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Max… Maxi… Maximón – Wünsch Dir was am Atitlán Lake

Lake Atitlan

Timmerberg sagte einmal, der Mensch brauche immer drei Tage, um irgendwo anzukommen. Ich zähle Tag drei und mein Körper sagt mir an diesem Morgen, heute könnte es tatsächlich klappen.

Vogelzwitschern und ein monotones Rauschen des Windes über den Atitlán-See wiegen mich sanft aus meinem Schlaf in den neuen Tag. Eine kleine Krone hat sich über die Spitze der beiden Vulkane Toliman und Atitlan gelegt. Westlich davon wird bereits der Vulkan San Pedro von der Morgensonne liebevoll angestrahlt. Zwischen Himmel und Erde liegen drei Vulkanspitzen, die bis in die Höhe von um die 3000 Metern reichen. Wir selbst befinden uns auf 1600 Metern.

Lake Atitlan

Lake Atitlan

Nicht umsonst ist dieser Ort, Panajachel oder „Pana“, Ziel vieler Reisender. Gerade am Morgen herrscht noch eine zufriedene Ruhe. Man sieht vereinzelte Spaziergänger am Strand und ein paar Jungs springen ins kühle Nass. Vögel kreisen über den See. Fast meinte man, es würde nichts passieren, gerade als ein Vogel durch Tollkühnheit an der Hauswand unserer Unterkunft abprallt und auf die Terrasse stürzt.

Ruhiger als in Panajachel geht es in den kleinen Orten am Ufer des Sees Atitlan zu. In zwölf indigenen Orten wird die Maya-Kultur, u.a. die der Tz’utujil, weitergelebt. Das südlich gelegene Santiago Atitlan ist einer davon. Eingerahmt von den Vulkanen Tolimán und San Pedro war dieser Ort in präkolumbianischen Zeiten einst die Hauptstadt des Tz’utujil-Reiches.

Atitlan See

Atitlan See

An diesem Sonntag wird in einigen Ortschaften die Fiesta de las Cruces zelebriert. In Santiago Atitlan gibt es zudem einen weiteren Anziehungspunkt der uns lockt, er heißt Maximón. In etwa 20 Ortschaften im Bergland Guatemalas wird dieser Volksheilige verehrt.

Er sei ein synkretistische Verschmelzung aus Maya Göttern, dem spanischen Konquistador Pedro de Alvarado und dem Judas aus der Bibel, sagt man. Man sagt aber auch, dass es kein genaues Bild von ihm gäbe. Maximón ist für jeden das, was er für ihn sein soll. Häufig gilt er als Mittler zwischen den Mächten des Himmels und denen der Unterwelt. Dieser Maximón wird von einer Familie des Ortes, die durch eine religiöse Maya-Bruderschaft (cofradia) ausgewählt wurde, für ein Jahr in einem eigens für ihn vorgesehenen Raum beherbergt. Und genau diesen suchen wir heute auf!

Zu Besuch bei Maximón

Zu Besuch bei Maximón

Zu Besuch bei Maximón

Zu Besuch bei Maximón

Eine Combo spielt zu Ehren Maximóns auf

Eine Combo spielt zu Ehren Maximóns auf

Nur Tuk-Tuks übertönen noch die Tex-Mex Musik

Nur Tuk-Tuks übertönen noch die Tex-Mex Musik

Als wir vom kleinen Hafen die Straße hinauflaufen, mischt sich unter das Tuk-Tuk-Knattern bereits lautstarke Tex-Mex-Musik. Dieser müssen wir nur folgen. Oder man klemmt sich an die Gruppen Einheimischer, die sich ebenso wie wir auf den Weg zum Maximón aufgemacht haben und in eine schmale Gasse abbiegen. Schnell sind wir am Ort des Geschehens. In einem Hinterhof spielt eine Combo auf. Leute sitzen unbeteiligt da, andere stehen auf, nur um kurz darauf durch eine Tür zu verschwinden. Wir folgen ihnen – soweit es geht. Denn in diesem kleinen Raum drängen sich die Menschen. Einige haben Kerzen und Blumen mitgebracht, die sie vor dem hölzernen Maximón ausbreiten. Andere bieten Zigaretten und Alkohol, in der Hoffnung, der Maximón möge sie weiter mit seinen heilenden Kräften beschützen. Ob Krankheit, Eheprobleme, Kinderwünsche oder Arbeitslosigkeit – der Maximón wird es schon richten.

