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Corazon – oder ein beherzter Aufstieg

Am Ziel – auf dem Corazon

Lateinamerika geht nicht ohne Corazon, Ecuador auch nicht. Aber ein Herz für sich zu gewinnen, ist leider nicht einfach. Dabei war das Herz unter den Vulkanen noch nicht mal geplant. Eigentlich sollte heute unser Ruhetag sein. Doch wie sagte es Eran vom Touranbieter so schön, will man einen Berg besteigen, muss man auf den Berg, auf seinen Guide und auf seinen Körper hören. Und genau Letzterer meldete sich in der Nacht, die zwischen den Bergen Pasochoa und Illinizas Norte lag, sehr intensiv.

War mir Auf- und Abstieg des Pasochoa noch problemlos gelungen, hörte ich auf den Rat meines Guides und aß am Abend als Vorbereitung auf den Illinizas Norte mehr als mein Magen wollte. Wer abnehmen möchte, dem sei ohnehin ein Aufenthalt in der Höhe geraten, denn in meiner Zeit in der Hostería PapaGayo auf 3200 m Höhe war ich total appetitlos. Vielleicht hätte ich mehr auf meinen Magen als auf den Ratschlag hören sollen, dann hätte ich mich in der Nacht auch nicht des Essens entledigen müssen. Von der Schlaflosigkeit und den Kopfschmerzen erst gar nicht zu sprechen. Am Morgen war ich so schwach, dass ich schweren Herzens die Gruppe ohne mich auf den Illinizas Norte ziehen lassen musste. Aber ich hörte wenigstens auf meinen Körper und der sagte, heute ist Sonntag und da entspannt man.

Corazon – das verhüllte Herz

Corazon – das verhüllte Herz

Blick von unserem Startpunkt ins Tal

Blick von unserem Startpunkt ins Tal

Den vorgezogenen Ruhetag verbrachte ich mit Kamillentee im Bett. Umso stolzer war ich, als ich am nächsten Tag den Gipfel des Corazon erreichte. Was erst leichter als der Illinizas Norte klang, der in 8-9 Stunden bestiegen wird, stellte sich am Ende doch noch ein Stück weit tough heraus. Denn nun griff die zweite Regel am Berg, man sollte vom Berg eingeladen sein, man sollte auf den Berg hören. Doch schon die Strecke zum Startpunkt unseres Aufstiegs war holprig – was wohl auch laut unseres Guides häufig der Grund ist, den Berg nicht zu besteigen. Tiefe Furchen fressen sich in den Weg, und auch der ist nicht immer klar. Zu viele Ländereien, die alle eingezäunt sind und die Strecke zu ein Labyrinth machen.

Aufstieg auf den Corazon

Aufstieg auf den Corazon

Als wir dann endlich um 10:20 Uhr unseren Startpunkt auf 4300m Höhe erreichen, hat der Nebel den gesamten Berg bereits eingeschlossen. Ohne Ziel vor Augen laufen wir das erste Stück durch Moos- und Büschellandschaft. Daneben bahnen sich immer wieder Sandströme ihren Weg. Der Wind bläst uns diesen schnell um die Ohren und auch in die Augen. Die Kälte dringt durch alle vier Layer meiner Oberbekleidung. Noch 2,5 Stunden bis zur Spitze! Ich kneife die Zähne zusammen und trotze dem Wind und der Kälte. Gern wäre ich weiter durch diese Landschaft gelaufen, doch natürlich kommt recht schnell das, was kommen musste – eine Steinwand. Hier bläst der Wind noch ungemütlicher. Ich spüre meine Hände selbst durch meine doppelten Handschuhpaare nicht mehr.

Wanderung durch Paramo-Gräser und Nebel

Wanderung durch Paramo-Gräser und Nebel

Ein bisschen Farbe in der Natur

Ein bisschen Farbe in der Natur

Sand weht durch die Luft

Sand weht durch die Luft

Mein erstes Mal mit Stöcken

Mein erstes Mal mit Stöcken

Nach der ersten steinigen Passage sucht unser Bergführer José einen windstillen Unterschlupf, in dem wir unseren Snack zu uns nehmen können. Vielleicht aber auch mosere ich zu viel herum. Ich bin geschwächt von dem gestrigen Tag im Bett. Ich bekomme keinen Happen runter. Vielmehr frage ich mich, wie ich gehandelt hätte, wäre kein Guide dabei gewesen. Längst wäre ich umgekehrt. Doch wie heißt die dritte Regel am Berg? Höre auf Deinen Guide! Und das tue ich zähneknirschend.

