Zig einmotorige Airvans reihen sich am Rande der Start- und Landebahn von Maun aneinander. Vor einer dieser Maschinen kommt unser Auto zum Stehen. Schon stürzt sich eine Frau in Uniform auf uns und begrüßt uns überschwänglich mit „I am Charlotte, your Pilot today.“ Neben ihr steht ein junger Mann, ihr Copilot, der uns unser Gepäck abnimmt. 20 Minuten soll der Flug dauern. Dieser Flug führt uns direkt einmal über das Okavango Delta zum Gunn’s Camp. Jede Lodge wird von Maun angeflogen.
Flug über das Okavango Delta
Dann steigen wir auch schon ein und lassen uns auf der Rückbank des Viersitzers die Sicherheitshinweise erklären. Feuerlöscher in der Mittelkonsole, Verbandskasten hinten. Damit wären wir auch schon fertig. „Ach ja, und haltet Ausschau nach den Elefanten!“ ergänzt Charlotte noch mit einem Lachen. Elefanten! Botswana hat davon reichlich, im Chobe NP lebt gar die größte Population. Bin ich nach 1,5 Wochen etwa schon Elefantenmüde?
Unter uns werden mit zunehmender Lautstärke des Propellers die Häuser kleiner. Die Landschaft ist karg und trocken. Beige-, Grau- und Brauntöne dominieren die Szenerie. Wo ist denn das Grün geblieben? Die Frage stelle ich mir nur leise, da sie zu dieser Jahreszeit natürlich sehr dumm daherkommt. Denkt man an das Okavango Delta, hat man eine satte Flusslandschaft vor Augen. Doch meine Augen reibe ich immer wieder und sie wird nur zögerlich grüner und nasser. Es ist Oktober – wir stehen kurz vor der Regenzeit. Die Sonne hat an den Böden gezehrt und scheinbar die Farbe entzogen. Der Okavango, der die Wassermassen aus Angola heranschafft, konnte noch nicht wieder gespeist werden. Langsam mischen sich blaue Sprengel in die Landschaft. Kleine Wasserstellen und auch mehr Pflanzen. Dazwischen erblicke ich tatsächlich Elefanten und schon gehen wir nach unten, um 63 km entfernt von Maun auf der holprigen Piste zu landen. Wir befinden uns auf der privaten Ntswi Island im Boro Fluss. Dieser ergießt sich in den Nördlichen Okavango und wird dann der Thamalakane Fluss. Als Boteti Fluss verschwindet er schließlich in den Makgadikgadi Salzpfannen.
Den Elefanten ganz nah
Gegenüber auf der 100 km langen und 15 km breiten Chief Island finden die Nature Walks, Bush Walks oder auch Game Walks statt. Man möge sich hier den passenden Begriff einfach aussuchen. Chief’s Island wurde nach dem Chief Moremi benannt, der hier einst lebte und jagte. Sie ist die größte Landmasse innerhalb des Deltas. Das seit 1963 bestehende Moremi Game Reserve wurde ebenfalls nach dem Chief benannt.
Wir bleiben vier Tage im Delta. Zunächst werden wir singend von dem Personal des Gunn’s Camps begrüßt. Hier werden wir die ersten beiden Nächte unterkommen, bevor wir in das fünf Minuten entfernte Moremi Crossing wechseln. Nur sechs luxuriös eingerichtete Zelte direkt am Ufer des Boro Rivers beherbergt das Camp, das über einen langen Steg mit der dreistöckigen Gemeinschaftsarea verbunden ist. Hier nehmen wir einen Willkommensdrink ein und lassen uns die nächsten beiden Tage erklären. Abends geht es auf Bootexkursion, morgens auf Bush Walk mit kombinierter Mokoro-Fahrt.
