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Zehn Tage in Nordkorea

Nordkorea

Du warst kürzlich für zehn Tage in Nordkorea. Wie kam es denn dazu?

Michael: Dieser weiße Fleck auf der Landkarte hat mich schon seit langem fasziniert. Das wohl abgeschotteste Land der Welt, das man gemeinhin nur mit negativen Nachrichten verbindet, übte da seinen ganz eigenen Reiz aus. Ich habe schon eine Weile lang online Reiseberichte und Fotoalben verfolgt und wurde immer neugieriger. Allzu kompliziert dort hinzukommen schien es ja dann doch nicht zu sein. Letztendlich beschloss ich dann, mir dieses Jahr im August mal selbst ein Bild davon zu machen.

Wie kommt man denn da überhaupt rein? Und wie schwierig ist es erstmal ein Visum zu bekommen?

Michael: Das geht überraschend einfach. Man bucht über eine spezialisierte Reiseagentur eine geführte Rundreise, und sobald der Antrag darauf von KITC (der dortigen Tourismusbehörde) genehmigt ist, kann man mit der Bestätigung ganz einfach bei der Botschaft in Berlin antanzen und sein Visum abholen. Das hat bei mir gerade mal 20 Minuten gedauert. Ich bin da mit Pyongyang Travel aus Berlin sehr gut gefahren.

Eine geführte Rundreise? Als Individualreisender hat man da keine Chance?

Michael: Nein, im Grunde sind fast alle touristischen Reisen im Land Gruppenreisen. Möchte man wirklich alleine, als Paar oder in einer eigenen, kleinen Gruppe reisen, ist dies aber auch möglich – nur entsprechend teurer. Jedenfalls hat man stets zwei Guides der KITC (Korea International Tourist Company) an seiner Seite. Das klingt erstmal etwas befremdlich, ist aber halb so wild – und das sage ich als einer, der bislang noch nie eine Gruppenreise gemacht hat. Im Grunde bucht man ein All-inclusive-Paket, das sämtliche Transfers, Übernachtung, Vollpension, Eintrittsgelder, etc. enthält. Vereinzelt sind noch ein paar Euro extra nötig für zusätzlich angebotene Attraktionen wie etwa die Fahrt hoch auf den Juche-Turm, den Eintrittspreis in den Vergnügungspark und natürlich für zusätzliche Getränke oder Souvenirs.

Nochmal zurück zu den Guides: Sind das letztendlich nicht einfach nur Aufpasser, die einen unter Umständen noch einer Gehirnwäsche unterziehen?

Michael: Keinesfalls. Ich kann natürlich nur für unsere beiden sprechen, die sehr umgänglich und nett waren. Ich hatte mir das eigentlich etwas strenger vorgestellt. Natürlich gibt es eine Liste an Orten bzw. Stätten, die ausländische Besucher besuchen dürfen – und solche, wo das eben nicht geht. Das Tagesprogramm ist ohnehin straff durchorganisiert: Man wird von früh morgens bis spät abends herumkutschiert und bekommt viel zu sehen. Gelegentlich war es aber auch möglich, in Abstimmung mit den Guides, einige Ausreißer unterzubringen, so z.B. mal einen begleiteten Spaziergang von A nach B zu unternehmen anstatt mit dem Bus zu fahren, um etwas mehr vom Alltagsleben mitzubekommen. Die waren da überraschend flexibel. Letztendlich ist es aber auch die Aufgabe der Guides, dafür zu sorgen, dass sich jeder an gewisse Regeln hält.

Die da wären?

Michael: Darunter fällt beispielsweise das Verbot militärisches Personal oder Objekte zu fotografieren. Es wird auch nicht gern gesehen, wenn man ungefragt Passanten oder die arbeitende Bevölkerung ablichtet. Aber das ist ja woanders auch nicht anders. Davon abgesehen herrscht aber relativ viel fotografische Freiheit. Sich außerhalb des Hotels eigenständig frei zu bewegen, fällt aber flach. Und der Kleiderordnung sollte man ebenso Folge leisten: Beim Besuch des Mausoleums sind bei Männern etwa lange Hosen und Hemd mit Krawatte bzw. ein anständiges Kleid oder Kostüm bei Frauen angesagt. Auch bei den Großmonumenten der Kims sollte man nicht in Shorts und Sandalen aufkreuzen – und sie keinesfalls einfach nur als „die Kims“ bezeichnen. Darüber hinaus behält man seine politischen Ansichten während des Aufenthaltes am besten für sich und vermeidet Fragen dieser Art oder gar Kritik am System. Das sind ein paar simple Regeln, die es zu befolgen auch gar nicht so schwierig ist. Letztendlich sollte man sich bewusst sein, dass es vor allem den Reiseleitern Schwierigkeiten einbringen kann, wenn sich jemand daneben benimmt. Und dann gegebenenfalls die ganze Gruppe darunter leidet, wenn das Programm gekürzt wird. Davon abgesehen kann man, wenn man etwas Fingerspitzengefühl mit sich bringt und den Leuten mit Respekt begegnet, sehr interessante Gespräche führen und auf diesem Weg etwas mehr über die alltägliche Lebenssituation der Menschen in Erfahrung bringen.

