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Viva la EvoLucion! {DIARY}

Amtseinführung Evo Morales

Ich dachte eigentlich, ich würde nicht viel aus La Paz zu berichten haben. Nach meinem täglichen Sprachunterricht standen in dieser Woche Café- und Museumsbesuche und ’ne ganze Portion Erholung an. Sieben Wochen bin ich unterwegs, fast die Hälfte meiner Reise liegt hinter mir. Und so brauchte ich auch mal einen Ort, an dem ich zur Ruhe komme.

Ich bin am Regierungssitz Boliviens. Es gab keinen Tag, an dem ich nicht den Plaza D Murillo überquerte. Doch dass ich während meines Aufenthaltes noch einmal El Presidente persönlich sehen würde, daran hätte ich nie gedacht. Der Regierungspalast und die unzähligen Überreste der Wahlplakate sind das höchste, was ich von Evo zu Gesicht bekommen würde. Doch Evo winkend auf dem Balkon seines Palastes, das stellte ich mir nicht vor. Und ich nur 10 Meter unterhalb, genau in dem Moment nur mit einer kleinen Kamera ausgestattet. Neidisch mein Blick auf dem neben mir stehenden Argentinier, der Evo im Großformat abbilden konnte. Aber Stimmung kann eine Kamera nicht einfangen. Die erlebt man eh nur in Echtzeit.

Als ich heute Morgen zum Spanischunterricht nach Sopocachi lief, war etwas merkwürdig anders. Die Straßen waren leerer und doch auch voller als sonst zugleich. Voller mit Autos, leerer mit Menschen. Ich lief wie immer die Calle Murillo in Richtung Plaza Estudiante und wunderte mich nur über die seltsame Atmosphäre. In der Sprachschule dann ein Anruf meiner Lehrerin, sie würde sich verspäten, stecke im Stau. Später erzählte sie mir, der gesamte Prado sei gesperrt und daher quetschten sich alle Autos durch die kleinen Nebenstraßen und dies erzeugte den Stau. Und warum das ganze nun? Der Evo wird heute in sein Amt eingeführt, daher die großräumige Absperrung. Später auf dem Rückweg erlebte ich selbst die gespenstische Leere des Prados, der sonst aus dem reinsten Fußgänger- und Autochaos bestand. Staatschefs aus Ecuador, Paraguay und Chile waren geladen und auch der befreundete Hugo durfte nicht fehlen. Da ist Sicherheit natürlich oberstes Gebot. Nach einem Snack in der Kuchenstube begab ich mich also auch auf den Weg zum Ort des Geschehens.

Je näher ich auf die Höhe des Plazas D Murillo kam, dem leeren Prado entlang, desto deutlicher hörte ich Stimmen durch ein Mikrofon. Nun noch nach rechts abbiegen, den Hügel hinauf und schwups bin ich inmitten des Geschehens. Nun gaben die Menschen die Richtung an. Und oben blinkte eine Menschenmasse. Nur der Weg blieb mir versperrt. Ausweis bitte. Genau heute hatte ich diesen im Hostal gelassen. Ohne Ausweis kein Durchkommen. Ich könne ja zur nächsten Straßenecke, meinte der freundliche Polizist. An der nächsten Straßenecke wurde ich ohne Nachfrage nach meinem Ausweis abgewiesen. Ich solle weiter laufen, dahinten sei gleich eh mehr zu sehen. Aber ich wollte doch nicht die Parade sehen, die tatsächlich eine Straße weiter und den Berg hinauf wartete, sondern Evo. Nun gut. An der Militärparade gab es kein Vorbeikommen, das zeigte mir die bis aufs Zahnfleisch bewaffnete Streitkraft an. Hier war nun Endstation.

Nur 200 m weiter ist Ort des Geschehens und ich hänge nun in der Parade fest. Denn das Überqueren der Straße war hier unmöglich. 30 min warten. Dann tat sich eine Lücke auf, die ich nutzte und über einen weiteren Umweg endlich zum Plaza gelangte. Inzwischen war die Parade in Gang gekommen. Hinter Militär und Polizei saludierten ebenso Gewerkschaften wie die der Minenarbeiter von Potosi. Ich kämpfte mich durch, bis an das Ende des Plazas, das sich genau gegenüber vom Balkon des Regierungspalastes befindet. Drängeln, schubsen, schieben. Die Argentinier hatten sich, wie auch schon auf dem Boot zur Isla del Sol auf dem Titicacasee, die besten Plätze auf Laternen, Statuen und Zäunen gesichert. Aber näher als ich war, konnte man fast nicht sein. Nur dass ich zuerst den völlig falschen Punkt anfixierte und dachte, Evo sei auf einer der drei Tribünen, die rund ums Plaza platziert wurden waren. Evo winkte und lächelte zum Schluss der Parade unter schwengenden Fahnen und Evo-Rufen und verschwand wieder in seinem Palast. Eine Kolonne offizieller Staatskarossen verließ den Plaza und die Abbauarbeiten von Tribüne und Leinwänden begann ebenso schnell, während die Menschenmenge noch paralysiert zum Balkon starrte.

Das war Evo Morales zweite Amtseinführung am 22. Januar 2010. Und damit diese auch nie ein Bolivianer vergessen wird, sie ist nämlich geschichtsträchtig, hat sie Evo als Nationalfeiertag ausgerufen oder zumindest diesen Tag als Feiertag und somit arbeitsfrei erklärt. Danke Evo! Und was sagt Angie dazu, ist dies nicht ’ne Anregung?

Während ich diesen Beitrag schreibe, ertönt über La Paz ein Feuerwerk und zeitgleich sehe ich im Fernsehen TV Sur, wie Hugo und Evo nebeneinander stehen und Evo soeben offiziell ins Amt eingeführt wurde. Mediale und reale Welt vermischen sich.

Gestern bereits war Evo in Tiwanaku gewesen, um dort den Estado Plurinacional auszurufen und sich feiern zu lassen – fast so übermenschlich, dass man einen beängstigenden Personenkult vermutete. Suchte er doch eine mystische Inkastätte dafür auf.Und nicht zuletzt erinnerte die heutige Parade sehr an alte sozialistische Zeiten. Tatsächlich prangerte er in Tiwanaku doch den Kapitalismus an und erklärte ihn für gescheitert. Denn nur der Kapitalismus sei für die Zerstörung von Mutter Erde verantwortlich. Das klingt verdammt nach Hugo. Evos Fokus liegt wohl nun auf der Natur, die es zu schützen gilt. Seien die Rechte der Natur gar wichtiger als die Menschenrechte. El Día schrieb heute dazu:

„En un acto cargado de simbología indígena en Tiahuanacu, Evo Morales se mostró como el máximo líder spiritual del Nuevo Estado Plurinacional con poderes casi sobrenaturales. Habló del fin del capitalismo e inicio de una era que incluye derechos de la madre tierra sobre los DDHH. Analistas califican el acto como „egocéntrico“ y „culto a Evo como dueno del Estado“.

Morgen werde ich auch den geschichtsträchtigen Ort Tiawanaku besuchen.

Nun kamen Ausführungen zum Museum Etnografía y Folklore mit zahlreichen Masken, Stoffen sowie mit Keramik und Federkunst sowie zum Museum Nacional del Arte mit religiöser Kunst aus dem 17. Und 18 Jhr. sowie moderner Kunst zu kurz. Aber beide Museumsbesuche waren interessant und sind empfehlenswert. Vor allem auch durch ihre moderne Aufbereitung.

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