„How many are you?“ Wieder muss ich schmunzeln, als ich in das besorgte Gesicht des Kellners schaue, dem ich gerade mitgeteilt habe, dass ich allein bin. Er hatte bereits das Frühstück für eine zweite Person auf den Platz neben mir serviert, als er noch mal nachfragt, ob die zweite Person nicht wirklich im Zimmer sei.
Egal ob beim Fahrkartenkauf im Busbahnhof, im Restaurant, im Park oder bei einer Tour – immer wieder diese Frage, die mich verfolgt. Dabei ist es durchaus nichts besonderes, allein zu reisen, doch an manchen Orten drückt diese Frage tatsächlich den Zustand aus, den auch ich auf den Philippinen häufig wahrnehme – hier ist man einfach nicht allein. Also, auch wenn man allein war, so tut man sich zu einer Gruppe zusammen. Und dann gibt es da die Orte, die nur vor Pärchen wimmeln – El Nido zum Beispiel. Nicht einfach Pärchen, sondern Pärchen, die sich einfach nicht mal loslassen können, ein bisschen wie Honeymoon. Aber dafür bieten sich die Philippinen ja auch exzellent an.
Südostasien reloaded
Es ist schon einige Jahre her, als ich das letzte Mal in Südostasien unterwegs war. Fast hatte ich es vergessen, wie es hier so ist mit dem Reisen. Die Idee kam mir ziemlich spontan. Anfang Dezember hatte ich das Gefühl, schnellstmöglich weg zu müssen. Brasilien schwirrte durch meinen Kopf. Doch irgendwie wollte ich mal wieder etwas ganz Neues und entschied mich kurzerhand für eine Region, die ich 16 Jahre links liegen ließ. Immer wieder hörte ich, als Lateinamerikafan könnten mir die Philippinen gut gefallen – sie weisen tatsächlich noch spanische Züge aus der einstigen Kolonialzeit auf – nicht nur im Wortschatz, sondern auch in der Architektur. Und dann ist es hier streckenweise genauso laut und manchmal etwas dreckig. Nur musikalisch können sie leider nicht mithalten, das war mir klar.
Ich ging etwas uninformiert in die Reise, das gebe ich zu. Ich erwartete ein Land, das nicht so überlaufen ist, wie ich es einst in Thailand, Laos und Kambodscha erlebte. Und leider wurde ich eines besseren belehrt. Natürlich ist dies meiner nicht vorhandenen Reisplanung geschuldet – wer die Szenerie des Bacuit Archipel vor El Nido in Kürze erleben möchte, in die großen Kulleraugen der Tarsiere schauen und dabei noch kurz über die Schokoladenhügel den Blick schweifen lassen will, weil sie mich irgendwie an Viñales auf Kuba erinnern, und zudem in den Reisterrassen wandern, der hat sich sicherlich die Rosinen herausgepickt, die jeder Tourist in seiner Planung hat. Nach drei Wochen würde ich sagen, Manila und Cebu City waren die Orte, an denen ich mich am meisten unter Einheimischen fühlte. Nach 3 Wochen würde ich aber auch sagen, nach den Tops könnte die Reise nun richtig losgehen – denn nun würde ich mich auf die Suche nach den lonely places machen, soweit es die hier gibt. Aber leider hat diese Reise nun ein Ende und mein Fazit ist, Philippinen – wir sind noch nicht fertig.
Bevor ich in den nächsten Wochen die Reise nach Stationen aufbereite, meine ersten persönlichen und sehr unstrukturierten Gedanken zu den Philippinen und was mir sonst durch den Kopf schwirrte.
Paradiesisch schön
Allein hinsichtlich der Naturgegebenheiten können die Philippinen unheimlich punkten. Als Archipel mit 7107 Inseln kann es einem hier ja nur gefallen, wenn man den Traum von Strand, türkisfarbenem Wasser, Kokosnusspalmen und bunten Fischen sucht. Was ich manchmal etwas abschreckend fand, ist diese schier endlose Anzahl an Resorts. Das lässt manche Region auch ziemlich zugebaut erscheinen. Natürlich war der feine Sand, das strahlende, glasklare Wasser eines meiner Highlights, dennoch genoss ich ebenso sehr die Zeit in den Bergen – auch, weil hier eben nicht dieser Resorttourismus herrscht.