Kommt man denn mit Einheimischen überhaupt in Kontakt? Oder beschränkt sich das auf die Guides und das Hotelpersonal?

Michael: Vor wenigen Jahren war es der Bevölkerung noch strikt untersagt, sich mit Touristen zu unterhalten. Das scheint sich zumindest gelockert zu haben. Was genau die konkreten Vorschriften hierzu sind, konnte ich aber nicht in Erfahrung bringen. Jedenfalls gab es des Öfteren die Möglichkeit, mit Einheimischen ein paar Worte zu wechseln. Oft scheitert das dann aber an der Sprachbarriere oder bleibt beim kurzen Blickkontakt und einem kurzen Lächeln oder zaghaftem Winken. Es gab aber auch Situationen, in denen Passanten ganz klar den Kopf wegdrehten oder einem offensichtlich aus dem Weg gingen, sobald man bemerkt wurde. Das zu deuten, bleibt jedem selbst überlassen. Es mag an der zurückhaltenden Mentalität der Koreaner liegen oder aber auch schlichtweg an einer gewissen Einschüchterung. Viele Fragen, die ich mir stellte, blieben offen. So zum Beispiel die Frage, was die Leute wirklich wissen, denken oder zumindest ahnen. Dafür sprechen aber überraschend viele Leute ganz passabel Englisch oder auch Deutsch.

Tatsächlich?

Michael: Ja. Auf Bildung wird wohl viel Wert gelegt. Und damit meine ich beileibe nicht nur die politische Indoktrinierung. Ich gewann den Eindruck, dass viele auf eine bestimmte Disziplin getrimmt werden, die sie diese dann bis zur Vollendung perfektionieren – sei es im Sport, der Akrobatik, Musik, einer Wissenschaft oder eben einer Fremdsprache. Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass eben mindestens genauso große Teile der Bevölkerung niemals in diesen Genuss kommen würden. Auch hier blieben viele Fragen offen. Beim Besuch der Großen Studienhalle des Volkes platzten wir mehr oder weniger zufällig in ein Klassenzimmer von Deutschstudenten und bekamen sogar die Möglichkeit, uns für eine Viertelstunde in Einzelgesprächen auszutauschen. Das war ein sehr bewegendes Erlebnis. Neben der Möglichkeit, sich unbeaufsichtigt in seiner Muttersprache mit nordkoreanischen Studenten zu unterhalten, faszinierte mich vor allem das hohe Niveau der Sprachkenntnisse. Lehr- und Wörterbücher stammen übrigens nicht, wie man vielleicht meinen könnte, aus alten DDR-Beständen oder Eigenproduktion, sondern sind in der neuesten Auflage von renommierten Verlagshäusern verfügbar. Eine weitere Möglichkeit zur Kontaktaufnahme bot sich dann am 15. August, dem Tag der nationalen Befreiung, der sich diesen Sommer zum siebzigsten Mal jährte und an dem die Unabhängigkeit von Japan (Ende des zweiten Weltkriegs) gefeiert wird. Eigentlich hätte am zentralen Kim-Il-Sung-Platz eine große Militärparade stattfinden sollen. Zu dieser kam es dann aber nicht. Stattdessen gab es mehr oder weniger kurzfristig ein großes Tanzfestival mit Panoramafeuerwerk an selber Stelle. Etwa 20.000 Akteure übten sich im farbenfrohen Formationstanz, bis dann plötzlich – und ebenso überraschend – die ausländischen Gäste eingeladen wurden, sich unters Volk zu mischen. Es herrschte eine fröhliche, ausgelassene Stimmung und eben dort bot sich einmal mehr die Gelegenheit, etwas Smalltalk auf Englisch zu betreiben. Die Tanzgruppen bestanden allesamt aus Studentinnen und Studenten der hiesigen Universitäten.

