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Moskau – Wo russische Märchen beginnen

Basilius-Kathedrale

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Nach fast einer Stunde Bootstour überschlagen sich plötzlich die Gefühle. Was eben noch nett und schön war, ist plötzlich grandios. Von weitem schon ist er zu sehen in seinem roten Gewand. Als wir uns nähern, scheint es die gesamte Bootstruppe, die aus zahlreichen Blondinen auf hochhackigen Schuhen und mit der Puderdose in der Hand aber auch typischen russischen Muttis besteht, nicht mehr auf den Plätzen zu halten. Aufgeregt wird nach dem Fotoapparat gegriffen und sich zum Posen aufgestellt. Mein kleines russisches Märchen beginnt als hinter der langen, gezackten Kremlmauer mein Lieblingsbauwerk aus Kindheitstagen erscheint. Ein Glücksgefühl überkommt mich, als die farbigen Zwiebeltürme sichtbar werden. Das ist nicht wahr, da steht sie jetzt wirklich, die Basilius Kathedrale! Der Blickwinkel verschwimmt, ich bin jetzt wirklich hier, nur wenige hundert Meter von der Basilius-Kathedrale entfernt und eh ich es so richtig fassen kann, ist unser Boot schon unter der Brücke verschwunden und die Kathedrale nicht mehr sichtbar.

Kreml vom Boot

Kreml vom Boot

Basilius Kathedrale vom Schiff

Basilius Kathedrale vom Schiff

Genauso wie das Haus meiner Kindheitsträume vor mir verschwindet, schien auch meine Reise einen kurzen Moment auf der Kippe zu stehen. Es durfte nicht sein, was ich mir lange wünschte und ich wurde schlauer, was die Vorsichtsmaßnahmen vor einer größeren Reise betrifft. Haben nicht auch Stars irgendwelche Klauseln in ihren Verträgen, die Extremsport etc. verbieten? Ich sollte mir selbst solch eine Klausel in meinen internen Vertrag mit mir selbst tragen. Dann hieße es, vier Wochen vor Reiseantritt striktes Sportverbot. Sport ist Mord und kann Träume töten. Ich kann aber einfach nicht ohne und so verletzte ich mich 1,5 Tage vor Abflug. Wenn Transsib nur Transsib wäre, hätte ich keine Bedenken. Doch sitze ich von den 3,5 Wochen lediglich nur 6 Tage im Zug herum und kann meine Muskeln in ausgestreckter Lage entspannen. Die restliche Zeit bin ich aktiv – ob Städte oder Natur. Und das will nun bewältigt werden.

Vom Schiff

Vom Schiff

Also starteten wir mit der Erkundung Moskaus per Boot – von der Metro Station Kievskaya bis zur Bolshoy Krasnokholmsky Brücke. Das ist die denkbar beste Variante für generell Fußfaule und Menschen, die gern immer erst einen Überblick bekommen möchten, bevor sie sich ins Detail verlieben. Auf der anderthalbstündigen Bootstour, die entlang grüner Oasen am Gorki Park, am Stadion und an einer Sprungschanze vorbeiführte, die einem Lust machte auf das Neujungfrauenkloster und ausgedehnte Spaziergänge an der Moskva, wird man angefixt und möchte dann am liebsten gleich die gesamte Strecke zurückgehen. Will man Moskau zu Fuß ablaufen, muss man auch gut zu Fuß sein. Das bin ich nun wahrlich nicht. Zudem war unser Tag zwei Stunden verkürzt und auch die Fahrt vom Flughafen in die Stadt benötigte in der größten europäischen Metropole viel Geduld und Zeit. Wir starteten also erst unseren Tag, als der Abend anbrach. So beließen wir es bei der Bootstour und erkundeten dann noch etwas die Gegend um die Kuznetsky Brücke, die zum Highclass Shopping einlädt, zum Sehen und Gesehen werden oder auch einfach zum Theaterbesuch. Die Wahl dieser Gegend erfolgte bei uns streng nach dem Gesetz, wo gibt es nen guten Vegetarier. Auch wenn man es nicht glauben mag, aber Moskau hat tatsächlich ein kulinarisches Highlight mit dem Juggernaut. Ein wunderbarer Laden, in dem man am Buffet seine Speisen aussucht und sich mit Händen und Füßen immer geduldig das Angebot erklären lässt.

