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Meine Reisewege 2017

Wal

„Die Leidenschaft nach fremden Ländern ist das süßeste und weiteste Laster, welches diese Erde kennt.“ (Kasimir Edschmid)

Auch 2017 bin ich diesem süßen Laster wieder mehrfach ohne Reue verfallen. Eines vorab, dieses Jahr habe ich an keinen Grenzen gekratzt – ich habe meinen Horizont in keine Himmelsrichtung erweitert, auf keinem 5.000er oder 6.000er gestanden oder auch nichts Extremes unternommen. Und auch auf die Quantität kam es mir weniger an, auch wenn ich laut meiner Weltkarte nunmehr 70 Länder bereist haben soll.

Trotzdem waren alle Erlebnisse und Begegnungen wieder besonders. Denn es geht mir weniger um Superlativen. Jede Reise ist auf eine gewisse Art besonders, selbst wenn man Orte mehrfach besucht. Man bringt immer sich selbst mit auch mit dem, was einen aktuell bewegt, und das macht letztendlich jede Reise auch einzigartig.

Mit der Wahl des Reiseziels geht bereits eine Vorstellung von dem Ziel einher. Mit diesem Gedankenkonstrukt im Kopf geht man dann auf die Reise und füllt dieses mit Erlebnissen auf. Manchmal wird dieses aber auch komplett auf den Kopf gestellt. Und dann gibt es Orte, die man vor Jahren bereits besucht hat, doch die Uhren haben sich weitergedreht und nur Weniges ist noch so, wie es einst war.

2017 war eine bunte Mischung aus solchen Wiederholungen

und einer Umsetzung langgehegter Reisewünsche

Insgesamt war ich 2017 knapp drei Monate unterwegs. Das ist nicht viel, doch trotzdem machte sich gerade im Herbst eine gewisse Reisemüdigkeit breit. Hier ein Rückblick auf die eingeschlagenen Reisewege, die mich an viele bezaubernde Orte der Welt und auch ein Stück weit zu mir selbst brachten.

Mexiko, Palenque

März – Auf den Spuren der Mayas

Nach einer Komplett-Überwinterung in Deutschland begab ich mich genau zum Frühlingsanfang auf meine erste Reise 2017. Seit zwei Jahren hat sich wieder eine gemeinsame Sister-Reise pro Jahr fest etabliert. So, wie meine Reiseleidenschaft einst begann, nämlich an der Seite meiner Schwester, so haben wir diese Form 2015 wiederbelebt – und es funktioniert immer noch. Mit dem Menschen, mit dem ich am besten harmoniere und streiten kann, mit dem man ohne Worte auch gut auskommt, macht auch das Reisen viel Spaß. Da meine Schwester ohnehin im März in der Karibik verweilte, lag Mexiko als Reiseziel nah.

Mit unserem Ankunftsort auf Yucatan ließ auch der erste kleine Kulturschock nicht lange auf sich warten. Tulum – ein Ort der permanenten Selbstinszenierung, ließ mich einmal mehr über das Reisen, das ständige sich Zeigen wollen und die Austauschbarkeit von Orten nachdenken. Und auch über das Bloggen an für sich. Unvergessliche Momente folgten, als ich unter dem dichten Blattwerk des Waldes dem nächtlichen Brüllaffengeschrei lauschte, als wir allein von Dorf zu Dorf in den Bergen der Sierra Norte wanderten oder mit dem Moped die Umgebung von San Cristóbal erkundeten.

Costa Rica, Tenoro

Mai – Pura Vida Monat

Pura-Vida-Gefühl tankte ich im Rahmen einer Pressereise in Costa Rica. Da ich vor 15 Jahren schon einmal da war, kein unbekanntes Pflaster. Das Land erfreut sich noch immer sehr großer Beliebtheit und ist sehr easy going zu bereisen. Hier stieg ich mal wieder auf ein Surfbrett, wanderte am Rio Celeste und machte Canopying über den dichten Baumgipfeln von Monteverde. Mein Outdoor-Herz freute es, dass es sich hier in der beeindruckenden Natur austoben durfte, Wälder und Wiesen waren noch grüner als sonst, denn schließlich ist im Mai Regenzeit. Und der Regen beglückte uns tatsächlich fast täglich.

Rumänien, Donaudelta

Juni – Was mit Medien im Donaudelta

Wir warten noch auf unseren Stringer. So begrüßte mich Mandy an einem ITB-Abend im März, an dem sicherlich die Entscheidung fiel, ob ich eine der Protagonisten ihrer geplanten Doku über Urlaub am Schwarzen Meer werden würde. Wir mussten beide herzlich lachen, als wir merkten, wie blöd doch manche Berufsbezeichnungen am Filmset klingen (so wie auch Fixer). Damals hieß es noch, ich sollte die Reise meiner Oma durch Russland und die Ukraine nachempfinden, doch die Tagebücher meiner Oma tauchten zu spät in den Tiefen des Dachbodens meiner Eltern auf. Also entstand die Idee mit Ulrike und Beate, die zur DDR-Zeit nach Rumänien trampten, die Reise noch einmal nachzuempfinden.

