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Jurtenromantik

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Als mich um 7.30 Uhr der Wecker aus dem Schlaf riss, stellten sich mir zwei Fragen. Warum klingelt heute der Wecker (im Glauben, es sei noch immer Wochenende)? Und verdammt noch mal, wo bin ich hier? So etwas kannte ich nur vereinzelt von längeren Reisen, morgens aufzuwachen, und schlaftrunken zu überlegen, in welchem Ort man eigentlich sei. Heute nun begrüßte mich der Morgen also schon mit so einem Total-Blackout. Ich sah mich im Raum um und überlegte sicherlich eine Minute, bis ich so langsam meine Orientierung wiederbekam. Ich hätte heute wohl noch bis mittags schlafen können, die fehlende Nacht machte sich bemerkbar.

Schlaftrunken begaben wir uns nun mit Boums Leuten – Battuul, unser weiblicher Guide, und dem Fahrer Njam auf gen Norden und dann Westen. Gestern hatte es abends noch geregnet. Im Frühstücksraum sitzende Amerikaner wollten deswegen sogar ihre heutige Tour absagen. Wenn man immer nur auf Sonne wartete, könnte man nie losfahren. Aber dennoch war das Wetter gemischt. Die ersten Kilometer waren eher etwas trüber und kühler. Am nördlichen Ende der Stadt auf dem Hügel passierten wir einen Ovoo (Steinhaufen mit Baumzweigen, an denen Gebetsfahnen hängen), den man mit drei Steinen in der Hand dreimal im Uhrzeigersinn umrunden muss, um Böses und Unheil von sich abzuwerfen. Diese Steinhaufen sind in der Mongolei an jedem Pass zu finden. Ovoos kennzeichnen heilige Plätze, an denen Erdgeister sich aufhalten. Das Darbringen blauer Khadags (Gebetsschals) oder anderer Opfer wie Vodka oder Fleischopfer usw. beruhigt die Erdgeister, die sich durch das Eindringen Reisender in ihren Bereich gestört fühlen könnten. Eilige Fahrer begnügen sich heutzutage manchmal damit, beim Vorbeifahren (links vom Ovoo) einfach dreimal zu hupen.

Die Landschaft war gezeichnet durch eine Art Hochebene, die uns auf 1.700 Meter führte, mit etwas Graslandschaft, wenigen Bäumen. Zunehmend zeigte sich die Sonne hinter den zahlreichen, tiefliegenden Schaumwölkchen. Am Wegesrand säumten vereinzelt Jurten das Bild. In kleinen Ortschaften, die wir dennoch passierten, strahlten uns farbige Dächchen entgegen – jedes umrandet mit einem Holzzäunchen und einer Jurte im Vorgarten. Das ist typisches mongolisches Wohnen. Der Anblick ist einmalig. In Khongor, einem verschlafenen Nest vor Darkhan, aßen wir Mittag in einer Karaoke Bar. Vegetarisches Essen entspricht hier der vorgefertigten und bereits abgekühlten Standard-Mittagsspeise mit runtergenommenem Fleisch. So ganz wollte es mir nicht munden, aber immerhin ein guter Ansatz.

Hinter Khongor verließen wir die Straße, um Richtung Erdenet zu fahren. Aber auch diese Straße bot ähnliches. Erst hinter der Ortschaft Orkhon änderte sich zumindest das Straßenbild, als wir rechts in eine unbefestigte Pistenstraße bogen – oder eigentlich gab es fünf Pisten, denn jeder Jeep sucht sich auf diesen Feldern seinen eigenen besten Weg. 35 km noch mal kräftiges Durchschütteln und hin und wieder vom Regen überfüllte Löcher und Flussbetten  passieren. Wie schön war es dann, von weitem die Klosteranlage Amarbayasgalant im Tal zu erblicken. Und über ihr auf dem Hügel thronten eine Buddhastatue und eine große Stuppa. Fanden wir Ulaanbaatar gestern schon recht relaxt für eine Hauptstadt, fand man hier erst recht totale Ruhe und Einsamkeit. Nur wenige Jurten und leer gefegte Jurtencamps säumten die Umgebung. Die Saison sei vorüber und somit werden die Jurten abgebaut. Wir haben die Qual der Wahl, eine Jurte zu wählen. Wir empfinden die Unterkünfte als unverhofften Luxus. Jurten mit Betten, Tisch, Stühlen, kleiner Garderobe und einem Ofen in der Mitte. Wir sind wahrlich entzückt. Das geöffnete Holztürchen heißt uns Willkommen im gähnend leeren Camp.

Die Sonne brennt inzwischen auf unsere Häupter und so genießen wir noch den restlichen Tag mit einem Spaziergang auf die zwei Hügel mit Buddhastatue und Stuppa, bevor wir die 1735 fertig gestellte Klosteranlage „Glückliche Ruhe“ besichtigten. Von einst 8.000 Menschen in und um der Klosteranlage ist die Anzahl der Mönche 1937 auf 900 dezimiert wurden. Heute erfreut sich das Kloster des Status Weltkulturerbe. Wieder zurück in unserem Jurtencamp genießen wir noch ein wenig die Sonne und die Ruhe auf der Wiese. Wo man hinschaut, Weite – von Hügeln gesäumte Wiesen mit Pferdehorden. Wir sind entzückt. So kann es weitergehen. Nach dem Abendessen im Holzhaupthaus machen wir noch einen kurzen Spaziergang in die Umgebung. Es wird frisch. Doch unsere Jurte wurde beheizt, als wir zurückkamen. Und man mag es kaum glauben, trotz riesigem Loch im Dach steht inzwischen die Hitze in unserer Jurte und alles hat ein wenig Kaminromantik. So ist Mongolei.

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