Sonnenuntergang in Moskau

Sonnenuntergang in Moskau

Auf unserer Rückfahrt in das neu entstehende Moscow City Viertel, in dem sich unser mit dem Novotel unser Hotel befindet, hatten wir auch endlich den Dreh mit der Metro raus. Auf der Hinfahrt standen noch tausend Fragezeichen in unsere Gesichter geschrieben und eines der Fragezeichen fing eine gegenübersitzende Russin auf, indem sie uns fragte, ob wir „lost“ seien. Nein, schüttelten wir eifrig den Kopf. Dennoch, verrieten wir ihr mit einem Augenzwinkern, täten den Bahnhöfen ein paar Schilder mehr gut. Und auch in welche Richtung man fahren müsse, erkenne man erst auf dem zweiten Blick. Diese Sichtweise ändert sich, je vertrauter man mit einer Bahn wird. Wie gut, dass zumindest noch die kyrillischen Buchstaben aus meiner Schulzeit hängengeblieben sind, wenn auch nicht viel mehr. Das half bei der Orientierung.

Skyline bei Nacht

Skyline bei Nacht

Novotel Moscow City - unser Hotel

Novotel Moscow City – unser Hotel

 

Erschöpft und zufrieden falle ich in mein Bett. Vor unserem Fenster im 8. Stock befindet sich eine riesige Baustelle, die mich an den Bauboom der 90er Jahre in Berlin am Potsdamer Platz erinnert. Ein ganzes Viertel wird da vor unseren Augen aus dem Boden gestampft. Wo etwas gebaut wird, muss zuvor auch schon etwas gewesen sein, nur was? Ich liege noch etwas schlaflos da, während ich auf das bunte Baustellentreiben blicke. Moskau – eine Metropole im Wandel? Eine Stadt zwischen Kaviar und Borschtsch? Die Mercedes-Dichte ist wahnsinnig hoch. Die Highheeldichte ebenso. Im Zentrum glitzert und blinkt es. Es ist grüner als erwartet. Aber was sieht man in der Peripherie? Was sieht man dort, wo man gerade nicht hinschaut? Russland – ein Land der Märchen, Moskau – eine Stadt, die Märchen zum Leben erwecken will…

Folgt uns auf unserer Reise durch Russland, die Mongolei und China mit der Transsib unter #puriygoeseast.

Zum Teil 2: Hop on, hop off und manchmal geht gar nichts … Moskau Teil 2
Zum Teil 3: Missverständnisse und der Luxus Bahnreisender. Transsib Teil 1
Zum Teil 4: Nach Asien auf dem Landweg. Transsib Teil 2. Jekaterinburg und die Fahrt nach Krasnojarsk
Zum Teil 5: Durch Sibirien. Transsib Teil 3
Zum Teil 6: Am Baikalsee. Transsib Teil 4
Zum Teil 7: Irkutsk – das Paris des Ostens? Transsib Teil 5
Zum Teil 8: Über Ulan-Udè, Bator und unseren letzten Tag in Russland. Transsib Teil 6
Zum Teil 9: Zug Nummer 4 – und einmal durch die Mongolei. Transsib Teil 7
Zum Teil 10: Datong und die Tour mit den Touren. Transsib Teil 8
Zum Teil 11: Peking – wo Drachen in den Himmel steigen.
Zum Teil 12: Im Dunstkreis der Mauer oder 40 Minuten verschwendete Lebenszeit

Auf unserer Reise werden wir durch Lernidee und in Moskau durch das Novotel Moscow City unterstützt. Alle Ansichten sind unsere eigenen.

