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Go West – auf der Avenue of the Baobabs und zwischen Lemuren

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Auf der Straße ist viel los. Anstatt Autos und LKWs sind es jedoch Fußgänger, die morgens um 7 Uhr auf der Hauptachse Madgaskars, dem Highway Nummer RN 7, unterwegs sind. Der Weg schmiegt sich an die Hügel, die die Landschaft südlich von Antananarivo prägen. In Antsirabe legen wir 3,5 Stunden nachdem wir in der Hauptstadt gestartet waren einen Stopp ein. Wir wollen unterwegs Picknick machen, schlägt Fanal vor. Denn auf dem Weg nach Morondava gäbe es kaum Gelegenheit, „gut“ zu essen. Mit „gut“ meint er die an Touristen gewöhnte Küche der Restaurants und nicht die für Einheimische Geschmäcker gedachten Hotelys. Das verrät er uns aber erst später. Also kaufen wir in einem kleinen Supermarkt noch ein paar Lebensmittel ein, bevor wir auf die RN34 abbiegen.

Auf dem Weg nach Miandrivazo

Die aufgewellte Landschaft ist vom satten Grün übersät. Um Antsirabe wächst in der vulkanischen Erde einiges. Und das wird auch fleißig auf den von Menschen gezogenen Karren, den Varambas, auf Zebu-Karren oder den Dächern der Taxi Brousses transportiert. Meist sind es aber die Menschen selbst, die Ihre Erträge in Körben, die sie galant auf den Köpfen balancieren, zum nächsten Markt tragen. Auf den Reis-, Mais- und Kassavafeldern wird schon früh morgens gehackt und gepflanzt. Der Arbeitsplatz auf dem Land ist das Feld und der Markt. Der Staub der roten Erde hat sich längst tief in die Bekleidung der Einwohner eingefräst.

Es werden zunehmend weniger Ortschaften, die wir Richtung Miandrivazo passieren. Doch Menschen sehen wir überall. Wir fragen uns manchmal, wo diese alle wohnen, wenn wir wieder für viele Kilometer kein Dorf passieren. Auch die Hausstruktur ändert sich. So sind es im Hochland eher rote Backsteinhäuser, die immer mehr von Lehmbauten ersetzt werden. Fließend Wasser holt man sich aus dem Brunnen. Auf dem letzten Stück vor Miandrivazo ist die Straße von Löchern durchsetzt. Wir müssen einen Parcours umfahren. Vor uns öffnet sich der Blick über ein Tal, das sich weit vor uns ausbreitet und am Horizont von einem weiteren Gebirge begrenzt wird. Irgendwo dahinten ist die Küste. Doch erst müssen wir hinunter fahren von den 550 m auf 0 m – hinein in den heißesten Ort des Landes. Von den Bergketten umringt ist hier kein Durchkommen für ein frisches Lüftchen, meint Fanal. Und das spüren wir.

Um 14.30 Uhr erreichen wir 8 Stunden nach unserem Start in Tana diese heiße Stadt und verweilen kurz für einen Kaffee im Hotely Avotra. Hotely ist das Zeichen der Lokale für Madagassen, Restaurants hingegen sind nur etwas für Touristen, klärt uns Fanal nun auf. Da das Hotel gerade keinen Kaffee verkauft, holt man uns diesen geschäftstüchtig aus dem benachbarten Restaurant. So schnell und unkompliziert geht das. Eine halbe Stunde später setzen wir die Fahrt fort. Meine Kleidung ist längst völlig durchnässt. Klimaanlage hat das Auto keine. Es hätte uns schlimmer erwischen können, hätten wir die Fahrt an die 700 km entfernte Küste mit einem Taxi Brousse bestritten. Doch das Gefühl eines eingequetschten Chickens sollten wir uns für später aufsparen, und so hatten wir uns kurzerhand einen Fahrer mit Auto besorgt – so, wie es hier fast jeder Tourist tut.

