suche nach dem einen Highlight, nach etwas Neuem nach etwas Einzigartigem? So beginnen viele Leidenschaften – auch die des Reisens. Dann, wenn Urlaub ins Reisen übergeht, hat man etwas überschritten, was mehr als nur die Ruhe vor den nächsten 340 Tagen (+/-) im Jahr ist. Man hat einmal etwas gefühlt, dem man immer wieder nachjagt. Wann ich diese Grenze überschritten habe, kann ich nicht genau sagen. Ein paar Schlüsselmomente markieren dennoch diese Linie.
In den 13 Monaten, die ich in den Vereinigten Staaten nach dem Abitur lebte, begann ich mir die ersten Let’s Go Reiseführer zu kaufen. Was saß ich in den Buchläden und schmökerte darin, fasziniert von der Vielfalt, die einem solch ein Guide Book eröffnete. Wann immer ich Zeit hatte, reiste ich mit Bus, Flugzeug oder Auto durch die USA. Am meisten faszinierte mich jedoch ein Abstecher nach Mexiko. Obwohl ich damals noch nicht wusste, was es war, sprang hier ein erster Funke über. Konkreter wurde es ein Jahr später, als wir auf dem Sinai in Ägypten abhingen, nach ein paar Tagen in der stressigen Hauptstadt, war dies wahrlich eine Ruheoase. Wir schnorchelten, schliefen in der Wüste und wanderten auf den Mosesberg. Und hier entfachte ein weiteres Mal das, was mich wohl in Mexiko schon zaghaft ergriffen hatte. Wir waren nicht allein auf dem Mosesberg, aber die Atmosphäre als die Sonne langsam am Horizont aufstieg von fernen Gesängen im Kloster begleitet war damals mein kleiner Höhepunkt, der mich zutiefst ergriff. Das wollte ich häufiger, davon wollte ich mehr! Wir waren wohl damals die zwei einzigen in ganz Dahab, die sich nicht mit Tauchbüchern durch die Tage quälten, sondern offen waren für alles, was man links und rechts neben dem Blue Hole noch machen konnte. Wir waren wohl generell offen für alles und einfach so begeisterungsfähig. „How amazing everything was“, geht mir manchmal heute noch durch den Kopf, wenn ich einen Augenblick verharre, um zurückzuschauen auf die kleinen Momente, in denen alles begann.
Nur ein halbes Jahr später ersetzte ich meinen Old-school-Rucksack mit Gestell durch ein zeitgemäßeres Modell und flog nach Venezuela – ein recht günstiges und sehr beliebtes Backpackerreiseziel. Das Feuer entfachte so richtig. Karibik, Anden, Llanos – ein Highlight jagte das Nächste. Aber noch etwas passierte – hier begann sich das Gefühl in meinem Körper auszubreiten, das mich inzwischen vollkommen ergriffen hatte – das Dschungelfieber. Nie wieder sah ich den Himmel größer, blauer und heller leuchten als in jener Nacht, in der wir unter dem Sternenhimmel über dem venezolanischen Urwald am Ufer eines Orinoco-Nebenflusses lagen und den Geschichten unseres Guides Pedro lauschten. Vögel, Kröten – der ganze Urwald begann mit der untergehenden Sonne zu erwachen. Diese Melodie hallt unvergessen in meinen Ohren. Diese nie wieder so intensiv erlebte Abgeschiedenheit bleibt ewig in meiner Erinnerung.
Ich reiste einige weitere Male in das riesige Amazonasgebiet nach Kolumbien, Ecuador, Peru, Brasilien und Bolivien, sogar tiefer hinein an noch entlegenere Orte. Immer wieder versuchte ich das Erlebnis von damals zu reproduzieren. Schön war es, ohne Frage, aber der Zauber von einst war verschwunden. Auch der Amazonas wurde entmystifiziert. Was einmal erobert wurde, lässt sich kein zweites Mal neu entdecken. Am Ende holte mich einfach die Zeit ein, als in unserem Camp für drei Stunden das Internet angeschmissen wurde… Willkommen in unserer schönen, neuen Welt.
Mehr schöne Reiseerinnerungen findet Ihr auf Reiseworldtv.
Weitere Beiträge:
– Auf dem Amazonas – eine Reise von Tabatinga nach Manaus
– Amazonasgrün. Meine Reise in die grüne Lunge der Erde
– Über Bolivien
– Über Kolumbien
– Über Peru
– Über Brasilien
„Was einmal erobert wurde, lässt sich kein zweites Mal neu entdecken. “ I love und so wahr…..manchmal sollte man kein zweites Mal an einen Ort zurückkehren. Das würde nur den Zauber zerstören. Und irgendwie ist es in der Erinnerung doch meist noch viel schöner. LG, Nadine
Danke, liebe Nadine. Es gibt viele Orte, denen ich den Zauber nicht durch ein zweites Mal nehmen möchte. Ich glaube, das geht mir besonders mit meinen frühen Reisen so. Das ist vielleicht ein bisschen so wie mit den Erinnerungen die Kindheit.
Inzwischen habe ich auch den Reiz kennengelernt, zum zigsten Mal in einer Stadt aus dem Flughafengebäude auf die Straße zu treten, die Geräuschkulisse aufzusaugen, den Duft einzuatmen, dem Taxifahrer wissend den Weg zu beschreiben und einfach zu seufzen „schön wieder hier zu sein“. LG, Madlen