ENGLISH VERSION
Moscow – where Russian fairy tales begin

After almost an hour on the boat, I am suddenly overwhelmed with emotion. What was nice and pretty just now is suddenly terrific. You can already see it from afar, with its red robe. As we come closer, the whole group on the boat, which consists of numerous blondes on high heels and with compact in hand as well as typical Russian mums, can’t stay on their seats anymore. The cameras are being pulled out with excitement and they line up for posing. My little Russian fairy tale begins as my favourite building since childhood appears behind the long, jagged Kremlin Wall. As the coloured onion domes become visible, a feeling of happiness comes over me. This isn’t happening. There it really is, Saint Basil’s Cathedral! The perspective becomes blurred, I am really here, only hundred metres away from Saint Basil’s Cathedral and before I can really grasp it, our boat already disappears under the bridge and the cathedral isn’t visible anymore.
Just like the building of my childhood dreams disappears in front of me, my whole trip seemed to hang in the balance for a short moment. What I wanted for such a long time seemed no longer possible and I draw a conclusion concerning the precautions ahead of a longer trip. Don’t celebrities have certain terms written in their contracts that forbid extreme sports etc.? I should definitely include such a clause in the inner contract with myself. That would mean no sports four weeks before the start of a journey. Sport isn’t good and can destroy dreams. But I can’t live without it and therefore hurt myself 1,5 days before departure. If Transsib would only be Transsib, I wouldn’t have any concerns. But out of the 3,5 weeks, I am on the train for only six days and able to relax my muscles in an outstretched position. I am active the rest of the time – either in a city or in nature. And that has to be managed.

So we started with the exploration of Moscow via boat – from the Metro station Kievskaya till the Bolshoy Krasnokholmsky Bridge. This is probably the best option for generally lazy people and for people who always want to get an overview before they fall in love with the details. On the hour and a half long boat tour, which goes past green oases at Gorky Park, the stadium and a ski jump that whets your appetite for the New Maidens’ Monastery and long walks along the Moskya, goads you into walking all the way back. If you want to walk the whole city, you have to be light on your feet, which I really am not right now. Moreover, our day was two hours shorter and the drive from the airport into the city required a lot of patience and time in the biggest European metropolis. So our day really began as the dusk was falling already. Therefore, we left it at the boat tour and explored the area around the Kuznetsky Bridge a bit, which is great for high class shopping, for the seen and be seen and also for a visit to the theatre. We chose this area strictly after the rule: where can we find a good vegetarian restaurant. Even if you cannot believe it, but Moscow really has a culinary highlight with the Juggernaut. A great restaurant, where you can choose from a buffet and where they patiently try to explain the offers to you.
On our way back to the emerging Moscow City area, where our hotel Novotel is located, we finally got the hang of the Metro, too. You could still see the confusion in our faces on the outward journey. A young Russian saw it too and asked if we were lost. No! We shook our heads eagerly. Nevertheless, we let her know with a wink that a few more signs would be nice. The other thing you can only see at second glance, too, is in which direction you have to go. This point of view changes once you become acquainted with the Metro. It’s a good thing that at least the Cyrillic letters from my schooldays stuck in my mind, even though it wasn’t much more. But this helps with orientation.
I collapse into bed exhausted and happy. A huge building site is located in front of our window on the 8th floor, which reminds me of the building boom in Berlin at the Potsdamer Platz during the 90s. A whole new district pops up in front of our eyes. There had to be something else there before that, but what? I lie there sleepless for a bit and look at the building site. Moscow – a metropolis changing? A city between caviar and borscht? The frequency of Mercedes’ is incredibly high. The frequency of high heels, too. It sparkles and twinkles in the city centre. It is greener than expected. But what can you see in the periphery? What do you see in the places you aren’t looking at? Russia – a country of fairy tales, Moscow – a city that wants to make the fairy tales come true…
Follow us on our trip through Russia, Mongolia and China with the Transsib under #puriygoeseast.
We are being supported on our trip by Lernidee and the Novotel Moscow City. All opinions are our own ones.

6 Kommentare

  1. Hey,
    danke für diesen wirklich schönen Reisebericht. Ich selbst war leider noch nie in Moskau und habe deinen Artikel deswegen voller Spannung gelesen. War wirklich sehr interessant!

    Grüße
    Bärbel

  2. Kreml, Basiliuskathedrale, die Metro – ich fühle mich gerade wie im Russischunterricht! Freue mich schon auf weitere Berichte und wünsche gute Besserung! Cчастли́вого пути́!
    Kristine

  3. Eine erstklassige Reportage – da will ich gleich los und all das sehen!
    Eine Reise mit der Transib kommt auf jeden Fall noch auf meine Bucketlist… aber dafür brauch ich viel Zeit.

    • Danke! Stand auch bei mir lang genug auf der Bucketlist… und nun endlich geschafft! 3,5 Wochen war wirklich schon eher kurz. Gern hätte ich an den einzelnen Orten noch mehr Zeit verbracht. Daher rate ich jedem, bringt Zeit mit!

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