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Auf dem Victoriasee

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Eigentlich wollten wir die 8 Uhr-Fähre von Bukakata nach Luku schaffen. Als wir eine Stunde zuvor unser Guest House in Nyendo verließen, versuchte uns der Hausherr von den Vorzügen eines Taxis zu überzeugen. Denn als Muzungu fährt man kein Matatu. Wir lehnten ab und begaben uns in die Hand der Boda Boda Fahrer, die uns zum Matatuplatz brachten. Als wir dort ankamen, schaute ich erstaunt. Hier gab es keine Kleinbusse, sondern nur PKWs. Schnell begriffen wir, hier fallen die Matatus eben eine Nummer kleiner als gewöhnlich aus. In normale PKWs bekommt man ja schließlich auch zehn Personen unter.

Zu acht fahren wir zum Glück los. Wären wir doch nur sieben geblieben! Der achte Fahrgast war eine Frau, die sich durchaus der anstehenden Feiertage bewusst war und somit etwas für ihr Aussehen tun wollte. An diesem wunderbaren Morgen des Heiligabend fällt ihr nun unterwegs ein, noch Hennafarbe für ihre Haare kaufen zu müssen. Der Zeiger meiner Uhr nimmt Fahrt auf, während wir eingequetscht im Matatu-PKW mit Warten verbringen. Nach 20 Minuten hat die Dame endlich ihren Einkauf und Plausch beendet. Nun kann es wirklich losgehen. Unser Fahrer heizt mit 110 km/h über staubigstem Feldweg im morgendlichen Nebel. Ich will nicht wissen, wie schnell er gefahren wäre, hätte ihn der Nebel nicht behindert. Manchmal taucht ganz plötzlich ein Auto direkt vor uns auf, so dass unser Fahrer das Lenkrad im letzten Augenblick geistesgegenwärtig nach rechts zieht. Wenn es nicht neblig ist, dann ist es eben einfach nur staubig. Überall schwirrt roter Sand durch die frische Morgenluft. Ich kralle mich ängstlich fest während ich ihn gleichzeitig gedanklich anfeuere.

Ich habe schließlich eine Verabredung für diesen Heiligabend und diese heißt Ssese Islands im Viktoriasee. Inseln verheißen immer das Paradies und je mehr wir unsere Fähre zu verpassen drohen, desto paradiesischer male ich mir die Inseln aus. Die Alternative wäre eine mittelprächtige, dreckige Kleinstadt in Afrika – nein, so wollte ich meinen Heiligabend nicht verbringen! Als wir am Horizont den See sehen, atme ich auf. Es ist genau 8.03 Uhr. Das sollte reichen – in Afrika. Doch irgendetwas will das Bild am Horizont stören. Der See ist nicht nur See, sondern je mehr wir uns dem Fähranleger von Bukakata nähern, desto klarer wird es, die Fähre bewegt sich gerade rückwärts weg vom Anleger und dreht sich, als ich aus dem Wagen steige und hinterher schreie. Ich könnte fast hinüberspringen, 10 Meter trennen mich von ihr. Was sonst in Afrika funktioniert, klappt genau in solchen Momenten nicht. Ich würde so ziemlich alles geben, um so schnell wie möglich mein Inselparadies zu erreichen.

Fähre

Fähre

Ich solle den Kopf nicht hängen lassen, eine letzte Fähre würde heute noch in drei Stunden fahren, meint unser Fahrer, bevor er wieder im Staub verschwindet. Da stehe ich nun am „Hafen“ und bin noch nicht angekommen. Die erste Stunde des Wartens vergeht zäh und juckend. Moskitos sind überall. In der zweiten Stunde schließen wir Freundschaft mit einer indischen Familie, die uns gleich zum Essen einlädt und das ist wirklich köstlich. Schnell werden kleine Schälchen und Töpfe ausgepackt und das Curry verteilt. Und dann kommt endlich unsere Fähre und legt sogar verfrüht ab. Wir sind schon ca. 20 Minuten auf dem See, und sehen das Ufer von Bugala Island, als die Fähre wieder abdreht, nein umdreht. Wir schauen uns alle fragend an. Zielstrebig fährt sie wieder den Hafen an. Ein local Official würde aufgebracht am Ufer stehen und hätte die Fähre zurückgepfiffen, munkelt man. Und tatsächlich im rosaroten Hemd schäumt bereits ein kleiner Mann vor Wut. Da der Offizielle nicht nur mit Schirm, Charme und Melone reist sondern natürlich ein Auto mit zu transportieren gedenkt, beginnt nun ein aufwendiges Rangiermanöver.

