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In der Mitte Deutschlands wartet eine Burg

So wohnt es sich in Eisenachs Villen

Wartburg. Der Wartburg? Die Wartburg? Heute fragt das niemand mehr. Der Wartburg ist Opel und Co. gewichen. Als ich über den weitläufigen Marktplatz Eisenachs schlendere, kommt ein knatternder Wartburg um die Ecke gefahren. Es gibt ihn noch – hier und da vereinzelt! Früher fuhren wir regelmäßig im Herbst zur Wartburg-Rallye. Das war die Paris-Dakar des Ostens.

Nur wenig erkenne ich noch, als ich durch die Straßen laufe. Einfach alles zu lange her. Noch zweimal kam ich nach der Wende. Einmal zu meinem Auswahlgespräch für ein Auslandsjahr in den USA. Ein anderes Mal machte ich mit meiner Familie einen Weihnachtsausflug auf die Wartburg. Und genau da soll es auch jetzt wieder hinaufgehen. Der Himmel hat sich inzwischen zugezogen. Aus der Ferne höre ich ein Grummeln. Ich bin am Beginn des Rennsteigs und wie es Herbert Roth schon so schön besang, hier wandert man eben so gern. Viele Wege führen den Berg hinauf – gleich hinter dem Marktplatz. Ich laufe auf engen Pfaden durch Wälder und Wiesen. Immer wieder schaue ich mich um, um mich zu vergewissern, dass ich nicht vom rechten Weg abgekommen bin. Auf den ersten Metern fällt mir jedoch auf, was Cornelia Hartleb zuvor in ihrer Stadtführung immer wieder mit Stolz betont hatte. Eine Villa reiht sich an die nächste und das in einer herrlichen Hanglage mit Blick über das Tal. Ich durchquere noch nicht einmal die drei bekanntesten Villengebiete Eisenachs – Predigerhöhe, Marienhöhe und Karthäuserhöhe – und bin schon entzückt. Die Stadt verfügt über das größte zusammenhängende Gebiet freistehender Villen europaweit.

Marktplatz von Eisenach

Marktplatz von Eisenach

Georgenkirche

Georgenkirche

Ein Koffer in Eisenach

Ein Koffer in Eisenach

Schmales Haus – mit 2,05 m Breite kaum breiter als ein Handtuch

Schmales Haus – mit 2,05 m Breite kaum breiter als ein Handtuch

Dabei denkt man bei Eisenach immer nur an das eine Wahrzeichen, das hoch oben über der Stadt thront – die Wartburg. „Wart! Berg, du sollst mir eine Burg werden!“, rief einer Sage nach Ludwig der Springer vor ca. 1000 Jahren aus. Angetan vom herrlichen Blick über die sanften Hügel und Täler, wurde auf dem 400 Meter hohen Felsplateau die Burg gebaut, die später vor allem durch Martin Luther alias Junker Jörg zur Berühmtheit gelang. Ein bisschen in diese Zeit zurückversetzt, fühle ich mich auch, als ich die Pfade hinauflaufe zwischen den Datschen, den Wiesen und Wäldern. Das Zwitschern der Vögel und ein Donnern sind die einzigen Geräusche, die mich begleiten. Ruhe findet man hier und auch Abgeschiedenheit. Das optimale Versteck einst schon für Luther. Nach knapp einer halben Stunde erreiche ich die Eselstation, an der mich meine Erinnerung wieder einholt. Früher trugen die Esel Wasser hinauf zur Burg, dann waren es die Kinder. Auch ich saß einst auf dem Rücken eines Esels. Noch ein letzter steiler Weg ist zu bewältigen, bis sich unter mir der Blick auf die bewaldeten Berge eröffnet und dahinter leuchten Blitze auf. Um mich herum klicken die Fotoapparate, nicht nur mit der Wartburg als Motiv. Auch die „überherrliche“ Umgebung, wie Goethe einst die zarte Mittelgebirgslandschaft des Thüringer Waldes hier nannte, zieht die Touristen in den Bann. Einen noch besseren Ausblick genießt man auf dem Gelände vom Süd- oder Pulverturm aus dem 14. Jahrhundert, in dem sich das Verlies befindet.