Rumänien und Donaudelta sind nicht minder spannend als die Krim, also sagte ich zu. Ich verbrachte mit dem Filmteam eine fantastische, aber auch sehr stressige Woche am Schwarzen Meer und an den Wasserarmen des Donaudeltas. Dreharbeiten im Dauerregen beeinträchtigten dann leider etwas das Vergnügen auf dem Wasser und brachten auch den Zeitplan etwas durcheinander. Die Anspannung stieg Tag für Tag. Dennoch: Meine Entdeckung dieser Reise ist der kleine Ort Letea an der ukrainischen Grenze. Und mein Learning, ich war, bin und bleibe kein Kamerafreund.

Juli – Sich Treiben lassen

Friends-Weekend in der Schweiz – in Bern. Daher nichts verbloggt. Aber die Aaare, der Sommer, das Wetter waren wunderbar. Fazit, wohnen könnte ich in Bern sicherlich nicht, Gast sein aber sehr gern.

Tatarstan, Bolgar

August – Allein in den Alpen und zu Besuch bei den Tataren

Im August begab ich mich auf eine Presse- und Bloggerreise nach Tatarstan. Dort war ich zufällig 2012 auf meiner Transsib-Reise durch Russland schon einmal. Damals war Tatarstan komplettes Neuland für mich. Heute weiss ich mit der teilautonomen russischen Republik durchaus etwas anzufangen und da ich damals nur ein paar Stunden in Kasan verbrachte, wollte ich nun auch die Umgebung mit Bolgar und der Insel Swijaschsk kennenlernen. Nicht nur die Natur begeisterte mich, sondern auch die kulturelle Mischung, die nicht zuletzt auch von dem   friedlichen Miteinander des orthodoxen Christentums und Islams geprägt ist. Spätestens wenn im Juni 2018 die deutsche Fußballnationalmannschaft gegen Südkorea ihr WM-Gruppenspiel in Kasan austrägt, wird Tatarstan wieder ein Stück sichtbarer.

Schweiz, Graubünden

Da mir die Schweiz im Juli so gut gefiel, habe ich auch noch ein paar Tage in den Bergen Graubündens verbracht. Oftmals wurde ich ungläubig angesehen, wenn ich meinte, noch nie in der Schweiz gewesen zu sein. Doch dieses Jahr habe ich diesen blinden Fleck auf meiner Karte endlich ins Licht gerückt. Nicht nur die türkis schimmernden Seen in den engen Tälern vor einer Kulisse mit mächtigen Bergkuppen und satten Wiesen faszinierte mich in Graubünden. Hier verbrachte ich wohl meine schönsten einsamen Stunden 2017.  Ich nahm mir endlich mal wieder Zeit, mit mir allein zu sein – die Natur in den Alpen und die Ruhe auf meinen Wanderungen zu genießen.

Georgien, Kasbek

September – Dort, wo Europa endet

Georgien, die Schnittstelle zwischen Europa und Asien – da wollte ich schon letztes Jahr hin und dann passte es zeitlich nicht. Als ich die Anfrage von Travellers Insight erhielt, für sie die ehemalige Sowjetrepublik zwischen Kaukasus und Schwarzem Meer eine Woche lang zu bereisen, zögerte ich nicht und sagte sofort zu. Und es war genauso großartig, wie ich es mir vorgestellt hatte – die Landschaft, die Architektur und die Menschen! Vor allem begeisterte mich aber auch die georgische Hauptstadt Tbilissi, die von allen Medien als „the place to be“ gefeiert wurde. Zwischen bröckelnden Fassaden und Glaspalästen gerät man schnell in einen Rausch an Schönheit, Coolness und Verfall, der einen zwischen Okzident und Orient sowie Geschichte, Tradition und Moderne wandeln lässt. Georgien zählt sicherlich zu meinen Highlights 2017. Mit dem Kaukasus habe ich noch nicht abgeschlossen.

Brasilien, Bahia

Oktober – Zwischen Wüste und Urwald

Kaum eine Atempause blieb mir und ich saß erneut im Flieger – es ging dieses Mal endlich wieder nach Südamerika. Brasilien – ein Land, das so viel hergibt und ich sicherlich noch zig Male besuchen muss, um es zu erfassen. Gemeinsam mit Nicole bereiste ich den Nordosten Brasiliens und somit auch mein geliebtes Amazonas-Gebiet. Ich sah den Tanz balzender Buckelwale mit 15 Brücken. Sand und Lagunen formen in den Lençóis Maranhenses eine faszinierende Dünenlandschaft, die sich fest in mein Gedächtnis haftet. Und nicht zuletzt verzauberte mich erneut das Amazonasgebiet mit seiner gesamten Geräusch- und Bildkulisse. Alter do Chao zählt zu den idyllischsten Orten, den ich sicherlich noch einmal aufsuche. Mein Plan, zum 50. miete ich ein kleines Boot mit dem ich ein paar Tage Richtung Fordlandia schippere.

