Gelbe Mopeds, die an asiatische Tuk Tuks erinnern, mischen sich in das sonst so einsame Straßenbild der RN7. Sie sind das erste Anzeichen, dass wir uns einer Stadt nähern. Kurz hinter dem Ortseingang von Ambalavao halten wir. Lantu verschwindet in einem einstöckigen Haus mit farbiger Bemalung, um uns kurz darauf zu sich zu winken. Hier steht schon eine Frau vor einem ausgebreiteten Tuch, auf dem sich viele kleine Kokons befinden. Diese sind die Essenz für die zahlreichen Seidenprodukte, die im Hinterhof von Soalandy hergestellt werden.
Papierherstellung in Madagaskar – eine alte Tradition
Etwas weiter im Ortszentrum wird auf dem Gelände der Bougainville ein Produkt aus der Rinde des Maulbeerbaums gewonnen. Es handelt sich dabei um die Papierherstellung, die die Antaimoro als erstes Volk Madagaskars von den arabischen Einwanderern erlernten, genauso wie auch das Schreiben und Lesen. Besonders hübsch sind die eingearbeiteten Blüten, die das Papier veredeln, so das man dieses auch als Grußkarte verwenden kann.
In den Straßen von Ambalavao
Nachdem wir die Papierwerkstatt verlassen, finden wir uns schnell in den wuseligen Straßen des beschaulichen Ortes Ambalavao wieder. Zwischen den Mopeds und Menschen rennen immer wieder Pousse Pousse an uns vorbei. Aus kleinen Bretterbuden, die sich vor den Läden befinden, tönt Musik. Selten habe ich bisher einen madagassichen Ort mit so viel Rhythmus vernommen, der mich tatsächlich endlich wieder direkt nach Afrika katapultiert. Doch hinsichtlich der Hochlandarchitektur bleibt sich Ambalavao treu. Schöne zweistöckige Häuser aus Backstein und mit bröckelnder Farbfassade schmiegen sich an die zwei Hauptadern der Stadt,
Unser Blick richtet sich immer wieder nach oben zu den Balkonen, die mir ein bisschen die Melancholie Kubas zurückbringen. Die besseren Zeiten des Ortes lassen sich schnell erahnen. Umso mehr schmerzt der Anblick, der mit so viel Historie und Anmut verbunden ist.
Markttag in Ambalavao
Am nächsten Morgen füllen sich die Straßen. Händler aus Fianarantsoa und der Umgebung breiten ihre Waren auf Decken und an Holzständen aus. Es ist ein Farbspiel, das typisch madagassisch in Ruhe abläuft. Haufen voller Minifische liegen neben zu Türmchen drapiertem Gemüse. Alles leuchtet saftig und frisch. Auf einer Freifläche sind Holzgestelle aneinandergereiht, an denen Second Hand Klamotten hängen. Schuhe werden noch einmal poliert, um sie an den Käufer zu bringen. Hunderte von Miniöllämpchen aus Büchsen kreiert liegen auf einer Matte. Daneben befinden sich Mausefallen. Ich bin völlig fasziniert von der Vielfalt der kleinen Dinge, die im normalen Alltag kaum Beachtung finden. Ein Foto von Gegenständen? Kein Problem. Auch die Menschen lächeln in die Kamera, die ich zunächst nur zögerlich einsetze. Dann kommt ein Polizist und weist uns darauf hin, dass nicht unsere Kamera ein Problem sei, aber unsere Umhängetaschen – wir sollen darauf achten.
Der Viehmarkt von Ambalavao
Wir verlassen das Verkaufsareal über eine Straße, in der Matten und Körbe verkauft werden, um dann ein Stück hinaus aus der Stadt zu fahren. Den Ort, an dem jede Woche am Mittwoch und Donnerstag mit Zebus gehandelt wird, kann man nicht verfehlen. Man folgt einfach den Hirten, die ihre Zebus aus dem Umland auf die Anhöhe vor Ambalavao treiben. Kaum kommen wir zum Halten, steht auch schon Sarah vor mir. Sie beugt sich mit ihrem Bruder tief in unseren Kofferraum, aus dem ich ein paar Aufkleber hole. Diese teilt sie geschwisterlich fair, um mich dann auf Schritt und Tritt zu begleiten. Haarreifen, Haargummis, Spangen stehen hoch im Kurs, doch mit allem kann ich leider nicht dienen. Die Geschwister lassen erst kurz von mir ab und erklimmen einen Zaun, als zwei wild gewordene Zebus auf uns zu rennen. Ich stehe auf dem Hügel inmitten der Hirten, die ihre Geschäfte abwickeln. Etwas später wird uns Lantu erklären, dass aktuell Chinesen immer häufiger die Zebus aufkaufen. In seinem Szenario wird es in wenigen Jahren keine Zebus mehr auf Madagaskar geben. Bereits heute sind es schon viel weniger als einst, betont er. Ich finde dennoch, dass sich vor der herrlichen Kulisse der Granitfelsen viele eingefunden haben.