Wartburg

Wartburg

Turteltauben in den alten Gemäuern der Wartburg

Turteltauben in den alten Gemäuern der Wartburg

Willkommen im Burghof

Willkommen im Burghof

Eselstation

Eselstation

Schnell flüchte ich mich vor den Regenwolken in die schmale Vorburg, die von Margarethengang, Vogtei und Ritterhaus sowie dem Elisabethgang gesäumt wird. Dass die Wartburg in drei Bauphasen entstand, erkennt man an dem Mix aus Romanik, Gotik, Renaissance und Historismus. Die jüngeren Bauwerke stehen meist über den Fundamenten einstiger Vorgänger.

 Während die Fachwerkbauten und die der alten Ringmauer aufgesetzten Wehrgänge hauptsächlich aus dem 14. und 15. Jahrhundert stammen, entstand der mittlere Gebäudekomplex aus Neuer Kemenate, Torhalle und Dirnitz, der Vor- und Hofburg trennt, in den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhunderts im historisierenden Stil.

Als der Regen niederprasselt, schließe ich mich einer einstündigen Tour durch die Gemächer der spätromantischen Hofburg aus dem 12. Jahrhundert an und schließe diesen Rundgang mit einem Besuch des Burgmuseums ab. Im mittelalterlichen Palas lerne ich das höfische Leben von damals kennen. Und auch erfahre ich, dass es einst „in“ war, in Thüringen zu leben. Aus wirtschaftlicher Perspektive waren die vielen Fürstentümer zwar hinderlich, doch weil sich fast auf jeder Erhebung ein Fürst drängte, der geltungsbedürftig seine Macht zur Schau stellen wollte, entstand im Herzen Deutschlands so viel Kultur und wurde schließlich Geschichte gemacht. Das wird hier noch einmal mehr deutlich. So galt der landgräfliche Hauptsitz unter Hermann I. einst als Zentrum des hochmittelalterlichen Dichtens und Minnesangs und war im 12. Jahrhundert Schauplatz des legendären Sängerwettstreits mit dem bekannten Walther von der Vogelweide; später inspirierte dieser Wagner zu seiner Oper „Tannhäuser“. Auch Wolfram von Eschenbach dichtete hier. Alles große Namen. Als vierjähriges Mädchen kam später die Heilige Elisabeth von Thüringen auf die Wartburg, an die vor allem die mit Mosaiks aus ihrem Leben verzierte Fräulein-Elisabeth-Camin-Stuben erinnert.

Blick von der Wartburg

Blick von der Wartburg

Festsaal

Festsaal

Lutherstube

Lutherstube

Unterwegs auf dem Weg zur Wartburg

Unterwegs auf dem Weg zur Wartburg

Martin Luther fand auf der Wartburg 1521 von Papst und Kaiser verfolgt als Junker Jörg Schutz und übersetzte das Neue Testament in die deutsche Sprache. Wer kennt sie nicht, die Geschichte mit dem Tintenfass, mit dem Luther eines Nachts auf den Teufel warf, wobei ein Tintenfleck an der Wand entstanden sein soll, der noch im letzten Jahrhundert zu sehen gewesen war. In der zum Museum gehörigen Vogtei kann man die Lutherstuben besuchen, jedoch nicht den Tintenfleck sehen. Zu viele Besucher haben wohl in den vorherigen Jahrhunderten an dieser Wand gekratzt, um ein Stück Geschichte mit nach Hause zu tragen. Und ob Luther tatsächlich den Teufel mit Tinte beworfen hat oder nur metaphorisch auf einem Blatt Papier mit Tinte bekämpfte, sei ohnehin dahingestellt. Nicht zuletzt waren da noch die deutschen Burschenschaften, die sich hier 1817 zum Wartburgfest trafen.

Als wir am Ende unserer Tour unter den Klängen Wagners „Einzug der Gäste“ aus der Oper Tannhäuser in den Festsaal „einziehen“, den selbst der bayrische Märchenkönig Ludwig II für Schloss Neuschwanstein nachahmte, erstummt unsere Gruppe ehrfürchtig. Der Saal erstreckt sich über die gesamte Länge und Breite des Palas und zählt heute zu den beliebtesten Konzertsälen Thüringens oder gar Deutschlands. Er besticht vor allem durch seine hervorragende Akustik. Nicht zuletzt stand Franz Liszt im Auftrag des Weimarer Herzoghauses bei der Ausgestaltung des Festsaales beratend zur Seite.