Iran, Yazd

November – eine Reise unter dem Hijab

Größer konnte der Kontrast fast nicht sein. Ein Wochenende blieb mir, um das Bikini in den Schrank zu legen und dafür langärmlige Tuniken und Tücher noch schnell zu leihen und zu kaufen. Und dann begab ich mich für den Flughafen Berlin Brandenburg auf eine kurze, aber sehr intensive Reise in den Iran, die ich frei gestaltete.

Der Iran hat alles bisher Gesehene auf den Kopf gestellt. Die ehrliche Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Offenheit war omnipräsent, als wollten die Iraner alles tun, um dem medial transportierte Iran-Bild in den westlichen Ländern entgegenzuwirken. Neben architektonischen Highlights in den wunderschönen Königsstädten des antiken Perserreichs und den prächtigen Moscheen und Windtürmen lockt auch die Naturvielfalt immer mehr Touristen in das Land. Egal ob Teheran, Isfahan oder Yazd – alle Orte machten definitiv Lust auf mehr. Mit dem Iran habe ich mein Reisejahr zwar schon Anfang November recht früh, aber dafür intensiv mit unvergesslichen Eindrücken abgeschlossen.

Kölpinsee, Uckermark

Entspannen in der Uckermark

Hinter mir liegt ein Jahr, in dem ich zum ersten Mal seit vielen Jahren nicht an der Ostsee war. Dafür entdeckte ich die Uckermark wieder. Hierhin zog es mich vor einigen Jahren schon einmal vermehrt – vor allem für Radtouren. Bin ich gerade einmal nicht auf Reisen, bietet die Uckermark mit ihren einsamen Seen, Wiesen, Feldern, schönen Hofläden und dünner Besiedlung vor der Haustür Berlins genau das, wonach ich mich als Ausgleich zum Stadtleben sehne.

Atins

Vorausblick 2018

Nichts ist schöner als die Überraschung. Denn letztendlich kommt es ja doch immer anders als man denkt. Vor einem Jahr hatte ich noch keinen Flug in der Tasche, alles war bestenfalls eine Idee. Und auch zu diesem Jahresende weiss ich nur, dass mich eine meiner nächsten Reisen auf den Kontinent zurückbringt, der 2017 pausieren musste, Afrika.

„Der Sinn des Reisens besteht darin, die Vorstellungen mit der Wirklichkeit auszugleichen, und anstatt zu denken, wie die Dinge sein könnten, sie so zu sehen, wie sie sind.“ (Samuel Johnson)

TAP-PORTUGAL-Brasilien-Lissabon-19

Was sonst noch bewegte

Es war auch ein Jahr, in dem Deutschland noch einmal mehr sein Gesicht verändert hat. Politisch bewegt und am Ende doch stagnierend, hoffentlich nicht resignierend – weil man aus Fehlern nicht lernt. Weil man immer mehr den Kontakt zu dem Wähler verliert und das „die da oben“ befeuert.

Auf meinem Radweg die Frankfurter Allee entlang, die nach dem Wahlsonntag noch immer mit riesigen Plakaten gesäumt war, formten sich Gedanken des Verstehen Wollens und des Frusts. Die Lücke zwischen zwei mich prägenden Realitäten klaffte zu groß in meinem Kopf, als das in jenem Moment Platz für heitere Reisegeschichten und -berichte war.

Ich habe in den Nachwendejahren miterlebt, wie sich Rechte, Skins, Nazis in meiner Heimat immer mehr Platz machten, Gehör verschufen und Jagd auf all diejenigen machten, was nicht in ihr Bild passte. Und diese Meinung durchdrang auch die Staatsgewalt, wenn sie meinte, mit bunt gefärbten Haaren und Docs an den Füßen sei man selbst dran schuld, von Rechten angegriffen zu werden. Heute sehe ich erschreckend ähnliche Tendenzen, die nun auch inmitten der Gesellschaft ankommen. Meine größte Sorge ist, dass mir meine Heimat fremd wird, nicht wegen Überfremdung, sondern aufgrund aufgestauter Ängste, die sich in Hass und Misstrauen niederschlagen.

Reisen bildet durchaus, doch das offene Aufeinanderzugehen kann ebenso festgefahrene Vorstellungen, Bilder und Vorturteile aufbrechen – und das lässt sich auch zuhause praktizieren.     Damit wir auch im Alltag nicht nur denken, wie die Dinge sein könnten, sondern sie so sehen, wie sie sind.

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Dankeschön

puriy ist in diesem Jahr 5 geworden, seit acht Jahren blogge ich. Und gerade in den letzten Monaten habe ich doch öfter die Blog-Arbeit neben meiner eigentlichen Arbeit kritisch hinterfragt, um festzustellen, dass doch noch zu viel Herzblut für das Projekt in mir wabert. Sollte die Leidenschaft für das Schreiben irgendwann zum Zwang werden oder gar erlöschen, werde ich auch das Bloggen einstellen.

Auch in diesem Jahr gilt mein großes Dankeschön Euch, die mich bisher vom Großstadtdschungel Berlin und vom wunderschönen Umland Bandenburg in die Urwälder, Wüsten, Steppen und auf die Meere oder Flüsse der Welt begleitet habt.

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