Was bekommt man denn auf der Tour sonst noch so zu sehen? Welche Sehenswürdigkeiten gibt es denn da überhaupt?

Michael: Die Hauptstadt Pjöngjang ist jedenfalls der Dreh- und Angelpunkt einer jeden Tour, wo sich auch die meisten Attraktionen befinden. Wenn man mehr als nur 3-4 Tage bleibt, kommt man auch mal raus aufs Land und in andere Städte, was ich unbedingt empfehlen würde. Der Kumsusan-Sonnenpalast (Mausoleum von Kim Il Sung und Kim Jong Il) sowie die Mansudae-Großmonumente (20m hohe Bronzestatuen der beiden) gehören ebenso zum Standardprogramm wie etwa das Museum des Großen Vaterländischen Befreiungskriegs (Korea-Krieg). Vom Juche-Turm aus, dem nach der Juche-Ideologie („dschu-tsche“ ausgesprochen) benannten Fackelturm, hat man bei klarem Wetter einen schönen Panoramablick auf die Stadt. Neben zahlreichen weiteren Monumenten und Bauwerken hat man auch die Gelegenheit, diverse kulturelle Veranstaltungen zu besuchen oder an Freizeitaktivitäten teilzunehmen. So besuchten wir etwa den Akrobatikzirkus, der mich heute noch in Staunen versetzt. Vergleichsweise profaner hingegen die Bowlingbahn, wo es kurzzeitig einen Stromausfall gab und dank Notstromaggregats nur die allgegenwärtigen Führerportraits erleuchtet blieben. Dann gibt es noch den Kaeson Youth Park, ein Vergnügungspark mit abenteuerlichen Fahrgeschäften und einer menschenleeren Hamburgerbraterei im amerikanischen Stil. Da unsere Tour eine dedizierte Fußballreise war, besuchten wir auch die Pyongyang School of Football, ein Sportinternat für talentierte Nachwuchskicker. Zum Abschluss unseres Besuches wurde auch die Gelegenheit zu einem internationalen Freundschaftsspiel nicht ausgelassen. Gegen die U13 musste sich unsere Reisegruppe nach nur 2 x 15 Minuten mit 1:7 geschlagen geben. Es lag wohl am ungewohnten Kunstrasen und der feuchtheißen Witterung… Darüberhinaus führte uns der Weg auch in die vier wichtigsten Stadien (samt Führung hinter die Kulissen und Eintrag ins Goldene Buch) und wir konnten sogar drei Partien in zweien davon beiwohnen. Darunter das 1.Mai-Stadion, das mit angeblich 150.000 Plätzen als das größte der Welt gilt. Leider fanden sich neben uns nur etwa weitere 1500 Zuschauer ein, was der guten Laune aber keinen Abbruch tat. Standesgemäß wurden wir auf der Ehrentribüne mit kühlem Flaschenbier der Marke Taedonggang versorgt, das im Übrigen jedes südkoreanische oder chinesische Bier in den Schatten stellt. Gelegentlich findet man dann auch noch Ponghak, das mir persönlich sogar noch besser mundete. Unerreicht bleibt aber der vorzügliche Gerstensaft, der in der Hausbrauerei des Koryo Hotels kredenzt wird: Wahlweise als Yellow Bier (Helles) oder Black Beer (Dunkles) zu 2 Euro für den halben Liter.

Genug der Bierkunde. Nochmal zurück zu den Ausflügen aufs Land. Inwiefern unterscheidet sich der Rest des Landes von der Hauptstadt? Merkt man da was von der Mangelwirtschaft oder den häufig berichteten Hungersnöten?