Bubble Chair im Bachhaus

Bubble Chair im Bachhaus

Spinnet im Bachhaus

Spinnet im Bachhaus

Die Serie "Familie Dr. Kleist" wurde hier gedreht

Die Serie „Familie Dr. Kleist“ wurde hier gedreht

Stadtmauer hinter der Predigerkirche

Stadtmauer hinter der Predigerkirche

Genauso musikalisch, wie es oben auf der Burg zugeht, erklingt auch am Fuße des Bergs die Stadt. Ich bin ja schließlich in der Geburtsstadt Johann Sebastian Bachs, in der sich auch das weltweit größte Museum für den Komponisten befindet. Wollte man sich durch die Musikstücke im Museum vollständig durchhören, würde die Öffnungszeit von acht Stunden täglich nicht ausreichen. Tatsächlich habe ich gerade einmal eine Stunde. Und diese beginnt lebendig im alten Bach-Gebäude. Mit Stücken auf Hausorgel, Silbermann-Spinett, Clavichord und Cembalo werde ich authentisch in die Wirkenszeit Bachs zurückversetzt. Und während ich vor mich hin träume, wird plötzlich Einsatz des Publikums gefordert. Die Orgel bedarf der Hilfe eines Kalkanten, früher waren es zehn und mehr.

Nach einem Rundgang durch die aktuelle Sonderaustellung „B+A+C+H = 14 – Bach und die Zahlen“ und den historischen Wohnräumen, die einen Einblick in das Leben der Stadtmusikerfamilie Bach um 1700 geben, lasse ich mich im modernen Erweiterungsbau in einen schwebenden „Bubble-Chair“ fallen. Überall hängen oder liegen Kopfhörer, die zum Reinhören einladen, und mich in dieser Blubberblase gedanklich hinfort fliegen lassen oder zumindest hinüber in das „Begehbare Musikstück“ tragen. Etwas benommen verlasse ich das Bachhaus. Die Zeitmaschine beförderte mich heute in verschiedene Epochen. Würde jetzt ein Wartburg um die Ecke biegen, ich wüsste nicht…

So lebt es sich in einer Eisenacher Villa

So lebt es sich in einer Eisenacher Villa

Bratwurststand

Bratwurststand

Luther-Denkmal

Luther-Denkmal

Fachwerkhäuser in Eisenach

Fachwerkhäuser in Eisenach

Was man sonst noch so wissen könnte?

  • Auf die Wartburg kommt man mit Buslinie 10, aber viel schöner ist doch der ca. halbstündige Spaziergang vom Markt. Ich nahm den Burgweg hinauf und den Steinweg hinab. Die Führungen der Burg finden von 8.30 Uhr bis 17.00 Uhr statt. Die Wartburg hat übrigens 365 Tage im Jahr geöffnet.
  • Im Hause der Eisenacher Ratsherrenfamilie Cotta lebte von 1498 bis 1501 Martin Luther als Lateinschüler. Dieses einstige Wohnhaus ist heute als „Lutherhaus“ bekannt. Jedoch wird es bis Sommer 2015 saniert und so sind Teile der Ausstellung und der Buchladen ins benachbarte Creutznacher-Haus gezogen.
  • Im Bachhaus gibt es stündlich barocke Live Musik auf Tasten-Instrumenten aus Bachs Schaffenszeit. Ca. 20 Minuten dauert diese Vorführung. Für das gesamte Bachhaus sollte man somit unbedingt mindestens eine Stunde einplanen.
  • Vom DIXI bis zum Opel. Seit über 100 Jahren werden in Eisenach Autos gebaut. Daher gehört zu einem Aufenthalt in Eisenach auch der Besuch der Ausstellung über die bewegte Geschichte des Automobilbaus an diesem Ort in der automobile welt eisenach dazu.
  • Die prächtigen Villenviertel Eisenachs erwähnte ich bereits, die sich für einen Spaziergang anbieten. Doch die Reuter-Villa sollte auch von innen angesehen werden, da sie nicht nur einen Einblick in das Leben des Dichters Fritz Reuter gibt, sondern seit 1897 auch die größte Wagner-Sammlung außerhalb Bayreuths beherbergt.
  • Wenn man schon einmal in Eisenach ist, sollte man neben dem Kultur- auch das benachbarte Naturerbe Hainich besuchen. Auf dem Baumkronenpfad kann man das größte zusammenhängende Laubwaldgebiet Deutschlands auch von oben erleben. (Vom 1. April – 31. Oktober verkehren ab Eisenach – Linie 27a).
  • Für Wanderfreunde ist zudem der 6 km lange Rundwanderweg Drachen- und Landgrafenschlucht vom südlich gelegenen Mariental aus zu empfehlen.
  • Keine Tour ohne leibliches Wohl! Natürlich gibt es in den Straßen von Eisenach auch die berühmte Thüringer Bratwurst. Als Vegetarierin wurde ich aber auch mit wunderbaren Alternativen belohnt. Im „Zimt und Zucker“ speiste ich nach meinem Aufstieg, in der „Eismanufaktur“ holte ich mir leckeres Eis auf die Hand. Beide findet man auf dem Marktplatz.
  • Wusstet Ihr schon, dass 2014 den 38 Welterbestätten der UNESCO in Deutschland gewidmet ist. In Thüringen stehen derzeit die Wartburg, das Bauhaus und die Klassikstätten Weimar sowie der Hainich als Naturerbe auf der Liste des UNESCO Welterbes. Nicht nur am Welterbe-Tag am 1. Juni 2014 gibt es besondere Veranstaltungen, die die Stätten würdigen – sondern im gesamten Jahr.