Das Community Reserve Anja – von Granitfelsen, Kattas und Chamäleons
Ein Stück weiter Richtung Tulear liegt mit dem Anja Park ein Community Projekt, das einen Besuch lohnt. Zwischen mächtigen Granitfelsen, die die Landschaft um Ambavalao prägen, liegt ein ca. 8 ha großes Waldgebiet, das von den Bewohnern einer nahen Gemeinde geschützt wird. Hier leben Kattas, Larvensifakas, Chamäleons und viele andere Tierarten. Die Bedrohung rührte einst von den Dorfbewohnern selbst, als sie für ihre Felder Wälder abholzten und manchmal auch Lemuren töteten. Doch dann begann Adrian, der uns durch den Park führt, vor knapp 20 Jahren der Bevölkerung Alternativen aufzuzeigen, und diese lagen in einer veränderten Anbauart des Reises. Um diese weiter zu lehren, bedurfte es Geld. Dieses wollte er aus dem geschützten Gebiet herausholen. Doch wo keine Lemuren sind, kommen auch keine Touristen hin. Die Bevölkerung zog mit am Strang und so erfreut sich der Anja Park heute wieder einer steigenden Population an Lemuren – die sich von 120 auf knapp 800 erhöht hat. Feigenbäume werden angebaut, damit auch jeder Lemur seine Nahrung findet. Die Kattas sehen in den Menschen keine Bedrohung – und so kommen sie ziemlich nah. Sie spielen nur 1 m vor mir am Rand des kleinen Sees, der voller Lotusblüten geschmückt ist.
Auch Krokodile soll es hier geben, doch stattdessen zeigt sich eine Schlange und ein paar Meter weiter liegt eine 2,5 m große Boa im Gestrüpp. Auf einem Blatt ruht sich ein Chamäleon aus, wir werden noch einige auf unserem Rundweg Coline Amboalady sehen. Wir wandern durch den schattenspendenen Wald zu den Granitfelsen, in denen sich auf Gräber befinden. Die Felsen dienen auch den Kattas als Schutz vor Raubvögeln, Boas und dem Regen. Hierhin ziehen sie sich gern nachts zurück. Wir klettern, kaum haben wir die Felsen erreicht, nur noch über die Steine und Geröll. Sie sind nicht rutschig, aber dennoch muss man behutsam seine Schritte setzen. Einmal oben angekommen, breitet sich unter uns die Weite der afrikanischen Savanne aus, die von der von mächtigen Granitfelsen gerahmt wird. Kein Schattenplatz, der uns Schutz bieten könnte. So sitzen wir minutenlang in der prallen Sonne nur die Aussicht genießend. Das Farbspiel Madagaskars bekommt hier in der Schlucht einen besonderen Rahmen, aus dem wir schon in einer Stunde heraustreten werden. Das Bild des wunderschönen Teil Madagaskars lassen wir zurück und begeben uns in unwirtlichere Gegenden.
Was man sonst noch wissen sollte?
in Ambalavao
- Wochenmarkt: Mittwoch und Samstag in den Straßen von Ambalavao
- Zebumarkt: vor dem Ort Richtung Tulear: immer Mittwoch und Donnerstag
- Soalandy: am Ortseingang von Fiaran kommend Showroom mit Verkauf von Seidenprodukten aus Maulbeerbaum
- Bougainvilles: Papierherstellung erklärt mit kleinem Verkaufsladen, Übernachtungsmöglichkeiten und Restaurant
ANJA Park (ca. 12 km entfernt Richtung Tulear)
Tour Coline Amboalady (3 Stunden)
Guide: Adrian (deutschsprachig)
NP-Gebühr: 12.000 Ariary
Guide: 60.000 Ariary
Lodge: La Varangue Betsileo (4km hinter Ambalavao)
Preis: 140.000 Übernachtung in Cottage
Der Anja Nationalpark ist ein Naturschutzprojekt, das von der örtlichen Bevölkerung ins Leben gerufen wurde und liebevoll von den ansässigen Dorfbewohnern in Eigeninitiative mit großem Engagement betrieben wird. Ein Projekt, dass man unbedingt unterstützen sollte!
Die Geschichte mit der Papierherstellung finde ich sehr spannend. Weißt du da zufällig noch mehr drüber? Und so schönes Papier! Aber überhaupt: Sehr schöne Eindrücke aus einem mir noch völlig unbekannten Ort. Liebe Grüße! Anna