Hello Mam
Ob Good Morning Mam, Hello Mam oder Good Evening Mam – wo immer ich auftauchte und auf Filipinos traf, schlug mir eine unglaubliche Herzlichkeit entgegen, die sich in der permanenten freundlichen Begrüßung begleitet durch ein Strahlen im Gesicht ausdrückte. Manchmal fragte ich mich, haben die Leute nicht einfach auch mal einen schlechten Tag, haben sie nicht einfach auch mal Lust, einfach die Klappe zu halten. Wenn ich als Morgenmuffel an manch frühem Morgen binnen einer Minute fünf Mal Good Morning sagen musste, war das manchmal schon eine Herausforderung für mich. Die ausgesprochene Freundlichkeit und Offenheit stets für einen kurzen Talk wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.
Sicherheit
Hier bin ich gleich beim nächsten Punkt, der mir das Reisen hier sehr erleichterte. Es ist alles so supereasy und recht sicher. Wo ich in vielen lateinamerikanischen Orten nicht unbedingt entspannt nachts allein umherlaufen würde, war das hier so gar kein Problem. Auf Palawan lief ich Mitternacht von Ort zu Ort. Es war stockdunkel und ich hatte meine Taschenlampe vergessen. Irgendwann tauchte aus der Dunkelheit der Nacht ein Moped auf. Der Fahrer fragte mich, ob er mich mitnehmen könne. Nach kurzem Überlegen willigte ich ein. Meine Frage nach dem Preis beantwortete er mit: „Gib mir das, was Du denkst.“ Ich hatte nur ein paar Münzen in der Tasche – doch er war zufrieden. Weg vom Land – auch in den Städten Manila, Puerto Princesa oder Tagbilaran hatte ich keine Bedenken.
Sicherheit Teil 2
Die öffentliche Sicherheit spielt auch im Land generell eine große Rolle. Alles was wichtig ist, ist gesichert und beansprucht Personenkontrollen. Ob im LRT (Metro in Manila), Malls, Restaurants, Hotels – der Blick in die Tasche und unters Auto ist obligatorisch.
Speisen
Um es vorweg zu nehmen, ich selbst mache mir nicht allzu viel aus Essen und muss als Vegetarier ohnehin immer ein bisschen improvisieren. So muss ich auch nicht Lechon (Spanferkel) oder halb ausgebrütete Eier – Balut – verputzen. Südostasien stand für mich bisher für leckere Speisen. Die Philippinen sind jedoch so solala. Meine Reisgerichte in „normalen Restaurants“ schmeckten meist sehr fad. Das beste Essen hatte ich, als ich von einer philippinischen Familie zuhause bekocht wurde. Ansonsten griff ich auf die leckeren frischen Säfte und Früchte zurück – Buko, Calamansi oder supersüße Mangos.
Verkehrsmittel
Vom Moped über Jeepney über Tricycle über Bus über Taxi über Van über LRT (Metro) über Fähre über Flugzeug – habe ich alles mal ausprobiert. Jeepneys sind ein bisschen Chicken Bus-Feeling soweit man drin und nicht auf dem Dach sitzt. Für kürzere Strecken trotzdem eine nette und vor allem supergünstige Variante, um sich fortzubewegen. Das eigene Mofa habe ich erst am Ende in Erwägung gezogen und bin der Meinung, ich hätte mir viel häufiger ein Zweirad mieten sollen. Das Gefühl ist wunderschön und vor allem auch die Flexibilität. Die Busse sind ok, aber selbst wenn sie deluxe sind, wie mein Nachtbus, können sie nicht mit den südamerikanischen deluxe-Varianten mithalten, deren Sitze geräumig sind und sich gute neigen lassen. Die normalen Busse sind wie immer proppenvoll. Am häufigsten aber bin ich Tricycle gefahren. Für kürzere Strecken super ausreichend, man hat immer frische Luft um die Nase und kann auch seinen Rucksack gut transportieren. Bei Taxen erwischte ich (fast) immer einen Fahrer, der regulär mit Taxameter fuhr. Gerade vom Flughafen in Manila kann es enorme Unterschiede geben. Da in der Ankunftshalle eine riesige Schlange auf die gelben Taxen wartete, kam ich mit dem Personal der weißen Airporttaxen ins Gespräch. Sie verlangten für die Fahrt an die Grenze Pasay/Malate 1200 Pesos, ich nahm vom entspannteren Abflugbereich dann ein gelbes Taxi, das mich mit eingeschaltetem Taxameter 150 Pesos kostete. In Manila bin ich viel abgelaufen und habe zudem den LRT gern genutzt. In der Rush Hour kann dieser zwar recht voll sein, doch dann werden auch eigene Frauenabteile eingerichtet, die ich trotz Enge sehr angenehm empfand. Der LRT ist – gerade bei den permanent verstopften Straßen Manilas – schnell und preiswert. Inselhopping ist auch sehr einfach mit Schnellfähren und Flugzeugen. Man sollte nur nicht erwarten, dass sie immer pünktlich sind.
