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El Cajas – Ein Nationalpark voller Schachteln

Las Cajas, Ecuador

„Seid Ihr müde?“ fragt Milton in den Van hinein. „Das könnte an der Höhenluft liegen.“ Die Wanderungen, die wir heute vorhaben, sind technisch nicht herausfordernd, aber die Höhe verträgt nicht jeder. Ich bin müde, richtig müde. Aber mit den 3000, 4000 Metern werde ich schon fertig.

Eine Stunde, nachdem wir Cuenca verlassen haben, erreichen wir das Eingangstor Llavincu vom Nationalpark El Cajas. 114 Besucher dürfen dieses Tor täglich maximal passieren. Doch da der Zugang nicht an einer Hauptstraße liegt, sind es eher wenige Gruppen und Ecuadorianer mit eigenem Fahrzeug, die dieses Tor ansteuern. Auf verhaltenen 3160 m Höhe starten wir unsere erste Wanderung durch den Bergnebelwald. Kolibris, Tukane, Tapaculos sind hier zuhause. Es dauert nicht lange, da erreichen wir die erste der ca. 270 Lagunen und Seen glazialen Ursprungs des 28.000 Hektar großen Nationalparks. Umringt von den Andenbergen liegt sie vor uns wie eine Schachtel. Dass der Park Cajas (Schachtel) heißt, ist schließlich kein Zufall.
Obwohl „Cajas“ auch auf einen anderen Ursprung zurückzuführen ist: laut Quichua bedeutet „cassa“ Weg zu den Schneekuppen oder „caxa“ kalt.

Las Cajas, Ecuador

Alle Schachteln sind miteinander verbunden und füllen sich nach einem Paternostersystem durch das Regenwasser auf. Überhaupt spielt hier Wasser eine große Rolle, schließlich stammen 60 % des Trinkwassers in Cuenca aus diesem Nationalpark. Wir laufen unterhalb des einstigen Inka-Trails Chaquintan am Ufer der Laguna Llavicu (Zorrocucho) entlang. Diesen Trail nutzten bereits vor den Inkas die Kañari. Sie ist eine Verbindungsachse zwischen dem Tiefland am Meer und Tumipampa, dem heutigen Cuenca. Am Ende der Lagune befindet sich ein zerfallenes Gebäude, das bis Anfang der 40er Jahre eine deutsche Brauerei war. Es wirkt etwas verloren in der Landschaft an diesem wolkenverhangenen Tag. Auf unserem Rückweg führt der Weg über Holzstege am Berg. Hier bietet sich noch einmal ein wunderbarer Ausblick auf die Umgebung.

Nach 1,5 Stunden verlassen wir diesen Teil des Nationalparks mit dem Sendero Uku und steuern den 45 Minuten entfernten Punkt Tres Cruces auf 4167 m Höhe an. Eine gut asphaltierte Straße, die Verbindungsachse von Cuenca und Guayaquil, führt direkt über die Kontinentale Wasserscheide an diesem Pass. Es ist der westlichste Teil dieser Wasserscheide Südamerikas, betont Milton, als wir im kalten Wind vor den drei Kreuzen stehen. Einst beteten die Inkas auf ihrem Weg ins westliche Tiefland an dieser Stelle, da sie hier die schwierige Gebirgs-Passage hinter sich hatten und nun in das warme Gefilde kamen. Als später die Spanier die Region eroberten, machten sie sich dies zunutze und bauten ihre drei Kreuze auf, in der Hoffnung, die Inkas würden nun zu Gott beten.

Wir fahren wieder ein Stück zurück und halten oberhalb der Laguna Toreadora. Eine formreiche Páramo-Landschaft liegt uns zu Füßen. Ein beiger Farbton kleidet die Berge, die die Lagunen umschließen. Auf einer Höhe von 3955 m beginnen wir unsere 2,5 stündige Wanderung auf dem Camino de Garcia Moreno. Endemische Enzianarten, Agaven und viel Pajonal-Gewächs umgeben uns. Am Ufer der Laguna Toreadora werden mit Selfistick Fotos geschossen. Wie schön würden die Lagunen leuchten, wäre der Himmel blau. Doch unsere Schachteln sind heute auch oben mit einer Wolkendecke geschlossen.

Wir erreichen nach einer halben Stunde einen mystischen Wald, von dem uns Milton bereits am Start der Wanderung schon vorgeschwärmt hatte. Ich setze mich auf einen Stein nieder und warte im Wald der märchenhaften Papierbäume (Polylepis) auf die restliche Gruppe. Inzwischen hat auch ein kühler Regenschauer eingesetzt, der die Steine und Wurzeln des Rosengewächses in rutschige Wege verwandelt, als wir den Bosquete de San Luis (Bosque Quinoa) durchquert haben, liegen weitere Lagunen vor uns. Mal ist ein Fluss zu durchqueren, mal laufen wir auf matschigen Uferpfaden, die durch die Pajonal-Büschel kaum zu finden sind. Doch dann tauchen immer wieder pinke Kleckse auf Steinen und Wurzeln auf, die den Sendero 1 kennzeichnen. Und auch Tafeln nach ca. 300 m zeigen, ob man sich noch auf dem richtigen Weg befindet. Der Sendero 1 ist als fünfstündiger Rundweg angelegt, der wieder zurück zur Laguna Toreadora führt. Doch wir beenden ihn auf einer Höhe von 3807 m nach 2,5 Stunden am Parkplatz. Es ist inzwischen schon 15 Uhr und im Restaurant Las Ollas del Cajas wartet bereits unser Mittagessen.

Unser Van windet sich der Serpentinenstraße hinab, während wir in unsere Sitze sacken. Im Rückspiegel sehen wir die letzte Lagune verschwinden, nun schlängelt sich nur noch ein Fluss ins Tal. Truchas (Forellen) werden angeboten, Sportangeln ebenso. Der Sohn einer Familie aus Quito möchte gern angeln. Da lacht Milton und meint, sportlich ist das Angeln doch nur in den Lagunen und nicht in diesen Teichen hinter den Häusern. Schmunzelnd schließe ich meine Augen. Ich bin müde, sehr müde. Das war weniger die Höhe, als die Höhenluft und die versteckte Sonne. Cajas ist nicht nur eine Box oder eine Schachtel, sondern eine Schatulle mit einem wertvollen Schatz.

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