Schwül-heiße Luft schlägt mir entgegen. Ich lasse mich in die weichen Kissen des Sessels fallen. Vor mir liegt die Gebirgskette Gracias a Dios. Früher sagte man Gracias a Dios, weil man glaubte, dass die Leute, die da hinaufgingen, nicht mehr zurückkehren würden. Eine hohe Schlangendichte sei da. Warum mir das mein Guide Estras Lopez Mejia nicht vor meiner kleinen Wanderung gesagt hat, ist mir unklar. Schlangen zählen nicht zu meinen liebsten Fotoobjekten. Da sind mir die Kolibris, Leguane und Tukane schon lieber. Und diese sieht man hier zuhauf. Man muss sich dafür noch nicht einmal aus dem großen Garten der Pico Bonito Lodge bewegen. Dennoch juckt es in den Füßen. Nach den vielen Stunden auf den Straßen von Honduras dürstet es mich nach etwas mehr Natur und Bewegung.
Wandern im großen „Garten“ der Pico Bonito Lodge
Zwischen drei Trails (Las Pilas, Mermaids Falls, Loop Trail) kann ich mich entscheiden. Alle liegen auf dem Jaguar Corridor, doch diese Raubkatze sehen ohnehin vornehmlich nur die Kameras, die hier postiert sind. Aufgrund der Kürze der Zeit wähle ich den Trail Las Pilas. „Badelöcher“ im Fluss, im Rio Coloradito, sollen am Ende für Erfrischung sorgen. Doch zuvor sind 162 Stufen zu bewältigen. Die Luft steht vor Feuchtigkeit, Wolken ziehen sich bereits um die Bergkuppen und hüllen diese zart ein. Inmitten der üppigen Natur rauscht ein Fluss und sucht sich zwischen dem Geröll seinen Weg. Viele kleine Badestellen säumen den Rio Coloradito, der an Wochenenden bevorzugt von Einheimischen zum Vergnügen genutzt wird. Heute jedoch bin ich ungestört und genieße die Ruhe auf den Steinen.
Das Flattern von Honduras
Kolibris flattern im Pico Bonito NP wild umher, Leguane sonnen sich, Agutis hüpfen über die Wiesen, Schmetterlinge machen der Farbpracht der Blumen Konkurrenz. Alles kann man in der Natur – sogar von der Terrasse der Lodge – live sehen, und wenn man erfolglos bleibt, führt ein Weg in das Schmetterlings-, das Leguan- oder das Schlangenhaus. Vor allem die Schmetterlinge haben es mir angetan und so schaue ich noch einmal in dem Haus vorbei, in dem neben den vielen lebenden Geschöpfen auch manch Flügel leblos auf dem Boden liegt. Kein Wunder, bei einer Lebensdauer von 1 Tag bis ca. 4 Monaten. Honduras hat über 500 verschiedene Schmetterlinge, doch bekannter ist das herrlich grüne Land eher für seine Vögel. Allein im Nationalpark Pico Bonito kann man 300 Arten beobachten. Während ich vor allem von Tukanen und Kolibris schwärme, lockt sonst der Lovely Cotinga die wahren Vogelbeobachter an. Dieser ist der wichtigste Vogel für Honduras, sagt Estras.
Mit der Propellermaschine nach Roatán
20 Minuten weiter befindet sich der Platz, an dem die großen Vögel in die Luft gehen – der Airport von La Ceiba. Mit einer kleinen Propellermaschine von Aerolineas SOSA, in der auf sechs Sitzreihen 18 Personen Platz finden, heben wir am späten Nachmittag ab. Vorbei an alten Militärmaschinen nehmen wir Kurs auf die Karibik und landen 20 Minuten später auf der größten Insel der Bay Islands, Roatán. Es ist ein Wiedersehen mit dieser Gegend, einst verbrachte ich einige Tage auf der westlichen Nachbarinsel Utila, die unter Backpackern beliebt ist. Inzwischen soll sich auch hier einiges getan haben und neben Hostels für Rucksacktouristen auch Hotelanlagen stehen.
In das Auf und Ab der Hügelkette und an die Ufer schmiegen sich Holzhäuschen, die farbig bemalt sind. Die Menschen haben vornehmlich afrikanische Wurzeln. Als einstige britische Kolonie wird zudem Englisch gesprochen, Spanisch ist Sache der Schule und das merkt man – eben auch in der Kultur. Auf dem Weg zur West Bay nehmen wir die Küstenstraße der Flowers Bay entlang. Auf den Straßen von Coxen Hole sieht man nur Einheimische.
Die Mischung von Roatán
Roatán ist Karibik pur. Wer Jamaika mag, wird es auch hier aushalten. Sister come, take it easy and so on…. Die Insel ist eine bunte Mischung – nicht selten findet man britische, deutsche oder italienische Vorfahren im Stammbaum. Doch am meisten machen die Garifuna, die ursprünglich von der Karibikinsel St. Vincent stammen und 1797 durch die Briten von der Insel Baliceaux nach Roatán umgesiedelt wurden sowie die Nachfahren der seit 1830 eingewanderten, englischsprachigen Zuwanderer den Kaimaninseln, die Caracol, aus. Durch die britische Besatzungszeit spricht man hier noch heute hauptsächlich Englisch, wenngleich Spanisch natürlich die offizielle Sprache ist.