Selfie, Selfie, Selfie
Inzwischen ist die ganze Welt im Selfiewahn – immer wenn ich denke, dieses Land ist schlimm, finde ich das nächste noch schlimmer. Meist erzeugt dies in mir das Gefühl, meine Kamera einfach wegzulegen. Immer häufiger habe ich das Gefühl, wieder zurück in die Zeit der Analogfotografie zu wollen, in der man wusste, man hat nur 12, 24 oder 36 Bilder und ich hatte auf Reisen damals max. 2 Filme dabei. Kurz knipsen und genießen – das Genießen kommt immer öfter zu kurz. Bei meinem Ausflug von El Nido ins Bacuit Archipel habe ich vor Selfiesticks, Handys und Kameras von meinem Kajak aus kaum einmal die Felsen ungestört im Blick gehabt. Wie soll man dann noch genießen? Nicht einmal im Flugzeug wurde ich dann verschont. Cebu Pacific Airlines macht gerade eine „Selfie“-Aktion.
Umweltgebühr und Stranderlebnis anders
Philippinen sind Strand, Strand, Strand! Manche kommen nur wegen der Strände und der Unterwasserwelt angereist. Das macht das Land natürlich auch für den Tourismus sehr attraktiv. Wo es recht günstig beste Bilderbuchstrände gibt, sind natürlich auch viele.
Die Philippinen sind auch hoch im Kurs bei Koreanern, Japanern und Chinesen. Das erzeugt auch manchmal seltsame Badegewohnheiten. Nicht nur, dass man häufiger Touristen mit Klamotten im Wasser (auch Pools) sieht, dort, wo es angeboten wird, sieht man auch gern Schwimmwesten im Wasser.
Löblich finde ich das Einholen einer Umweltgebühr in Schutzgebieten wie z.B. vor El Nido. Wer hier Wassersportaktivitäten oder Ausflüge macht, zahlt eine Gebühr. Sie soll der Erhaltung der Umwelt dienen, doch wenn ich kurze Zeit später wildpaddelnde Kajaks vor mir sehe und Menschenmassen, die auf Korallen herumtreten, dann weiss ich nicht ganz, ob das der richtige Weg ist. Vielleicht sollte man erst einmal darüber nachdenken, als dann mit dem Geld die geschehenen Schäden wieder rückgängig machen zu wollen.
Verschönerung der Straßen
Besonders wenn man in der Cordillera unterwegs ist, fallen einem immer wieder die liebevoll zurecht gemachten Inseln am Rande der Straßen auf, die wie kleine Raststätten zum Verweilen einladen sollen und von denen man meist auch einen schönen Blick genießen kann. Das ganze ist einem Straßenverbesserungsprogramm RROW des Departments of Public Works and Highways (DPWH) geschuldet. Häufig wurden für die Gestaltung recycelte Materialien verwendet. Ziel ist es, nicht nur gut auszusehen und ein Rastplatz mit Ausblick zu sein, sondern auch ein Umweltbewusstsein zu fördern.
