Kolibris flattern vor der Trinkstelle im Garten auf einer Stelle. Im Baumgeäst ruht ein Faultier. Aus dem grünen Dickicht brüllt es aus der Ferne. Wir sind in dem kleinen Ort Bijagua, der sich nur 15 km vom Parkeingang des Parque Nacional Volcano Tenorio und zwischen den Ausläufern der inaktiven Vulkane Miravalles und Tenorio befindet. Zehn Minuten bleiben mir, um meinen Rucksack im Zimmer zu verstauen, bevor wir uns auf einen kurzen Spaziergang über das Gelände der Tenorio Lodge zu begeben.
Ich ziehe die Vorhänge beiseite und lasse mich aufs Bett fallen. Es braucht keine Bewegung in diesem Moment, um Natur zu entdecken. Die Natur ist da, umgibt mich hinter der Glasscheibe und dem offenen Gitternetzfenster. Einen Moment innehalten. Während vor mir Wolken und Nebel die Berge umspielen und die Natur sich ihr prächtigstes Grün übergezogen hat, frage ich mich, wie ich es eigentlich in der Stadt noch aushalte. Was manchen das Meerblau ist, ist für mich das Grün. Je dichter und kräftiger mich das Blattwerk einhüllt, desto tiefer atme ich durch.
Der Sound der Natur begleitet meine Nächte. Kurz vor 5 Uhr setzen die Brüllaffen mit ihren durchdringenden Schreien ein, die sie ihren langen Stimmbändern und einzigartigen Zungenbein zu verdanken haben. Dann folgen Vögel, Grillen und Kröten. Einen Wecker bedarf es nicht. Mit einem Kaffee setze ich mich vor die Tür meiner Hütte und schaue in das dichte Blätterdach vor meinem Gärtchen. Mehr brauche ich nicht, um wach zu werden.
Ökotourismus in Costa Rica und ich pflanze einen Baum
Am nächsten Tage erzählt uns das costaricanische-australische Paar Pip und Donald im Casitas Tenorio B&B von dem Aufbau ihrer Farm und Community basierten Tourismus. Sie haben für uns gekocht. Vor 16 Jahren verschlug es Pip von Australien in den Ort, um als Volunteer Dschungeltrails und Brücken auf dem Gelände der Heliconias Lodge zu bauen. Die Liebe brachte Pip 2008 zurück, sie erwarb mit Donald Land, und so bauten sie zunächst eine Farm mit zwei Gäste-Hütten auf, die heute auf sechs Cottages angewachsen ist. Das Essen auf dem Tisch kommt aus dem Garten. Die Milch geht an eine Kooperative, doch nur von den Farmprodukten allein könnten sie nicht leben. Zehn Kühe, drei Pferde, drei Hunde sind nur einige der Tiere, die auf der kleinen, idyllischen Farm am Hang leben. Sie forsteten gleich das Gelände, das zuvor lichtes Weide- und Ackerland war, auf. Sie pflanzten das, was Schmetterlinge, Käfer, Vögel und Affen anzieht.
Und tatsächlich bedarf der Aufenthalt auf der Veranda keines weiteren Unterhaltungsprogramms. Wir schauen einfach nur in das dichte Blätterdach und bestaunen die Tiere, die hier ihre Futterstellen finden. Farbenfrohe Schmetterlinge und Insekten flattern vor der grünen Wand umher. Vögel setzen zur Landung an und Kolibris tünchen ihre Zunge in die Blüten, um mit dem süßen Nektar Kraft zu tanken.
Auf einem Streifzug über das Gelände der Farm lauschen wir den Rufen der Affen und sehen einen Tukan an uns vorbeifliegen. Dann ruft uns Donald herbei. Neben ihm stehen vier junge Bäume, die gepflanzt werden sollen. Jeder schnappt sich einen Ballen und trägt ihn in den Wald hinein. Mit Spaten und Schaufel setzen wir unser kleines Zeichen.
Das Blau des Rio Celeste
In der nächsten Nacht prasselt der Regen stundenlang auf das Dach meiner Hütte nieder und hält nur kurz mit der einsetzenden Morgendämmerung inne. Als wir um 8 Uhr zum Tenorio Volcano National Park aufbrechen, kehrt der Regen mit geringerer Intensität zurück. Wir durchqueren auf holpriger Straße das Tal der Tapire und erreichen den Parkeingang ca. 30 Minuten später. Dort will uns das Blätterdach Schutz bieten, doch diesen bedarf es nicht mehr.