Aufstieg

Aufstieg

Mit kräftigem Appetit

Mit kräftigem Appetit

Weiter geht es nun zwischen den Felsen. „Nehmt Eure Hände! Die Stöcke nutzten nun nichts mehr.“, rät José. „Das ist Klettern!“, mosere ich herum. Ich hätte es ergänzen können mit: „Das habe ich nicht gebucht!“, scherze ich. Dabei habe ich nichts gegen Klettern. Wenn es aber heißt, sich an Steinen entlang zu hangeln und hochzuhieven, während unter einem der Abgrund klafft, dann kommt leider meine Höhenangst in mir durch. Und natürlich frage ich mich, was mache ich hier eigentlich. Wie komme ich auf die dämliche Idee, von meinen smokten Wanderwegen à la #flachwanderer abzukommen und hoch hinaus zu wollen?

Aufstieg

Aufstieg

Messung

Messung

Und dann ist da das Ding mit den Fake-Spitzen. Du siehst irgendwo im Nebel doch eine Spitze hervorblitzen und bist der festen Überzeugung, das sei das Ziel, bis der Guide Dir sagt, dies sei höchstens ein Etappenziel. Ich höre auf, Fragen zu stellen, ich höre auf, Fotos zu machen, ich höre auf, Notizen zu nehmen. Ich schaue nur noch stoisch auf meinen Weg. Wenn Du immer nur auf Deine Füße schaust, siehst Du den Rest nicht mehr, der ohnehin im Nebel verschwindet. Das Problem ist jedoch der Kopf, der sagt, noch kannst Du die Umgebung ignorieren, doch auf dem Rückweg wirst Du runterschauen müssen. Meine Gedanken beginnen zu kreisen, um das was kommen soll und ich gerade aus meinen Augen verloren habe. Ich sehe den Cotopaxi auf dem Rücken des Herzens hinabgleiten. Cotopaxi? No way, den schaffe ich nie!

Geschafft!

Geschafft!

Und als wir durch die Steine klettern, öffnet sich wieder eine Spitze vor uns. Leichte Eisblumen säumen die Oberfläche. Ich höre es von vorn raunen, dies ist er – der Gipfel des Herzens. Plötzlich wird es windstill. Die letzten Meter sind fast eben. Ich laufe schneller, mein Herz beginnt zu rasen. Ich lasse mich auf einem Stein nieder. Ich spüre wie mein Herz warm wird. Corazon, ich habe Dich erobert! Jetzt kann der Cotopaxi kommen.

Abstieg

Abstieg

Zum Aufstieg des Corazón:
Schwierigkeitsgrad: einfach
Höhenmeter: von 4300 m auf 4790 m
Lage: westliche Kordillere
Terrain: Grasbüschellandschaft, kurz vor dem Gipfel noch ein wenig felsig, was auch Handarbeit bedeutet
Schwindelgrad: nur am felsigen Stück kurz vor dem Gipfel geht es steil abwärts, mit Höhenangst eine kleine Herausforderung
Zeit: Aufstieg: 2,5 Stunden/ Abstieg: 1,25 Stunden (mit Pausen)
Anreise mit Geländewagen: beschwerlich, da tiefe Furchen in den Wegen und unklar, welchen Weg man nehmen muss

Am Ziel – auf dem Corazon

Am Ziel – auf dem Corazon

Verfolgt die Reise auf Instagram unter #purecuador und meine Hiking-Tage unter #high5

Wir wurden von Gulliver zum Akklimatisierungsprogramm eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.

Weitere Beiträge zu unserem Akklimatisierungsprogramm für den Cotopaxi und #high5:

Weitere Beiträge zu unserer aktuellen Ecuador-Reise:

4 Kommentare

  1. Boh Du bist echt hart im Nehmen! Hut ab! wenn ich mal groß bin…. vielleicht, aber nur ganz doll vielleicht, trau ich mir das auch :-)
    Super !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

    • Oh Nicole, „hart im Nehmen“ bin ich schon, aber leider hängt an den Bergen vieles noch von anderen Faktoren als nur vom starken Willen und der körperlichen Kondition ab, dennoch ist das erst mal eine gute Voraussetzung. Nächste Woche kann man dann in meinem neuen Beitrag nachlesen, wie mein Kampf am Cotopaxi aussah und ich verrate schon jetzt, ich dachte viel ans Aufgeben! Meine Müdigkeit rettete mich und trug mich wahrscheinlich nach oben… LG, Madlen

  2. Das ist ja wirklich ein Erlebnis. Und ich stimme Nicole zu. Man muss da schon hart im Nehmen sein, um das mit solchen Herzblut auch durchzustehen.

    Alle Achtung!

    • Danke Alexander! Aber es kam noch härter, schließlich sollte ja der Cotopaxi bestiegen werden. Und das war dann nein richtiger Kampf. Nächste Woche kommt mein Beitrag dazu 😉 LG, Madlen

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