Manila
Aufgrund meines verlorenen Rucksacks verbrachte ich am Ende mehr Zeit in Manila als eigentlich geplant. Mit 1-2 Tagen kommt man schon sehr gut aus. Dennoch war ich überrascht, denn Manila ist natürlich eine Großstadt mit der größten Bevölkerungsdichte weltweit und hat mehr als genug unschöne Ecken, trotzdem war Manila für mich kein Moloch wie erwartet, sondern bietet auch noch einige Orte aus der spanischen Kolonialzeit. Ein Bummel durch Intramuros, die von Spaniern errichtete Stadtfestung, oder im nach den philippinischen Patrioten José Rizal benannte Rizal-Park, oder ein Besuch im ehemaligen spanischen Friedhofsgelände Paco Park oder des interessanten Chinesischen Friedhofs – man findet ein paar Orte, neben den dominierenden Malls und vollen Straßen, die etwas Geschichte und Ruhe ausstrahlen. Manila ist laut, dreckig und immer verstopft. Selbst die Strandpromenade, die zu romantischen Sonnenuntergangsspaziergängen einlädt, nimmt den Groove der Stadt auf. Hier flanieren Einheimische, während daneben Obdachlose ihren Wagen schieben oder auf dem Grünstreifen liegen. Manila fühlt sich ein bisschen wie lateinamerikanische Großstädte an, vielleicht fühle ich mich deshalb ganz wohl hier.
Meine Reisestationen auf den Philippinen
- Luzon: Manila – Banaue – Sagada
- Palawan: Puerto Princesa – El Nido
- Cebu: Cebu
- Bohol: Tagbilaran – Panglao
* Ich reiste mit dem Lonely Planet Philippinen – dt. Ausgabe 2015 sowie dem Stefan Loose Travel Handbücher Philippinen 2014.
Hi Mad
Spannend geschrieben. Wir wollten anfangs ja auch unbedingt nach Palawan. Landschaftlich sieht es wunderschön aus. Dass es so busy ist, erschreckt mich jedoch gerade ein bisschen.
Was uns aufgefallen ist, kaum fährt man weg vom Strand, rein ins Landesinnere ist man sofort unter Einheimishen und von Touristen praktisch keine Spur mehr.
Freue mich schon auf die Berichte deiner Reise.
Liebe Grüsse,
Reni
Hallo Reni, ganz lieben Dank! Genau das meine ich, wo Strand ist, sind leider auch Massen an Touristen unterwegs. Man muss also einfach ins Hinterland, obwohl das auch nicht immer hilft. Es gibt da natürlich auch attraktive Gegenden wie Reisterrassen, Sagada, Schokoladenhügeln, in denen sich einige tummeln – trotzdem ist es hier noch anders… LG aus Manila, Madlen
Jetzt hast du mir Lateinamerika-Fan direkt Appetit gemacht. Vielleicht muss ich auch mal etwas Neues ausprobieren.
Hallo Madlen,
schöner Artikel. Wir waren gerade auf Bohol und haben hier das erste mal wirklich viele Touristen gesehen. Dennoch gibt es auch hier viele Ecken, wo man noch ganz alleine ist. Die chocolate hills hatten wir zum Sonnenaufgang ganz für uns allein.
Dort wo der Massentourismus Einzug gehalten hat, gibt es leider viele ungesunde Entwicklungen. Der alona Beach auf Bohol ist so ein Beispiel und der Umgang mit den niedlichen Tarsiers..
Wir sind jedenfalls froh, dass wir uns bei unserer Route gegen El Nido und Boracay entschieden haben.
Liebe Grüße von der Fähre
Basti & Jenny
Hallo ihr beiden, lieben Dank für Euren Eindruck. Natürlich war es nicht immer gleich voll und als ich mit dem Bus im Hinterland Bohols unterwegs war, war ich auch allein. Dennoch ist das Reisegefühl hier generell anders als ich es sonst kenne, das habe ich daher rein subjektiv gemeint. Ihr vergleicht es sicherlich nur mit anderen Ländern Südostasiens. Da mag es so sein. Aber generell sind die Visayas sehr beliebt – nach Palawan 😉 liebe Grüße aus dem Wartebereich vor meinem Abflug, und habt noch eine wundervolle Zeit. Madlen
Hört sich ja wirklich spannend an. Ich kenne die Philippinen nicht, aber vielleicht wäre das ja mal was. Danke im voraus schon für die folgenden Berichte.