Sanft und anmutig stehen Elefanten inmitten dem saftigen Gras, das sich vor unseren Zelten in die Weite erstreckt, wo es von Wasser durchzogen wird. Ein goldiger Streifen am Horizont deutet auf die Trockenzeit hin. Das Rupfen und Schmatzen der Elefanten bildet eine monotone Melodie, die zu mir ins Zelt hineindringt. Kraftvoll umschlingt der muskulöse Rüssel die langen Grasbüschel, um sie dem Boden zu entreißen und zum Mund zu führen. In der heißen Mittagssonne schaufeln sich die Riesen mit ihren großen Ohren kühl. Stundelang könnte ich vom Bett oder der Veranda aus die Elefanten in der Graslandschaft beobachten, auch wenn ich auf dieser Reise schon viele gesehen habe. Auf der Veranda meines Zeltes bedarf es keines Fernsehprogramms oder Internets. Die Natur ist Programm genug.
Bootstour auf dem Boro
Später auf dem Boro Fluss widmen wir uns bei einer zweistündigen Bootsfahrt Flusspferden, Krokodilen, Impalas und vielen Vögeln. In der Regenzeit sollen sich noch viel mehr Tiere im Delta aufhalten, doch Quantität spielt in diesem Moment keine Rolle. Immer wieder höre ich Ian begeistert englische Vogelnamen rufen. Wir sind mit einem sympathischen britischen Paar unterwegs, die sich als wahre Birdies entpuppen. Die Benennung ist nicht gerade mein Steckenpferd, dennoch sind sie schön anzuschauen.
Um 18 Uhr geht die Sonne wieder szenisch schön unter und Eugenice, unser Guide, baut den Tisch zum Sundowner Drink auf. Danach geht es schnell zurück, da wir eine Kollision mit Hippos im Dunkeln vermeiden wollen. Um 19.30 Uhr gibt es noch einen Drink an der Bar und dann setzen wir uns alle zusammen an den Abendbrottisch.
Nachts am Fluss
Jeder Gast wird von seinem Zelt abgeholt und wieder zurückgebracht. Abends ist es gefährlich, alleine zu gehen. Ich muss schmunzeln. Leoparden, Krokodile, Hippos, sie alle könnten gefährliche Stolpersteine auf dem kurzen Weg bilden. Wir sind im südlichen Afrika, das vergisst man schnell. Dass ich in Ostafrika schon mit Nilpferden gefrühstückt und Elefanten geschlafen habe und niemanden interessiert hat, ob diese Tiere meine Sicherheit gefährden, das steht auf einem anderen Blatt. Ich muss nicht länger als 2-3 Stunden geschlafen haben, da knackt und trampelt es auf der anderen Seite meiner Zeltwand laut. Unter den Holzplanken der Plattform, auf der mein Zelt aufgebaut ist, schabt und schnauft es. Es ist ein bisschen wie früher zuhause, als mich die Kratz- und Quieksgeräusche von Mäusen und Mardern um meinen Schlaf brachten. Hier sind die Geräusche noch viel lauter. Unter mir scharren Warzenschweine, die in der Nähe der Menschen Schutz vor ihren Feinden suchen, und neben mir hinter der Zeltwand steht ein Elefant. Ich bin hundemüde, als mich die Servicedame mit einem Kaffee um 6 Uhr weckt. Es steht eine Mokoro-Fahrt mit anschließendem dreistündigen Bush Walk an.
Wir sehen Zebras, Giraffen, Paviane, Impalas, Nilpferde und später auch Hyänen. Wir werden uns in den nächsten Tagen vom Gunn’s Camp und Moremi Crossing immer wieder morgens zu einem Bush Walk mit dem Mokoro aufmachen. Das Boot ist aus Umweltschutzgründen aus Plastik gefertigt, anstatt aus dem Holz des leichten Leberwurstbaums. Jeden Abend werden wir uns dann zur Tierbeobachtung mit dem motorisierten Boot mal flussaufwärts, mal flussabwärts begeben.