Die Straße nach Morondava – auf ans Meer

Hinter Miandrivazo öffnet sich der Blick über den Mania Fluss, der später in den Tsiribihina Fluss mündet, auf dem man mehrtägige Bootstouren zur Westküste unternehmen kann. Vorausgesetzt man hat Zeit und Geld. Hier am Wasser löst die Harpune auch die obligatorische Hacke und Sichel ab, die die Menschen bisher bei sich trugen. Und auch die Ortschaften verlieren ihren Backsteincharme. Längst sind es einfache Lehmbauten, die die Straße säumen. Die Madagassen verlieren den feinen Schnitt ihrer asiatischen Vorfahren in den Gesichtszügen. Stattdessen sieht man zunehmend das pure Afrika: Ausgeklügelte Zöpfchenfrisuren, bunte Tücher um die Hüfte gebunden – ein Augenschmaus tut sich auf den Straßen auf. Doch die Behausungen werden noch einfacher. Nun sind es nur noch Strohhüttchen, die hier Ortschaften bilden. Läden findet man auch nur noch selten, dafür strömen die Menschen zu einem Markt.

Um 19 Uhr erreichen wir das geschäftige Morondava. Die Stadt an der Westküste erscheint in der Dämmerung recht quirlig. Doch Touristen zieht dieses Treiben weniger an, besonders in der aktuell herrschenden Regenzeit, in der einem die Weiterfahrt in den Tsingy NP bis nach Tulear aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse verwehrt bleibt. Wir fahren weiter bis auf die Halbinsel Nosy Kely, die der Stadt vorgelagert ist. Hier reihen sich kleine Hotels und Restaurants eng aneinander. Hohe Zäune engen die ohnehin schon schmale Straße noch mehr ein. In der Herberge Chez Maggie finden wir ein kleines Idyll. Das Meeresrauschen dringt aus der Ferne. Nicht umsonst bedeutet Morondava auch „wo die Küste lang ist“. Und so erkennen wir im Dämmerlicht die Umrisse eines ausufernden Strandes. Immer, wenn wir irgendwo ankommen, ist Stromausfall, und so ist es auch dieses Mal.

Kirindy Reserve und Avenue of the Baobabs

Am nächsten Tag verlassen wir Morondava, um zwei Wahrzeichen des Landes zu erkunden und zu entdecken: die Baobabs und Lemure. Wir fahren noch einmal ein Stück zurück auf der N 35, um nach ca. 20 Minuten auf die RN8 nach Belo-sur-Tsiribihina nach links abzubiegen. Nur 10 Minuten auf der ungeteerten Straße finden sich erste Silhouetten von den anmutigen Baobabs in der Weite der Grasebenen. Und dann plötzlich kommen sie näher und näher und säumen schließlich unsere Straße, wie eine brandenburgische Allee. Die bis zu 1000 Jahre alten Adansonia grandidieri Baobabs strecken ihre Zweige gen Himmel. Dazwischen leuchtet der rote Streifen der Straße. Auf einem ca. 260 m langen Stück reihen sich ca. 25 über 30 m hohe endemische Baumriesen aneinander. Wir steigen aus, um einmal die Allee zu Fuß zu durchqueren. Wir sind nicht ganz allein. Aus den umliegenden Hütten kommen Kinder herbeigeeilt, um aus Metall geformte und in Holz geschnitzte Baobab-Souvenire zu verkaufen.

Während wir das Markenzeichen Madagaskars bestaunen, geht das Leben der Menschen hier weiter. Links ist ein Parkplatz angezeigt, zur Hochsaison können hier durchaus Autos das beliebte Motiv beim Fotografieren stören. Doch heute sind wir die einzigen Besucher. Kein Eintritt für das schöne Naturwunder heißt auch, die Menschen leben unter dem schützenden Dach dieser Bäume, ohne davon zu profitieren. Und so folgen uns die Kids durch die Allee der Riesen, in der Hoffnung auf ein „Cadeau“. Die Mädchen sind wieder besonders von meinen unscheinbaren, winzigen Ohrringen angetan, dies bekunden sie auch mehrfach.