Michael: Vorab sei bemerkt, dass wohl kein Nordkoreaner unter Übergewicht leidet. Auch ältere Menschen sieht man ganz selten. Die Tatsache, dass man keine Steuern zahlt, mietfrei wohnt, jeder Arbeit und Zugang zu Bildung hat und zudem in den Genuss einer Grundversorgung in Form einer monatlichen Lebensmittelration (bestehend aus Reis, Gemüse und Speiseöl) kommt, mag zunächst wie das sozialistische Paradies klingen. Zum einen soll man wohl ohnehin nur die Schokoladenseiten des Landes zu sehen bekommen, zum anderen bleibt es nicht aus, dass man insbesondere auf Überlandfahrten auch einen Blick „hinter die Kulissen“ erhaschen kann. Baustellen und Straßenbau beispielsweise erinnern häufig an weitaus unterentwickeltere Länder. Traditionelle, einstöckige Häuser koreanischer Bauweise sieht man meist nur noch in den Dörfern, und auch in den Städten weichen diese immer mehr den modernen Plattenbauten, die zumindest von außen meist gepflegt erscheinen und farbenfroh gestrichen sind. Wie es in diesen allerdings mit Strom- und Wasserversorgung aussieht, blieb mir verborgen. So gab es etwa einmal im besten Haus der Stadt, dem Touristenhotel im Myohyang-Gebirge, nur morgens zwischen 8 und 10 Uhr fließend Warmwasser. Bei einer Fahrt übers Land auf einer der Fernstraßen merkt man schnell wie dünn das Land außerhalb der Städte besiedelt ist. Die Autobahnen sind mitunter acht Spuren breit, weisen aber meist keine Fahrbahnmarkierungen auf, was auch nicht nötig ist: Außer Touristenbusse und Militärfahrzeuge trifft man hier meilenweit nur Fußgänger und Radfahrer an. Der Zustand der Straßen variiert von ganz ordentlich bis Buckelpiste. Privatfahrzeuge gibt es nicht, und während in Pjöngjang Lkw der Staatsbetriebe, öffentliche Oberleitungsbusse und Luxuslimousinen der Parteifunktionäre für etwas Großstadtfeeling auf den Straßen sorgen, bleibt es auf dem Land ziemlich ruhig. Die Landschaft ist abwechslungsreich und meist hügelig, und trotz der diesen Sommer anhaltenden Dürreperiode überraschend grün. Sofern ich das erkennen konnte, wird hauptsächlich Mais, Reis und Kohl angebaut. Unsere Exkursionen führten uns in die Hafenstadt Nampo und dem nahegelegenen Westmeerstaudamm, in die Industriestadt Kaesong nahe der DMZ (demilitarisierte Zone), zur innerkoreanischen Grenze in Panmunjom, in die „Stadt der Wissenschaft“ Pyongsong, sowie in das bereits erwähnte Myohyang-Gebirge, wo es neben der Songnam-Grotte (Tropfsteinhöhle) und dem buddhistischen Tempel Pohyon auch die Internationale Freundschaftsausstellung zu bestaunen gibt. Letzteres kann getrost als einer der Höhepunkte der Reise bezeichnet werden: Ein megalomanischer Museumskomplex, der unzählige Geschenke an die politische Führung beherbergt – von einer Iljuschin 14 über gepanzerte Eisenbahnwaggons und Staatskarossen bis hin zu riesigen Vasen, Bärenfellen, vergoldeten Schusswaffen und einem nicht unbeträchtlichen Anteil an Geschmacklosigkeiten aus Elfenbein und Krokodilleder. Ziemlich irre. Begeistert hat mich auch die Fahrt mit der U-Bahn, die 100 Meter unter der Erde verkehrt und damit als tiefstes Metronetz der Welt gilt. Die heute verkehrenden Wagen stammen allesamt aus Berlin – sowohl aus dem Ost- als auch dem Westteil der Stadt. Es gibt zwei sich kreuzende Linien, und wir konnten insgesamt fünf Stationen abfahren. Dabei haben wir drei Bahnhöfe besichtigt, die allesamt ziemlich prunkvoll waren. So etwa im Moskauer Stil. Auch hier dürfen Statuen und Wandgemälde der großen Führer nicht fehlen.

Wie sah es denn mit eurer Verpflegung aus? Was kommt denn so auf den Tisch?

