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Villa de Leyva – der weisse Ort

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10. Dez. 2009 – Eine weitere Nacht in Bogotá. Bevor ich ihr den Rücken kehre, nutze ich den angebrochenen Arbeitstag, um noch zwei Flugtickets für Weihnachten ins Amazonasgebiet zu kaufen. Dann geht es auch schon zum Busbahnhof, der mich etwas irritiert. So ganz komme ich nicht klar, da ich leider nur weiss, wohin ich reisen will, aber noch nicht, mit wem. Meiner Ahnungslosigkeit wird sofort auf die Sprünge geholfen, indem mich nette Männer einer Busgesellschaft in die richtige Richtung drängen und der Bus gerade noch auf mich als Passagier gewartet zu haben scheint, Kaum bin ich eingestiegen, setzt er sich schon in Gang. Erfreut sehe ich das erste mal auf einer lateinamerikanischen Reise „lesende Reisende“. Kolumbien – ein kulturelles Land. Ich bin begeistert. Auch wenn der Reisende hinter mir mit Coelho sprachlich fremdgeht, weiß ich zu schätzen, dass diese Perle Südamerikas bereits einen Literaturnobelpreisträger herausgebracht hat. Der Weg zeigt mir aber auch gleich die Grenzen der Kultur, rückt mir ein älterer Macho doch auf die Pelle und berührt mich mehrfach versehentlich. So zittrig ist er noch nicht auf dem Sitz, dass er immer wieder in meine Richtung greift. Das kann für mich Alleinreisende ja noch heiter werden. Einmal umsteigen bitte, dann bin ich den Herren auch endlich los. Von Tunja kommend muss man einige Berge überqueren bis sich einem der  idyllische Ort erschließt. Der weiße Ort lässt erst einmal Schnee vermuten. Weiß sind allenfalls die Häuser, die an Andalusien erinnern. Erstrahlt war dieser Ort die letzten Tage noch mehr. Die Fiesta de Luces ist gerade zu Ende gegangen und die Stadt ist immer noch etwas aufgewühlt. Liegt wohl an den Weihnachtsvorbereitungen. Der ganze Ort wird geschmückt, obwohl er sowieso ein Schmuckwerk ist. Viele kleine Kolonialhäuser in weiße Farbe getüncht, große grün gestrichene Tore und Fenster geschmückt mit Blumen. Nicht zu sprechen von den Hinterhöfen, in denen sich immer üppig bewachsene Gärten befinden. Der Plaza Mayor vermittelt eine besondere Stimmung, dient er häufig als Kulisse von Filmen. Auch heute ist ein Drehteam am Start. Die vorweihnachtliche Stimmung soll wohl auch das Portmonai der vermietenden Zunft füllen. Ich buche mich am Plaza Mayor ein – in ein sehr gut aussehendes Hotel für 40.000 Pesos. Dies scheint mir genug Ruhe und Erholung zu versprechen. So schön die Patios und Zimmer im Hotel sind, so viel Leere und Einsamkeit drücken sie gleichzeitig aus. Ein Tag soll reichen, um wieder auf den Damm zu kommen. Denke ich, doch falsch gedacht. Leider ist auch der nächste Tag nicht wesentlich besser. Doch um mein eigenes Portmonai zu schonen, wechsle ich in eine preisgünstigere Variante an dem, was Villa de Leyva an touristischer Infrastruktur zu bieten hat. In dieser Unterkunft bin ich zwar ebenso der einzige Gast, aber lebe fast 2/3 billiger als am Vortag. Im Gegenzug verzichte ich auf Tageslicht, eigenes Bad und abschließbarer Tür. Damit kann ich leben. Gestern war Europa, heute ist Kolumbien – welcome to the third world.

Aber zu meiner Überraschung bekam ich noch eine Modenschau in Villa de Leyva zu Gesicht. Heidi hätte zwar gnadenlos ausgemustert, was Laufstil und Beinlänge betrifft, aber die Mädels hatten Spaß. Und witzig finde ich auch noch die gewisse Campingkultur, die es hier zu geben scheint. Und nun geht es gen Norden – von Tunja nach San Gil. Nach 6,5 h Stunden erreiche ich die ebenso in den Bergen gelegene Stadt. Die Fahrt dahin ist schon sehr beeindruckend. Selbst die Kolumbianer kommen nicht aus dem Staunen. Die Natur wird streckenweise tropischer und man sieht in tiefe Talhänge hinab. Und direkt an einem Anstieg liegt nun mein Hostel. Dieser Backpackerstützpunkt scheint anders als in Bogotá die gechillten Reisenden zu beherbergen. So gibt es in diesem Hostel zwei Beschäftigungen, denen man frönt – stumm am Laptop sitzen oder in einem der stickigen Dorms ruhen. Um mich herum Muhen und Mähen – Farmville hat es bis hierher geschafft, während meine Farm zuhause verloddert, blüht so manch eine Farm unter der kolumbianischen Sonne erst richtig auf. Sollte ich ein schlechtes Gewissen bekommen? Oder unterstreicht dieses Setting hier die Absurdität der Freizeitbeschäftigungen gelangweilter Westeuropäer und Amerikaner? Dies hier ist nicht der beste Platz, um mit anderen Reisenden ins Gespräch zu kommen, allenfalls beim Zubereiten des Abendessens, aber ein bisschen mehr Ruhe tut mir noch immer besser als ein bisschen mehr an Unruhe.

1 Kommentare

  1. Ninette Brückner sagt

    Da scheine ich ja während meiner Kolumbienreise echt etwas verpasst zu haben. Klingt ja sehr vielversprechend.

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