Ein Stück weiter hinter den Baobabs in einer der nächsten Ortschaften befindet sich noch ein heiliger Baobab, zu den man nur zu Fuß gehen darf. Er ist etwas versteckt neben einem Dorfteich. Hier verweilen wir an einem Stand für einen Kaffee, bevor wir die Fahrt zum Réserve Forestière de Kirindy fortsetzen. 2,5 Stunden nachdem wir Morondava verlassen haben, erreichen wir den Park. Die letzten 5 km fordern noch einmal einiges Können von Fanal. Hier reihen sich tiefe, mit Wasser gefüllte Löcher aneinander. Auf dem Gelände des Parkeingangs angekommen springen ca. 30 Schüler wild umher. Wir erwarteten niemanden und sind überrascht, nicht allein hier zu sein. Schnell erfahren wir, dass es sich hierbei um ein dreimonatiges Ausbildungsprogramm für Schulabbrecher handelt, die für den Nationalpark sensibilisiert und zu Guides ausgebildet werden.

Wir sind zu früh für eine Tour in den Trockenwald, also ruhen wir uns noch ein wenig in der Ecolodge de Kirindy aus. Durch die Schüler sind alle Dormbetten belegt, so schlafen wir in einer einfachen Hütte etwas hinter dem Gemeinschaftsbereich gelegen. Punkt 18 Uhr setzt ein heftiger Regen ein, der auch unsere geplante Nachtwanderung ins Wasser fallen lässt. Wir sitzen die nächsten Stunden noch für einen Plausch mit unserem Fahrer beisammen. Der Solarstrom, der ab 18 Uhr fließen soll, will auch nicht so recht funktionieren. Und der Regen will gar nicht enden. Doch pünktlich zum Sonnenaufgang lässt er nach, so dass wir um 7 Uhr unsere geplante Wanderung nachholen können. Die Schleichkatzen, die sich in der Trockenzeit normalerweise sogar auf dem Gelände des Camps zeigen, haben sich ohnehin tief in den Wald zurückgezogen. Ca. 70 soll es von ihnen hier noch geben. Auch die nachtaktiven Lemure können wir nun nicht mehr sehen. Doch die Hoffnung, zwei tagesaktive Lemurarten zu sichten, besteht. Wir rechnen uns nicht viele Chancen aus und sind überrascht, als wir nur 20 Minuten nach Start unserer Wanderung bereits Schatten durch die Baumgipfel springen sehen.

Dann tauchen die erste Rotstirnlemure über uns auf. Sie springen aufgeregt durch die Zweige und zeigen sich besonders neugierig. Ein Rotstirnlemur klettert den Baum ein wenig herunter, um uns besser beobachten zu können. Dabei macht er seltsame Geräusche. Ich glaube, ihn behagt unser Erscheinen nicht sonderlich. Ich will schon weitergehen, als sich unter die Rotstirnlemure plötzlich etwas Weißes, etwas Flauschiges mischt. Plötzlich gesellen sich immer mehr der Verreaux’s Sifakas dazu. Sie sind scheuer, bleiben weiter oben im Geäst. Die sechs nachtaktiven Lemure, die es auf dem 12.500 ha großen Gelände geben soll, bleiben uns leider verwehrt. Auch von den 70 Fossas, die in der Trockenzeit bis in das Camp vordringen, ist keine Spur. Doch zwei der hübschen Lemurarten gleich bei unserer ersten Erkundung zu erblicken, ist für uns schon ein riesiges Highlight.