Hütte

Hütte

Hostelbesitzer in Masaka

Hostelbesitzer in Masaka

Wichtig muss man sein, dann wäre man also vor drei Stunden auch schon mitgekommen. Und jetzt pendeln wir sinnlos auf dem See herum, inzwischen ist früher Nachmittag am Heiligabend. Als wir die Fähre endlich verlassen, haben wir immer noch eine gute Strecke zum „Traumort“ auf den Ssese Islands vor uns. Weit und breit kein Matatu, Taxi oder sonstiges Auto. Einfach nichts! Außer Menschen, die desinteressiert an uns vorbeiziehen. Nur ein Bettler weicht uns nicht mehr von der Seite. Wir laufen los, immer weiter den staubigen Weg entlang, als ein UN-Fahrzeug an uns vorbeirast und 10 Meter vor uns mit einer Vollbremsung zum Stehen kommt. Die Tür geht auf und ein Inder kommt auf uns zu. Wohin wir wollen, fragt er in seinem wunderbaren indischen Englisch. Nach Kalangala wollen sie auch. Und als wir noch feststellen, mit dem Hornbill Camp das gleiche Ziel auserkoren zu haben, steht unserer Mitnahme nichts mehr im Weg.

Die Fahrt kommt uns endlos vor, unsere Glieder dürsten nach Erholung. Aber wir sind dem Paradies schon ganz nah. Und auch der Heiligabend nähert sich in großen Schritten. Durchgeschaukelt und völlig verdreckt erreichen wir das Camp. Wir haben uns häufiger auf der Strecke verfahren, müssen immer wieder umkehren und Einheimische fragen. Als wir auf das Campgelände fahren, hoffe ich, dass sich unsere drei UN-Inder wieder geirrt haben. Doch dieses Mal liegen sie richtig. Das ist unser Ziel. Das ist unser Domizil. Und es ist inzwischen 17 Uhr und kein Entkommen! Wir sind in unserem Paradies – nur paradiesisch ist es nicht. Alles erscheint völlig verwahrlost. Ein paar abgenutzte Zelte stehen herum und zwei zusammengezimmerte Bretterbuden. Die Trostlosigkeit dieses Platzes spiegelt sich im Grau des Himmels wider. Wie oft habe ich schon in solchen Camps geschlafen – Handdusche und afrikanisches Klo. Aber genau heute will ich einfach mal etwas anderes. Ich laufe zum See, der einfach nur schmutzig vor mir liegt – Schnecken und Würmer erkenne ich mit bloßem Auge. Billharziosegefahr, ich kann es nicht ignorieren!

Frustriert schleppe ich mich unter die Bretterüberdachung, in der das Abendessen gereicht wird. Mit uns sitzen Engländer, Inder und Kanadier am Tisch. Wir schlingen unser Essen rein, während wir Small Talk betreiben. Es ist mein Weihnachten, nicht ihres. Es ist nicht mein erstes Weihnachten weitab von zuhause, es ist auch nicht mein erstes in Afrika. Aber es ist mein erstes Mal, in dem ich einfach nur den Weihnachtsbaum, den Schnee und die Familie vermisse. Es ist mein erstes Mal, das ich mich frage, was tue ich hier eigentlich? Plötzlich sitzt man allein mit seinem Weihnachtsgefühl am Tisch. Als alles, was im Small Talk wichtig erscheint, gesagt und das Essen längst aufgegessen ist, schaut mich das britische Mädchen an und fragt, bei Euch ist heute Christmas? Ich nicke völlig überrascht. Dann packt sie eine kleine, schmale Kerze aus und sagt leise „Merry Christmas“.

Ich reiste im Dezember 2005 durch Uganda.

2 Kommentare

    • Ich habe meine Erwartungen heruntergeschraubt 😉 Weihnachten in der Ferne ist einfach anders. Mit diesem Gefühl habe ich noch einige Weihnachtsfeste im Ausland begangen. Aber natürlich genießt man es dann zuhause umso mehr.

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