Der Glaube versetzt Berge oder auch der Alkohol, der nicht nur dem Maximón mitgebracht wurde. Was dem Maximón gut tut, kann einem selbst ja auch nicht schaden. Es ist skurril, die Figur des Volksheiligen da sitzen zu sehen – zwischen den Mitgliedern seiner derzeitigen Gastfamilie. Immer wieder wird die Zigarette zum aufgezeichneten Mund dieser Puppe geführt, was mich stark an Tío in den bolivianischen Minen des Cerro Rico erinnerte.

Iglesia Parroquial Santiago Apostol

Iglesia Parroquial Santiago Apostol

Der Glaube spielt hier eine große Rolle – worauf er basiert ist dabei manchmal nebensächlich. So vermischen sich Maya-Glaube und Katholizismus auch in der jahrhundertealten Iglesia Parroquial Santiago Apostol. Hier findet man Schnitzereien mit Maiskolben-Motiven an der Kanzel. Dem Maya-Glauben zufolge wurde der Mensch aus Mais geformt. An den Wänden sind Holzfiguren der Heiligen, die von den Frauen aus dem Ort jedes Jahr neu eingekleidet werden, zu sehen. Der Altar zeigt die drei Vulkane aus der Umgebung, die die Stadt schützen sollen.

Dieser Schutz versagte, als in dieser Kirche 1981 Vater Stanley Francis Rother aus Oklahoma einem ultrarechten Todeskommando zum Opfer fiel. Auch versagte der Schutz, als 13 Dorfbewohner 1990 bei einem Massaker ihr Leben ließen. Der Friedenspark Santiagos hat somit eine besondere symbolische Bedeutung. Als erstes Dorf Guatemalas, das während des Bürgerkriegs die Armee vertrieb, kann Santiago durchaus Stolz zeigen.

Wieder zurück auf den Straßen des Ortes, fällt mein Blick auf die Männer mit knielangen gestreiften Hosen. Wenn diese noch mit Mustern wie Vögel verziert sind, bedeutet das, die Männer sind vergeben. Ehering war gestern. Das Motiv, das seine Angetraute in ihrer Bluse trägt, stickt sie ihm als Zeichen der Zusammengehörigkeit in seine Shorts. Die Frauen tragen lange Röcke, die durch ein breites Band von der schmucken, bestickten Bluse getrennt sind. Der Tocoyal rundet das Outfit der Frau ab, doch da dieses 20 Meter lange Band, dass geschickt um den Kopf gewickelt wird, nicht leicht ist, tragen diesen Schmuck meist nur noch Ältere oder die Jungen zu Festlichkeiten. Eine der Älteren besuchen wir – die 67 jährige Maya Tz’utujil Maria. Sie hat es 1963 in die engere Auswahl als Vorlage für das neue Motiv der 25 Centavos geschafft. Tatsächlich sieht das Münzmotiv dem Model verblüffend ähnlich.

Die Maya Tz’utujil Maria mit einem  Tocoyal auf dem Kopf

Die Maya Tz’utujil Maria mit einem Tocoyal auf dem Kopf

Iglesia Parroquial Santiago Apostol

Iglesia Parroquial Santiago Apostol

Verkäuferinnen beim Schnacken

Verkäuferinnen beim Schnacken

Miguel ist definitiv verheiratet, verrät seine Hose

Miguel ist definitiv verheiratet, verrät seine Hose

Weitere 20 Minuten mit Boot entfernt besuchen wir das westlich gelegene San Juan La Laguna. Am Tag der Kreuze hat sich eine kleine Menschenmasse auf dem kleinen Hügel vor der „Nase“ (Nariz) an einem Kreuz eingefunden, wo diese den besonderen Anlass feiern. Der Ortskern hingegen wirkt fast wie ausgestorben. Man muss schon anklopfen, um ins Gespräch zu kommen, so wie zum Beispiel im Haus von den Coche. Anders als ihr Name denken lässt, ist die Familie nicht im Autobusiness tätig. Stattdessen zählen Diego und sein Bruder Antonio zu den ca. 60 Künstlern des kleinen Orts. Sie haben sich in einer Cooperative organisiert mit 13 anderen Malern. In San Juan La Laguna malt man von Kindesbeinen. Etwas verschüchtert zeigen sie uns ihre Bilder, die preislich zwischen 25 und 2500 Quetzals liegen. Antonios Bilder haben es schon weit geschafft – bis in die USA, nach Israel oder in die Schweiz.