Eine aufregende Buschwanderung
Die Nächte werden nicht minder tierreich sein. In der letzten Nacht durchbricht ein besonderer Ruf die Lautkulisse von Flusspferden, Elefanten und Warzenschweinen. Ein Leopard oder irgendeine Katze – denke ich. Am Frühstückstisch bestätigt unser Guide Luckson meine Katzentheorie. Es war ein Löwe. Ich scherze: „Dann wissen wir ja, wo heute das Ziel unseres Bush Walks ist!“ Luckson lächelt nur. Dass er tatsächlich meinem Wunsch nachkommen will, merke ich erst, als wir uns eine Stunde später im Busch wiederfinden. Auf dem Weg dahin hatten wir bereits nervöse Büffelherden im Wasser stehen sehen. Diese seien jetzt am Morgen ein Zeichen dafür, dass sie Angst haben oder irgendetwas nicht stimmt. Und nun stapfen wir durch frischen Elefantenkot inmitten trockener Grashalme, die die Knie umspielen. Alles, was ich erkenne, sind frische Elefantenspuren. Ich folge Luckson neugierig und gespannt. Als wir Impalas und Elefanten sichten, bin ich diejenige, die auf die Tiere deutet. Luckson hat heute etwas anderes im Sinn. Er läuft konzentriert vorne weg, bis er hält und einen Kringel um einen Fußabdruck zeichnet. „Lion“ sagt er bestimmend, als hätte er es gewusst. Die Spur sei ziemlich frisch und es muss auf Grund der Größe wohl ein Männchen sein. Eine gewisse Stimmung legt sich über unseren Walk. Unsere Gesichter sind von Spannung, gar Anspannung, gezeichnet. Jedes Geräusch, jeder Busch, jeder Duft zieht unser stilles Interesse auf sich. Noch nie wurde so wenig gesprochen wie heute.
Wieder hält Luckson und versucht sich dieses Mal im Deutschen: „Perlhühner“. Ich frage mich leise, was denn das Besondere an Perlhühnern sei. Als hätte Luckson die Frage meinem Gesicht abgelesen, ergänzt er: „Sie sind auf dem Baum! Das ist ungewöhnlich. Irgendetwas muss sie vertrieben haben.“ Natürlich kann dies nur der Löwe gewesen sein, den wir jetzt suchen. Wir folgen weiter seinen Spuren. Immer, wenn wir einen Busch streifen, denke ich, was wäre, wenn ich darin die Löwenmähne entdecken würde und plötzlich Aug um Aug einem Löwen gegenüberstünde. Ich habe schon einige Löwen gesehen, aber immer im Schutz eines Autos, in dem ich saß oder neben dem ich stand. Doch dieses Mal bin ich zu Fuß unterwegs und unsere Guides tragen noch nicht einmal Waffen. Das sei hier im Nationalpark nicht erlaubt. Die einzige schützende Waffe, ist ihr erlerntes Wissen und ihre Erfahrung. Sie tragen ein Bang Bangen mit sich, der aber nur gegen Elefanten hilft. Löwen würden hingegen zum Angriff übergehen, hörten sie das simulierte Schussgeräusch. Und kaum denke ich diesen Gedanken, kommt eine Elefantenmutter mit Jungem auf uns zu. Ich will ein Foto schießen, doch hält uns der assistierende Guide Patrick zur Eile an, denn neben uns taucht eine weitere Elefantenmutter mit Kind auf.
Die Löwenspur verliert sich im Sand. Luckson bleibt trotzdem plötzlich aufgeregt stehen. Was könnte einen Löwen jetzt noch toppen? Wir finden kleinere Tatzenspuren im Sand. Eine neue Fährte nehmen wir auf. Unser Guide ist nicht mehr ganz so relaxt – denn nun hat sich die Katzenart geändert. Unser neues Ziel lautet „Leopard“. Ich erinnere mich an die Worte meines Guides in der Serengeti. Neben Löwen stieg er aus dem Auto, um zu pissen; vor ihnen hatte er keine Angst. Das einzige Tier, vor dem er sich auf Grund seiner Unberechenbarkeit fürchtete, war der Leopard. Dem wolle er nicht ohne das schützende Dach eines Vehicles begegnen. Und nun stapfe ich Greenhorn den Spuren dieser Raubkatze ungeschützt hinterher. Jede Buschwanderung der letzten Tage, die wesentlich mehr Tiere zum Vorschein brachte, verblasst