Michael: Als Tourist mangelt es einem an nichts. Man wird förmlich umsorgt und bewirtet wie ein Staatsgast. Untergebracht waren wir im Koryo Hotel im Stadtzentrum nahe des Bahnhofs. Es gibt wohl nur drei Touristenhotels in Pjöngjang, dort mangelt es aber an gar nichts (außer Internet). Angefangen vom reichhaltigen Frühstücksbuffet im Hotel, wo es neben asiatischen Köstlichkeiten auch getoastetes Brot, Marmelade und Spiegeleier für die weniger Experimentierfreudigen gab, bis hin zu diversen Bars und Teestuben. Zu den Hauptmahlzeiten wurden die Tische regelmäßig mit zahlreichen Schälchen und Tellern unterschiedlichen Inhalts überladen. Da ist eigentlich für jeden etwas dabei. Und es war immer etwas zu viel. Neben koreanischen Klassikern wie Bibimbap und kalten Nudeln mundete mir vor allem der gegrillte Tintenfisch. Vegetarier haben es auch hier nicht immer leicht: Während es in der Regel an fleischlosen Leckereien nicht mangelte, wurde das Konzept nicht überall verstanden. Mir hat’s jedenfalls geschmeckt. Nur auf die Hundesuppe hätte ich verzichten können.

Hundesuppe? Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?

Michael: Doch. Die wurde einem aber nicht einfach untergejubelt, keine Sorge. In einem Lokal in Kaesong gab es die Option für fünf Euro diese lokale Spezialität einmal zu kosten. Da sagte ich nicht nein: Alleine schon, um auch mitreden zu können. Das Fleisch an sich war ganz okay, geschmacklich irgendwo zwischen Rind und Wild anzusiedeln. Die Brühe allerdings war sehr ölig und für meinen Gaumen nicht wirklich genießbar. Aber das ist wohl Geschmackssache.

Puh, lass uns schnell mal das Thema wechseln. Du hattest ja schon von dieser Tanzveranstaltung berichtet. Welche Musik hört man denn in Nordkorea?

Michael: Neben traditioneller Volksmusik und Militärmärschen ist die Musikszene, wenn man es so nennen mag, von Kampfliedern im Pop- und Schlagerstil geprägt. Das kann man sich dann, wenn man mal vor Ort ist, täglich im Staatsfernsehen reinziehen, wo ich beim Reinzappen neben den Abendnachrichten nie etwas anderes als derlei Tanz- und Musikshows zu sehen bekam. Ansonsten einfach mal nach Moranbong Band googlen. Damit wird man dann spätestens beim Hinflug mit Air Koryo konfrontiert. Zugang zu ausländischer Musik (oder auch Filmen) gibt es quasi nicht – mit Ausnahme einer beschränkten Auswahl an Volksmusiktiteln in der CD-Bibliothek der Großen Studienhalle des Volkes.

Das macht das Laibach-Konzert, das du besuchen konntest, ja noch eine Spur spektakulärer.

Michael: Unbedingt. Ich hatte die Reise bereits gebucht, als ich erfuhr, dass mit dem slowenischen Künstlerkollektiv namens Laibach die erste westliche Rockband in Pjöngjang auftreten sollte. Ausgerechnet eine Band, die bereits in der europäischen Heimat durch ihre Provokationen polarisiert und einen musikalischen Stil pflegt, der auch hierzulande für viele schwer verdaulich ist. Wie kommt es dazu? Und kann das gut gehen? Jedenfalls wollte ich unbedingt dabei sein. Ob unsere Gruppe auf die Gästeliste kommen würde, war bis zuletzt unklar. Drei Tage vor dem Gig trafen wir Band und Betreuer zufällig beim Sightseeing und konnten Fotos machen und ein paar Worte wechseln. Demnach hatte die Band selbst keinen Einfluss darauf, wer zum Konzert zugelassen würde und wer nicht. Am Abend des Auftritts fanden wir uns schließlich vor dem 1500 Zuschauer fassenden Ponghwa-Theater ein, und nach einigen Hin und Her wurde uns Einlass gewährt. Bingo! In touristischer Freizeitkleidung fanden wir uns inmitten von verdienten Parteikadern und diplomatischen Exzellenzen der in Nordkorea vertretenen Nationen wieder. Alle in Abendgarderobe. Es blieb sogar noch Zeit für einen kurzen Plausch mit dem deutschen Botschafter. Das Konzert selbst? Zusammen mit dem Ambiente einer Opernaufführung, der Videoinstallationen, und der koreanischen Übersetzung der Texte auf einer LED-Anzeigetafel über der Bühne ist „surreal“ wohl die treffendste Bezeichnung. Ich bin froh, bei diesem historischen Ereignis dabei gewesen zu sein. Es sollte aber nicht das einzige bleiben…

Und zwar?