Nicht so weit, sondern nur ein Stück die Straße hinauf, finden wir weitere Cooperativen, sie werden meist von Frauen geführt – so wie die der Baumwollweberinnen und die der Naturheilerinnen. Sie alle erzählen uns ihre Geschichten und geben Einblick in ihre tägliche Arbeit. 15 Stunden Arbeit stecken in einem Wollknäuel, das zu einem Spottpreis angeboten wird. Darauf mag man im Garten der Naturheilkräuter-Kooperative gleich zum dort verkauften Absinth greifen. Die Einwohner der Orte an diesem idyllischen See bieten jede Menge Touren an – frei dem Motto „Natur, Kultur, Mensch“. Wander-, Fischfang-, Mais-, Kaffee-Touren sind nur einige, die zur Auswahl stehen. Doch dafür fehlt die Zeit.

Vulkane und Atitlan See

Vulkane und Atitlan See

San Juan La Laguna

San Juan La Laguna

Beim Baumwollweben

Beim Baumwollweben

Antonio Coche – einer der vielen Künstler in San Juan

Antonio Coche – einer der vielen Künstler in San Juan

Auf dem Rückweg nach Pana holt uns der Xocomeel, ein, von dem uns unser Guide Walther schon mehrfach erzählt hatte. Der zweitgrößte See Guatemalas, der Lago de Atitlán, schwappt wie ein schwankendes Wasserglas und wir befinden uns mittendrin. Was eigentlich die regelmäßig am Nachmittag auftretenden Winde verursachen, kann man einer Legende nach auch anders erklären. Ein unglücklicher Prinz sucht demnach seine Geliebte, die bei einer Bootsfahrt auf dem See ums Leben kam. Während sich mein Körper mit jedem Aufprall mehr versteift, schweifen meine Gedanken wieder zurück in die kleine dunkle Gasse in den noch düstereren Raum ab. Am Horizont ziehen sich dunkle Wolken über die Bergkuppen. Blitze füllen im Minutentakt die Lücke zwischen Himmel und Erde. Vor mir sehe ich ganz deutlich Maximóns Gesicht. Als ich schwankend auf den Steg trete, bin ich mir sicher, endlich angekommen zu sein. Guatemala hat mich erwischt, so richtig.

Kleiner Hafen

Kleiner Hafen

Mittagspause in Santiago

Mittagspause in Santiago

Frau in Santiago

Frau in Santiago

Kirche in San Juan – alt und neu

Kirche in San Juan – alt und neu

 

Verfolgt die Reise auf Instagram unter #purlatinfever

Ich wurde von Visit Centroamérica eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.

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7 Kommentare

  1. max… maxi… maximaler Lesespaß! 😀
    Ich weiß gar nicht, was ich da jetzt noch schreiben soll….
    LG Claudi

    • Lieben Dank, Claudia! Natürlich über Deine persönlichen Erfahrungen mit Maximón und Co. 😉 LG; Madlen

  2. Hach schön…ich werde gerade wieder ins Jahr 2000 zurückgebeamt, als ich am Lago Atitlan saß. Viel scheint sich ja nicht verändert zu haben, aber das ist ja irgendwie auch gut so. LG, Nadine

    • Danke, liebe Nadine. Den Lago Atitlan werde ich sicherlich noch einmal aufsuchen, viel zu kurz war mein Aufenthalt und man kann da ja viel in der Natur machen – genau das Richtige für mich. LG, Madlen

  3. Beim rauchenden Maximón war ich auch mal – gut, dass es ihn noch gibt! Hast du mit von seinem Rum getrunken? 😉

    • Der Maximón stirbt wohl nie aus 😉 Unter den grimmigen Blicken der Gastgeber mag man dem gar nicht zu nah kommen. LG, Madlen

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