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Lost City Kharanaq – die verlassene Wüstenstadt

Iran, Kharanaq

Ich stehe auf dem Dach eines verlassenen Hauses in einem verlassenen Ort. Die Sonne wirft ihre letzten Schatten in die engen Gassen und offenen Räume der 1000 Jahre alten Gebäude, bevor sich die dunkle Decke der Nacht über die verfallenen Lehmbauten legt. Der Mond drückt sich im kräftigen Gelbton aus den Bergen auf der gegenüberliegenden Flussseite gen Himmel. Aus den umliegenden noch bewirtschafteten Gärten und Feldern tönen Stimmen zu mir herüber. Mein Blick erhascht zwei Menschen auf Pferden. Dann wird es wieder still. Die Ruhe verstärkt noch einmal das Gefühl der völligen Verlassenheit. Immer wieder muss ich aufpassen, dass ich nicht in ein Loch trete oder etwas zum Einstürzen bringe. In Deutschland wäre längst alles gesichert. Doch obwohl der Besuch von Kharanaq als Halbtagestour von Yazd aus angeboten wird, fühlt sich alles wie eine Lost City an, die sich in die umliegende Wüstenlandschaft wunderbar einfügt.

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Meybod und eine Festung

Ich war gemeinsam mit einem Holländer und zwei Berlinerinnen mittags zu einem Halbtagestrip in die Wüste aufgebrochen. Als wir Meybod erreichen, macht sich in unserem Auto eine leichte Enttäuschung breit. Zum einen merken wir hier, dass uns der nette Sadegh nicht viel zu den Sehenswürdigkeiten sagen kann, außer „dort ist der Eingang, dort sind die Toiletten, wir treffen uns in 30 Minuten wieder.“ Zum anderen befinden sich die interessanten Sehenswürdigkeiten etwas umrandet mitten in der Stadt und die ist größer als wir dachten. Aus ihr ragt dennoch imposant die vorislamische Narin-Burg heraus. Von dieser Lehmziegelfestung, die jedoch im Innern nicht viel zu bieten hat, genießt man eine schöne Aussicht über die Stadt, die sich scheinbar mit der Wüste verbindet. Zeit für einen Bummel bleibt uns keine. So stoppen wir nur im Eishaus und der gegenüberliegenden Karawanserei.

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Chak Chak – Zwischen Sand und Feuer

Nach unserem Lunch dort führt uns die Straße direkt hinaus in die Wüste. Im Auto wird es plötzlich still und alle saugen die Landschaft auf, die wir passieren. Bis zum Horizont breiten sich braun-beiges Geröll aus, das in Sand übergeht. Daraus erheben sich surreal abgerundete Berge. Das Spiel von Licht und Schatten in der spätnachmittäglichen Sonne tun ihr übriges, uns völlig zu begeistern.

Unser Ziel liegt etwas auf einem Berg und ist ein Feuertempel. Vom Parkplatz aus gilt es noch einige Stufen zu erklimmen. Iraner haben sich auf verschiedene Plattformen am Hang verteilt und picknicken ausgelassen mit einem herrlichen Ausblick. Wir suchen jedoch nur die Oase schnell auf, der Feuertempel ist zugleich eine Quelle im Felsen.

Von Chak Chak aus geht es dann mit 140 Sachen auf der gut geteerten Straße zu dem tollen Sunset-Place, wie uns Sadegh verspricht. Und er hat nicht zu viel versprochen.

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In der Lost City Kharanaq

Ein paar Lumpen liegen als Zivilisationsüberbleibsel auf dem Dach. Ein kurzes Rascheln lässt mich aufschrecken, als eine Katze leichtfüßig auf die Mauer springt. Vor 80 Jahren soll Kharanaq aufgrund der schlechten Wassersituation verlassen worden sein. Dies meint zumindest unser Fahrer Sadegh. Dabei liegt unterhalb der rotbraunen Lehmstadt ein Fluss, der jedoch kein Wasser führt. Ein Aquädukt legt sich wunderschön über diese Schneise. Auf der gegenüberliegenden Flussseite wartet Sadegh in seinem auffällig gelben Hemd vor einem Kuppelbau, der einen Schrein beherbergt. Er hat für uns heißes Wasser aus dem letzten Ort geholt und bereitet nun Tee und Kaffee zu. Dazu ertönen traditionelle Melodien aus seinen Boxen, die wesentlich besser zu dem Setting passen als seine Dancefloor-Musik, die er uns auf der Fahrt um die Ohren gehauen hat. Es ist die letzte Station unseres Halbtagesausflugs. Es ist auch die Beeindruckendste, da sind wir uns einig. Es ist verwunderlich, dass wir diesen Ort ganz alleine zum Sonnenuntergang genießen können. Und so laufen wir durch die Ruinenstadt und fragen uns, wie man eine Entscheidung trifft, Haus und Hof von heute auf morgen zu verlassen. Einige sind irgendwann wieder zurückgekehrt und wohnen in der benachbarten Siedlung – so etwas wie Neu-Kharanaq.

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Im Licht des Vollmondes begeben wir uns kurz vor 18 Uhr zurück nach Yazd. Sadegh fragt uns nach unserer Musik. Der Holländer spielt ein paar Chart Hits, doch Ed Sheeran und Co. wollen Sadegh noch nicht überzeugen. Erst als es elektronischer wird, dreht er die Boxen auf und meint, wir müssten unbedingt seinen Cousin kennenlernen, weshalb erschließt sich mir jedoch nicht. Aber dieser hat ein Hostel und darin stehen große Boxen, die wollen wohl mal gefordert werden. Also willigen wir ein und finden uns nur 30 Minuten später bei Tee und Gebäck im Hof des Hostels. Der Cousin und ein Kumpel erfreuen sich tatsächlich an den elektronischen Klängen, zwei Mädels mit Hijab wippen auf der Couch mit. Ich stelle Berliner Club Sound vor, im Gegenzug erhalten wir eine Einweisung in die iranische DJ Szene.

Was für uns komplett normal ist, ist hier doch etwas Besonderes und das macht es für uns auch zu einem außergewöhnlichen Moment. Dennoch sind wir etwas besorgt, ob die Nachbarn das nicht irgendwo melden könnten. „Relax“, ist die Standardantwort in diesen Tagen und das Lebensmotto zugleich. Wenn ich auf dieser Reise etwas noch nicht verstanden habe, sind es die Verbote und den Umgang damit. Dies trieb mich anfangs zur Vorsicht. Inzwischen sage ich mir auch immer wieder, relax Madlen.

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Die Reise wurde unterstützt vom der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH und Germania.

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