Pünktlich zum Start unserer dreistündigen Wanderung am Rio Celeste entlang bahnt sich die Sonne für einen Moment ihren Weg und lässt die Luft trocknen. Der Weg jedoch gleicht nach dem anfänglich betonierten Pfad schnell einer Matschpiste. Es geht auf und ab durch dichten Wald, aus dem die Zikaden surren. Klare Bäche plätschern unter dem Blattwerk, Wurzeln hängen von Urwaldriesen herab und gleichen einem Setting aus Tarzan.
Nach 45 min erreichen wir die ca. 400 Stufen, die steil zum Wasserfall des Rio Celeste hinabführen. In einem strahlend blauen Gewand soll uns der Fluss empfangen. Wo sich der Rio Celeste mit einem 30 m tiefen Fall in den blauen Pool ergießen soll, schimmert es heute jedoch durch den nächtlichen Regen und den fehlenden Sonnenschein eher grün-braun. Dennoch ist es ein idyllischer Ort, den ich allein genießen darf, obwohl es Sonntag ist.
Der Aufstieg ist natürlich etwas beschwerlicher und ich merke schnell, dass daher nicht jeder diesen Weg auf sich nimmt, sondern gleich von der Gabelung mit den Stufen 558 m weiterläuft. Dort findet man auf einer Lichtung den Mirador. Die Sicht ist heute jedoch nicht so wunderbar, trotzdem drängen sich auf einer etwas kaputten Plattform die Wanderer. Nach weiteren 200 m, die sich besonders schlammig und mit vielen Pfützen erweisen, erreichen wir die Laguna Azul. Was blau sein soll, ist heute auch hier grün-braun. Der Duft, der nur ein paar Meter weiter aus den Luftblasen auf die Wasseroberfläche dringt, verrät seinen vulkanischen Ursprung. Die Borbollones blubbern und stinken so vor sich hin. Hier mag man nicht lange verweilen.
Der idyllisch gelegene Pfad führt uns über zwei Hängebrücken direkt zu den Tenideros. Hier treffen sich der Agria-Flussarm und der Buenavista-Flussarm. Das ganze erinnert mich an das Meeting of the Water des Amazonas bei Manaus, nur eben in Kleinformat. Dort, wo sie sich treffen, bildet sich ein weißer, schaumiger Rand. Dahinter formen die Flusszweige den blauen Rio Celeste. Während ich zusehe, wie sich die Wasserarme mit ihren verschiedenen Farbtönen vereinen, höre ich hinter mir meinen Namen rufen. In einem Gebüsch hat Vinny, mein Guide, eine grasgrüne Wimpern Grube Viper entdeckt, die regungslos auf der Blattfläche ruht.
Noch einmal gehen wir den Flusslauf ein Stück entlang, passieren die Lagune. Vinny zeigt mir auf seinem Handy Fotos, auf denen das Wasser durch die chemische Reaktion der vulkanischen Mineralien seine strahlend blaue Farbe führt. Aber Natur kann man nicht ändern. Das ist doch gerade das Schöne, meine ich, als er mir fast etwas enttäuscht das Highlight zeigt. Da erwidert er, was die Einheimischen über den Rio Celeste sagen:
„Gott malte die Welt. Als er den Himmel malte, wusch er seinen Pinsel im Fluss.“
Ich erwidere, dann hat Gott heute wohl den Wald gemalt, und seinen Pinsel gründlich gewaschen. Costa Ricas Farbe ist nun einmal Grün!
Was man sonst noch wissen sollte?
- Der Tenorio Volcano National Park ist täglich von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Letzter Einlass ist um 14 Uhr.
- Der Parkeintritt kostet für Ausländern $12.
- Wenn es viel geregnet hat, wird man den Rio Celeste nicht in der blauen Farbe vorfinden.
- Unterkünfte in Bijagua: Tenorio Lodge, Celeste Mountain Lodge, Casitas Tenorio B&B
Ich wurde vom Costa Rica Tourism Board zu dieser Recherchereise eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.