neben der heutigen. Vor uns zeichnet sich ganz deutlich eine Schleifspur ab. „Der Leopard hat etwas erlegt und schleift dieses Tier zu einem Baum“, klärt uns Luckson auf. Wir folgen dieser Schleifspur. Luckson springt plötzlich drei Meter nach rechts und ich weiss, da muss entweder das Opfer oder der Täter sein. Ich folge ihm und entdecke ein frisch erlegtes Impala, aus dessen Hintern Blut tritt. Ansonsten liegt es völlig unangetastet vor uns und schaut uns mit seinen weit aufgerissenen Rehaugen an. Der Leopard muss gestört worden sein. Das Impala ist heute Morgen in die Fänge des Leoparden geraten. Es wollte sich an den Blüten des Leberwurstbaums bedienen, als sich der Leopard vom Baum auf sein Opfer stürzte, skizziert Luckson den Tathergang. Er ist ungewohnt aufgeregt, gar etwas nervös. Ich weiss nicht, ob es auch ein wenig Furcht ist. Ich weiss nur, dass durch meine Adern Adrenalin schießt. Vor uns liegt die unberührte trockene Grassavanne, die noch goldener zu scheinen beginnt. Jeden Grashalm scanne ich mit meinen Blicken. Irgendwo da drin muss er sich versteckt halten. Er wird uns fest im Blick haben. Nur wir können ihn nicht sehen. Seine Spuren verlieren sich im Gras. Paviane, Warzenschweine, Impalas laufen uns alle nach, sind auf der Flucht. Ein weiteres Zeichen seiner Anwesenheit. Man muss nicht alles sehen, um seine Existenz zu beweisen. Manchmal liegt das intensivere Erlebnis in der Vorstellung und dem, was man fühlt. Viele Spuren, ein Opfer, Zeugen – das alles mutet wie ein „Tatort in der Wildnis“ an. Doch dieser Täter wird am Ende nicht gefasst oder erfasst mit unseren Augen. Dennoch ist diese Buschwanderung meine intensivste. Hing ich bei all meinen anderen Walks meinen eigenen Gedanken nach, während ich mich wieder an Zebras, Giraffen, Flusspferden erfreute, war ich dieses Mal von vorne bis hinten mit all meinen Sinnen dabei.
Ich klopfe den Sand aus meinen Boots und stecke sie dann in den Beutel. An ihrer Sohle klebt noch immer der Kot von Elefanten, Impalas und Flusspferden. Wenn ich die Schuhe in Berlin wieder auspacke, wird sich mein Kater an ihnen reiben. Das tut er immer nach jeder meiner Reisen. Ob er dann die Gerüche seiner großen Artgenossen aufnimmt? Ich werde die Schuhe bis zur nächsten Reise wegräumen und an diesen verrückten „Katzen-Bush Walk“ im Okavango Delta zurückdenken.
Was man sonst noch wissen sollte?
- Zu den Lodges gelangt man mit einem zwanzigminütigen Flug von Maun mit Moremi Air beispielsweise.
Der Landeplatz ins ans Gunn’s Camp angeschlossen. Es gibt zudem die Möglichkeit, die Lodge mit Boot zu erreichen. Die Fahrt dauert 2,5 Stunden. - Wir übernachteten zwei Nächte im kleinen, intimen Gunn’s Camp, dass sich zudem in der Größe der Zelte von dem Schwestercamp Moremi Crossing unterscheidet. Im Gunn’s Camp gibt es noch eine Art Vorzelt mit Sesseln und Schreibtisch und im privaten Außenbad steht neben der Dusche eine Open-Air-Badewanne. Zudem wird man mit einem Morgenkaffee geweckt und überhaupt handelt es sich dort um Filter- und nicht wie im Moremi Crossing um Instantkaffee. Die Aktivitäten und auch das übrige Handling ist jedoch gleich.
Unseren 24 tägigen Roadtrip starteten wir in Windhoek und fuhren über die Sambesi-Region (Caprivi Zipfel) nach Botswana (Kasane, Chobe NP, Savuti, Moremi NP, Okavango Delta, Makgadikgadi-Salzpfannen, Kalahari) mit einem Toyota Hilux, den uns ASCO Car Hire in Windhoek zur Verfügung gestellt hat.
Über unsere Offroad-Fahrt nach Savuti und in den Moremi NP, kann man hier nachlesen.
Ich wurde von Condor und Gunn’s Camp sowie Moremi Crossing unterstützt. Alle Ansichten sind meine eigenen.