Schnorcheln im Belize Barrier Reef
In der brütenden Hitze, die nur durch eine Meeresbrise bewegt doch nicht abgekühlt wird, schlürfen die Einheimischen träge durch die Dörfer. Wer nicht muss, bewegt sich nicht und verharrt auf dem Schaukelstuhl oder der Hängematte. Ich weiss nicht, was hier mehr Strahlkraft hat: die farbigen Hausfassaden oder die Unterwasserwelt. Bunte Korallenfächer, überschwimme ich zaghaft. Unter mir gleiten nicht weniger elegant Fische aller Muster und Farben. Dass man am zweitgrößten Riffsystem der Welt, dem Belize Barrier Reef, mehr als diese erwarten kann, versteht sich von selbst. Und so verwunderte es mich nicht, als ich unter mir eine große Flosse aus einer Höhle ragen sah. Ein Tauchlehrer hätte sicherlich die Hand zu einem Pioniergruß auf den Kopf gehalten, doch auch ohne dieses Zeichen war mir klar, dass es sich um einen Riffhai handelte, den ich mal ebenso charmant überschwamm, in der Hoffnung, ihn nicht aufzuwecken. Später sah ich noch eine Schlange, nur die obligatorischen Schildkröten wollten sich an diesem Tage nicht zeigen.
Nach Roatán kommt man zum Tauchen oder wegen des Strands. Sechs Cruise-Schiffe halten hier aktuell pro Woche durchschnittlich an. Auch die Costa Concordia war einst dabei, scherzt man. Um dieses Business herum haben sich Parks nach amerikanischem Geschmack wie der Gumbalimba an der West Bay entwickelt. Hier ein Kapuzineraffe für die Schulter, dort ein Ara und ganz nebenbei läuft Dir ein Leguan über den Weg. Wer fußfaul ist, kann sich durch die Anlage fahren lassen, wer Action mag, nimmt an der Canopy Tour teil oder schnorchelt so wie ich am 350 m von der Küste entfernten Riff.
Wieder fällt mein Blick aus dem winzigen Fenster der Propellermaschine und erfasst ein letztes Mal den schmalen grünen, hügeligen Streifen. Danach verschwindet die Insel Roatán im Flügelschlag des Propellers. Das, was zuvor ein Spiel aus allen möglichen Grün-, Blau- und Türkistönen darstellte, wird plötzlich wieder grau – die Karibik. Genauso schnell wie sich das Propellerblatt dreht, verflogen auch meine letzten 22 Stunden. Wie ein Rausch an Farben, Gerüchen und Gefühlen.
Was man sonst noch über die Küste von Honduras wissen sollte?
Wer nach Honduras reist, der wird sicherlich eine der Islas de la Bahía (Bay Islands) – Roatan, Utila and Guanaja – besuchen. Diese stehen für ihre sehr guten Tauchspots, da sie am Belize Barriere-Riff, dem zweitgrößten Barriereriff der Welt, liegen.
Während Roatán Kreuzfahrtschiffe ansteuern und hier auch hauptsächlich Familien und Paare in Hotelanlagen Urlaub machen, ist Utíla das Ziel eines jeden Rucksacktouristen. Auf Utíla gibt es bis heute keine Hotelanlagen, dafür reihen sich aber Tauchschulen, günstige Herbergen, Bars und Kneipen aneinander.
Beide Inseln können mit Flugzeug oder mit der Fähre von La Ceiba erreicht werden.
Guanaja steht wiederum für den gehobenen Tourismus.
Weitere Honduras-Tipps:
http://puriy.de/honduras-reisetipps/
Ich wurde von Visit Centroamérica eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.
Voll schöne Fotos! Ich hoffe ich komme auch bald nach Honduras. Bin ab September erstmal in Ecuador, von daher stehen die Chancen ganz gut, sieht auf jeden Fall nach einem Reiseziel nach meinem Geschmack aus
Danke, liebe Stef! Das ist ja witzig, weisst Du welches Land für September angepeilt ist? Na, vielleicht treffen wir uns da dann mal 😉 LG, Madlen
Liebe Madlen,
ich muss Dir eine Abmahnung schreiben! Ich finde es fürchterlich unerträglich in meinem Büro zu hocken, sinnlose Dinge zu tun (naja, manchmal auch sinnvolle) und dann sowas lesen zu dürfen! Das kannst Du doch nicht machen! Einfach so mich nach Honduras mitnehmen, mir tolle Bilder zeigen und dann wende ich meinen Blick vom Bildschirm und bin – in meinem Büro. Grad war es noch schwülwarm und ich hörte den Papagei, nun ist es frisch und ich höre das Telefon.
Na toll, jetzt habe ich Reisefieber. Auch das noch…
Danke!
PS: das Leguan-Bild ist klasse!
Ach Martin, so ungefähr habe ich mich gefühlt, als ich Deine wunderbaren Berichte aus Ecuador las 😉 Leider muss ich von dieser Reise die nächsten Wochen zehren, denn morgen geht es auch für mich schon wieder zurück und bis ich mal wieder nach Lateinamerika komme, dauert es mindestens 3 Monate…. LG, Madlen
Ich muss Martin zustimmen, schön ist es nicht, wenn man den Blick wieder von deinem Beitrag abwendet und plötzlich merkt, dass man im Büro sitzt. Trotzdem bin ich dankbar für die paar Minuten Urlaub in Honduras an einem ganz durchschnittlichen Mittwoch. Wirklich tolle Bilder, die sofort Urlaubsstimmung verbreiten!
Liebe Grüße
Alex
Danke, Alex. Während ich gerade das Wellenrauschen des Pazifiks höre, mag auch ich kaum glauben, dass es morgen schon wieder zurück geht. Normalerweise fängt bei mir eine Reise nach 2 Wochen erst so richtig an 😉 LG, Madlen
Was du da alles gesehen hast. Das reicht ja für ein ganzes Leben. Toll, toll, toll und wie immer super geschrieben.
Das treibt mir jetzt die Röte ins Gesicht 😉 Danke, liebe Neni. LG, Madlen