Wir hätten einmal ausschlafen können, denn heute blieben wir im Camp. Leider war die Nacht trotzdem nicht ganz störungsfrei. Kurz nachdem ich eingeschlafen war, raschelte es immerzu an unserer Gerwand. Als ich das Licht anmachte, sah ich eine Maus aus unsere Tüte schlüpfen. Da wir ein ganzes Lebensmitteldepot darin versteckt hatten, war die Tüte Anziehungspunkt für die Maus gewesen. Also steckten wir nun alle Lebensmittel in einen Schrank und wollten weiterschlafen. Doch so einfach ist die Welt nicht für eine Maus. Sie zog von Schuhtüte zu Schuhtüte und hielt uns mit ihrem Rascheln auf Trab. Immer wieder Aufstehen und Dinge vor der einen Maus verstecken. Irgendwann rann sie gar nicht mehr davon, wenn wir das Licht wieder anknipsten. Das letzte Mal hatten wir sie beim Licht Einschalten aus unserem Papierkorb krabbeln gesehen. Danach war mir dieses Spiel zu dumm und ich schlief mit Mäuserascheln und dem Wellenrauschen des Weißen Sees ein.
Das Camp hat ansonsten noch einen weiteren tierischen Beigeschmack hinterlassen, der mich nicht sonderlich störte, da er wesentlich geräuschloser erfolgte. Spinnen. Überall krabbelten sie durch unsere Jurte, ob an der Decke, auf dem Fußboden, an den Wänden, zwischen der Kleidung, über mein Bett. Am Morgen erfuhren wir, dass die Spinnenplage gerade am Abflauen sei und vor ein paar Wochen nach dem Regen noch viel schlimmer gewesen sein musste.
Müde startete ich in den Tag. Während alle anderen Gäste heute abreisten, blieben wir als einzige in unserem Camp zurück. Wir gingen endlich mal den Tag etwas relaxter an und nahmen uns Zeit, bis wir unseren einzigen Programmpunkt starteten. Er hieß Khorgo Uul und ist wieder ein erloschener Vulkan. Wir fuhren zum Fuße des Vulkans – bereits hier passierten wir eine Ebene mit Vulkangestein und abstrus aussehenden Bäumen. Am Ende der Vulkaneruption wurde wohl noch einmal richtig viel Asche rausgeschlaudert, die sich heute besonders ostwärts befindet. Vom Parkplatz aus führte ein Weg zum Kegel hinauf. Der Kegel selbst soll 50 Meter in die Tiefe gehen. Hier sind die Wände anders als beim Uran Nuur steil abfallend, so dass man nicht in den Krater hinabsteigen kann. Nur Geröll befindet sich an den Wänden, mit Ausnahme der Nordseite. Hier befindet sich auch im inneren des Kraters wieder ein Lärchenwäldchen. Wir wanderten den steinigen Vulkanrand entlang. Man hat von hier oben einen schönen Ausblick auf die umliegende Landschaft – See, Fluss, Ort Tariat, Hügel und Ebenen. Mittags waren wir wieder im Camp.
Dann ruhten wir uns am Seestrand aus. Einfach mal nichts tun – auch nicht Jeep fahren, das ist nach 8 Tagen ein wahrer Luxus. Später machten wir einen kleinen Ausritt mit Pferden. Die zusätzlichen Aktivitätenpreise in den Camps sind bereits unverschämt, aber interessant ist dann noch die Logik, wenn man für den Ausritt von zwei Personen drei Ausritte bezahlen muss, da der Pferdebesitzer mitreitet. Die mongolischen Pferde erinnern mich eher an Ponys als an Pferde, wie wir sie das letzte Mal in Kolumbien geritten sind. Eins hatten aber beide Ausritte gemeinsam – ich bekam immer das gefräßigste Pferd ab. Kaum ging es los, neigte sich (nur) mein Pferd gen saftiger Grassteppe. Und so ging das immerfort. Reiten wollte dieses Pferd nicht. Irgendwann musste es das Futter runterschlucken und so bewegte es sich schnurstracks zum See, um dort kräftig zu trinken. Zur Reiterin werde ich in diesem Leben nicht mehr, mir fehlt es an Vehemenz und Durchsetzungskraft gegenüber Tieren. So zog ich wohl nie kräftig genug am Zügel.
Im Camp zurück wollten wir weiter aus dem Vollen der Aktivitätenliste schöpfen. Über 10 Euro sollte eine Stunde Ruderboot kosten. Lieber wäre uns ein Kajak gewesen oder ein richtiges Ruderboot. Aber am ganzen See schien es nur dieses eine Boot zu geben und ein Jetski. Dieses Boot, für das wir uns entschieden, war eigentlich ein ausgedientes Motorboot aus der DDR. Robotron war der Hersteller. Der Motor wurde entnommen und eifrig zwei Ruder darauf fixiert – fertig ist ein mongolisches Ruderboot. Da wir ja nur Rudern, wurde uns gesagt, könne man uns mit dem Preis etwas entgegenkommen. Seltsam nur, dass dieses Boot hier zum teuren Preis immer nur als Ruderboot ausgeliehen wird. Die Stunde auf dem See war sehr schön, das Wetter meint es noch immer sehr gut mit uns und schickt uns täglich blauen Himmel. Nachdem ein Tscheche mit seinen mongolischen Freunden in den See gesprungen war und zudem ausgiebig diesen einen Jetski betätigt hatten, ging auch Lars noch einmal im sehr frischem Weißen See baden. Bald brach der Abend an, das Essen stand bereit, dann Rückzug in den Ofenwärme der Jurte. Die Katze des Camps gesellte sich zu uns in unsere Jurte. Die Hunde wärmten sich an den Außenwänden der Hütte. Typische mongolische Abende.