 Ich wurde von Thüringen Tourismus und Eisenach-Wartburg-Touristisk nach Eisenach eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen. 

 

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Meine Bloggerkollegin Meike war übrigens auch erst kürzlich in Eisenach und war nicht minder begeistert. In ihrem Beitrag „Küsschen aus Stein“ schreibt sie über ihren Aufenthalt.

9 Kommentare

  1. Die Wartburg steht schon lange auf meiner ToDo…. wird Zeit, dass das mal erledigt wird! Die Einblicke, die du uns gegeben hast sind herrlich!

    • Danke, liebe Naninka. Unbedingt mal machen! Und es lohnt sich nicht nur wegen der Wartburg 😉 LG, Madlen

  2. Hi Madlen,
    das sind ja wirklich tolle Fotos und Eindrücke von Eisenach. Das mit dem größten zusammenhängenden Gebiet von Villen wusste ich überhaupt nicht. Und das, wo ich jetzt schon seit sechs Jahren in Thüringen wohne. Da muss ich wohl wirklich nochmal nach Eisenach. Danke für den Tipp!

    • Hallo Sarah, ich war ja als gebürtige Thüringerin schon ein paar Mal in Eisenach, auch wenn es länger her ist. Die Villen waren mir immer total entgangen. Und dann soll es sich dabei noch um das größte zusammenhängende Gebiet von Villen in Europa handeln! Warum wusste ich das nicht schon früher! Umso schöner, dass man immer wieder neue Aspekte kennenlernt. Und ein Trost, dass diese Info auch Dir neu ist 😉 LG, Madlen

  3. Hi Madlen!,

    wirklich schöne Fotos von Eisenach und Umgebung! Ich war im Herbst in Eisenach, wusste leider zu dem Zeitpunkt gar nicht, dass dort so eine tolle Burg steht! Ich komme selber aus Braunschweig, aber da sieht man mal wieder, wie sehr ich mich für die „örtlichen“ Sehenswürdigkeiten interessiere! beim nächsten Besuch, werde ich das definitiv nachholen!

    sonnigen Gruß da lassen 😉

    • Oh liebe Kate, Du hast die Wartburg übersehen 😉 Unbedingt zurückkommen und hochlaufen! Es lohnt sich! LG, Madlen

  4. Sehr schöner Artikel! Ich habe ihn besonders gern gelesen, weil ich auch erst kürzlich in Eisenach und auf der Wartburg war. Viele Grüße, Meike

  5. Das freut mich sehr! Manchmal hat es Vorteile, wenn man an einem Bahnhof eine Weile warten muss.
    Reiselustige Grüße, Meike

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