Fremdeln

Nicht nur aus tierischer Sicht hat das Kirindy Reserve einiges zu bieten, auch die Flora ist in der Regenzeit weniger trocken, als angenommen. So finden wir inmitten des Trockenwaldes die wasserspeichernden Baobabriesen. Dann bleiben wir vor einem Baum stehen, der sich zu schälen scheint. Vazaha, meint unser Guide. Der Baum ist wie ihr Fremden, er bekommt eine rötliche Haut und schält sich, wenn zu viel Sonne auf ihn scheint. Vazaha sollen wir auf dieser Reise noch häufiger hören. Wir hören es jedoch weniger hier. Morondava und seine Umgebung sind eher dezent. Zurück am Meer liegen wir am Strand. Keiner, der uns anstarrt, anspricht oder gar anmacht. Wir werden einfach so gut wie nicht beachtet, ein seltsames Gefühl. Als wir aufbrechen, kommen ein paar Mädchen, und freuen sich. Sie schauen uns an, grüßen uns lieb, drehen sich um. Noch weiss ich nicht, was ich von Madagaskar halten soll. Morondava ist unsere erste Station nach Tana. Wir sind noch bei allem, was wir tun, vorsichtig.

Auf dem Rückweg nach Tana halten wir noch einmal im Morgenlicht bei den Baobabs. Wir sind extra um kurz nach 4 Uhr aufgestanden. Natürlich sind wir wieder allein. Nur die Einheimischen machen sich bereits auf den Weg zu ihren Äckern. Dann kommen ein paar Jungs und fragen nach Fotos. Ich sage: „Nein.“ Sie erwidern: „No money.“ Ich bin verunsichert. Dann knipse ich ein Foto, die Jungs sind begeistert, posen, wollen mehr. Irgendwann gesellt sich eine Mutter mit Kind auf dem Arm zu uns. Fliegen umringen das Gespann. Ich lege die Kamera weg. Die Mutter bittet mich in einer Mischung auf Französisch und Englisch, das Kind mitzunehmen. Es ist ein bitterer Moment, einer Mutter gegenüberzustehen, die ihr Kind aus Verzweiflung abgeben will. Madagaskar zerreißt mich schon vom ersten Tag an. Es gibt keinen Aus-Knopf an diesem Urlaubsprogramm. Hat man sich für ein Programm entschieden, muss man es bis zu Ende schauen. Abschalten tut man woanders.

Was man sonst noch wissen sollte?

Morondava:

Hotel:

Chez Maggie – Bungalows verschiedener Ausstattung und Preise. Wir nahmen die günstigste Hütte mit eigenem Bad und Ventilator für 90.000 Ariary. Die Anlage verfügt auch über ein eigenes Restaurant und einen kleinen Pool. Wifi funktioniert im Restaurantbereich.

Restaurant:

Le Corail: Wer keine Lust auf Fischgerichte zu haben scheint, sucht dieses Restaurant auf. Fast jeder Gast bestellte hier Pizza.

Miandrivazo:

Restaurants:

Hotely Avotra: einfache madagassische Speisen zum kleinen Preis.

Restaurant & Hotel Arcenciel: hier gibt es Pasta- und Pizzagerichte, Säfte und Kaffee.

Kirindy NP:

Guide: Guido (deutschsprachig)
NP-Gebühr: 25.000 Ariary
Guide: 20.000 Ariary tags / 30.000 Ariary nachts
Lodge – Bungalow: 100.000 Ariary
Abendessen (egal welche Speise man wählt): 20.000 Ariary / Frühstück ist inklusive

 

 

1 Kommentare

  1. Ich bin wirklich erstaunt, wie grün Madagaskar in der Regenzeit ist. Wir sind dieselbe Strecke Anfang August von Tana nach Morondava bzw. ebenfalls durch die Baobaballee und weiter in den Tsingy gefahren. Speziell zwischen Antsirabe und Miandrivazo haben wir eine ganz andere, viel kargere Landschaft erlebt. Was natürlich gleich war und uns auch sofort aufgefallen ist, waren die Dörfer, die sich im ländlichen Madagaskar doch sehr stark vom zentralen Hochland unterscheiden. Wenn du magst, schau gerne mal in unseren Artikel über unseren Roadtrip zum Tsingy rein: https://www.travelpins.at/tsingy-de-bemaraha-madagaskar/

    Lieben Gruß,
    Flo

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