Michael: Erst wenige Wochen zuvor wurde beschlossen, zum Tag der Befreiung, also am 15. August, eine neue Zeitzone einzuführen, um sich endgültig von einem weiteren Joch der Japaner zu befreien, nämlich derselben Zeitzone. Um ein Uhr nachts wurden also alle Uhren des Landes auf 0:30 Uhr zurückgedreht, sodass man sich ab sofort nur noch eine halbe Stunde vor China und eine halbe Stunde hinter Japan und Südkorea befindet. Ein sehr emotionaler Moment für die Menschen hier.

Nochmal ein paar Fragen zur Logistik bzw. zu praktischen Reisetipps. Wie streng sind denn etwa die Zoll- oder Aus- und Einreisekontrollen? Was darf bzw. sollte man mitnehmen und was lieber nicht?

Michael: Verzichten sollte man auf die Einfuhr von politischen und religiösen Publikationen sowie allem mit einem Bezug zu Korea, einschließlich Reiseführern. Laptops, Tablets und Smartphones sind mittlerweile erlaubt, bringen einem aber nicht viel. Zugang zum Internet oder Einwahl ins Telefonnetz sind schlichtweg nicht möglich. Auch hier ist es üblich, dass Dateiordner oder Fotoalben durchgesehen werden – mal mehr, mal weniger. Dabei gestaltete sich meine Einreise über den Flughafen wesentlich unkomplizierter als die Ausreise mit der Eisenbahn: Dort werden von allen Fahrgästen die Pässe eingesammelt und eben der ganze Zug durchsucht, während man auf der anderen Seite des Flusses schon die Skyline des chinesischen Grenzortes Dandong sieht. Das Ganze zog sich über etwas mehr als drei Stunden hin. Die Guides freuen sich über kleine Mitbringsel aus der Heimat: Süßigkeiten, Schokolade, Hygieneartikel sowie Alkohol und Zigaretten westlicher Produktion kommen immer gut an. Unbedingt ausreichend Bargeld in kleinen Scheinen und Münzen mitbringen. Ausländer müssen alles in Euro, US-Dollar oder chinesischen Yuan bezahlen. Eine Kreditkarte bringt gar nichts und Geldwechselmöglichkeiten gibt es ebenso wenig. Der Besitz von nordkoreanischen Won ist für Besucher illegal. Sollte man was vergessen haben, findet man Dinge des alltäglichen Bedarfs mit etwas Glück im Hotelshop. Dort – und in vergleichbaren Touristenläden – mangelt es nicht an westlicher Importware zu entsprechenden Preisen. Aber auch dort finden sich nordkoreanische Produkte, die mir wesentlich interessanter erschienen. Softdrinks einheimischer Produktion schmecken nicht schlechter als die Eigenmarken deutscher Supermarktketten. Beim Knabberzeug muss man einfach mal probieren, was einem zusagt. Raucher und Schnapstrinker dürften sich aufgrund der niedrigen Preise im siebten Himmel fühlen. Die Preise für Souvenirs reichen von günstig bis überteuert. Beliebte Artikel sind politische Schriften, Bildbände, Briefmarkenalben, Anstecknadeln und Poster. Telefonate lassen sich vom Hotel für zwei Euro pro Minute führen, und Postkarten kann man für etwas mehr als einen Euro verschicken. Bin gespannt, wann meine mal ankommen. Ah ja, und man ist nicht völlig vom Rest der Welt abgeschnitten: Auf dem Hotelzimmer kann man zumindest ausländische Nachrichtensender wie BBC World empfangen.

Danke für das Gespräch, deine Tipps und die Schilderung einer wohl einmaligen Reise.

Michael: Sehr gerne. Einmalige Reise? Das dachte ich zunächst auch. Aber ich kann mir gut vorstellen, in geraumer Zeit einmal wieder hinzureisen. Alleine schon aus Neugier, um zu sehen wie sich das Land und die Situation weiterentwickelt.

Mehr zu Michaels Reisen findet Ihr unter Michaels Soccer World

4 Kommentare

    • Michael sagt

      Danke. Hab mir eben mal deine Bilder angeschaut und muss sagen, dass das die mit Abstand besten Fotos aus Nordkorea sind, die ich je gesehen habe. Großartig.

  1. Tolles Interview mit vielen interessanten Infos zu einem Land von dem man außer Propaganda Videos immer recht wenig zu sehen/hören bekommt. War mit Sicherheit eine einmalige Erfahrung!

    Schöne Fotos übrigens auf beiden Seiten!

    Viele Grüße
    Mathias – underwaygs.com

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