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Nordkorea Diary – Pjöngjang zum Jahreswechsel, Juche 109

Nordkorea, Silvester in Pjöngjang

Ein Fluss, ein Boot, eine Band, ein prächtiges Feuerwerk am Ufer – Silvester wie es überall stattfinden kann. Dass ich in Pyongyang bin, kann ich an jenem Abend schnell vergessen.
Mal erfüllt die „DPRK“ alle Vorurteile, mal überrascht sie auch. Vier Tage bin ich bereits in einem Land, das ich nicht zu fassen bekomme. Mimik, Gestik, Zwischentöne sind nur kleine Anhaltspunkte, um hinter die Fassaden zu schauen. Der Interpretationsspielraum ist groß. Wir sehen immer das, was wir sehen wollen. Tatsächlich denke ich oft, das hier ist wie die DDR – nur krasser.

An jenem Silvesterabend auf dem Boot finde ich mich in einer Parallelwelt wieder, die wenig mit Pjöngjang und noch viel weniger mit der Land Nordkorea zu tun hat. An den Tischen vor der Bühne, auf der zwei Stunden vor Mitternacht eine Frauenband im Krankenschwester-Look auftritt, das wohl sexy wirken soll, sitzen ausländische Touristen und Nordkoreaner, die es sich leisten können. Über Preise spricht man hier nicht. Eigentlich war vorgesehen, den Abend auf dem nahen Kim Il-sung-Platz zu verbringen, doch die angekündigten -16 Grad ließen Lim und Song Guk gemeinsam mit ihrer Agentur Alternativpläne schmieden, die uns einen wohlig warmen Abend mit Blick aufs nächtliche Feuerwerk bescherten. Es floss viel Alkohol, es gab fast Schlägereien und es fielen auch Masken. Einen Moment blitzte das fast Unmögliche durch und es bröckelte die Fassade. Aus Marionetten wurden Individuen. Und das war vielleicht der größte Moment in dieser skurrilen Nacht, die uns je nach Perspektive ins Jahr 2020 oder auch Juche* 109 führte.

(*Der Juche-Kalender wurde 1997, drei Jahre nach Kim Il-sungs Tod, in Nordkorea offiziell eingeführt und gilt seither parallel.)

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Im Herzen von Pjöngjang: Wo Kim Il-sung-Platz und Juche Turm auf einer Achse liegen

Wir stehen am Kim Il-sung-Platz am Westufer des Taedong-gang. Eifrig werden Mauern aus Eis und Schnee aufgebaut. Dahinter entstehen Eisskulpturen. 10 Euro Eintrittsgebühr wird man später vom ausländischen Besucher dafür verlangen, wenn die Kunstwerke abends illuminiert sind. Es ist Silvester, der letzte Tag des Jahres soll auch der Kälteste sein. Wir versuchen daher nach jedem Außenbesichtigungspunkt auf unserer Agenda kleine Aufwärminseln einzubauen. Jetzt heißt es mal wieder „Café Sacher“ – wer in Pjöngjang Kaffee trinken will, wird wohl um diese Adresse nicht drum herumkommen. Eine Handvoll Tische, ein Tischkicker und eine vielversprechende Kaffeemaschine zieren den kleinen Raum neben dem repräsentativen Platz, der von der großen Studienhalle des Volkes, mehreren Ministerien und der Zentrale der PdAK umringt ist und als erste Adresse für die riesigen Paraden gilt. Fenster gibt es, wie auch in den anderen Restaurants, die wir besuchten, keine. Eine Melange, Cappuccino, Kaffee Latte… alles bestellbar, einst gab es wohl sogar Sachertorte, doch Kuchen sind nicht mehr im Programm.

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Auf der gegenüberliegenden Flussseite des Taedong-gang streckt sich der 170 m hohe Turm der Juche-Ideologie in den Himmel und bildet eine städtebauliche Achse mit dem repräsentativen Platz. Man vergleicht das Ensemble hinsichtlich Architektur und Funktion oft mit dem Pekinger Tian’anmen-Platz.

Das Wahrzeichen von Pjöngjang wurde anlässlich des 70. Geburtstags des Präsidenten Kim Il-sung errichtet. Diese Lebensjahre spiegeln sich in den 70 Stufen wider. Mit dieser Symbolik der Zahlen wird fast in allen Gebäuden gespielt, die Kim Il-sung erbauen ließ. Im Eingangsbereich befinden sich Widmungstafeln von weltweiten Anhängern der Juche-Ideologie. Nachts wird der Turm angestrahlt und die Fackel von innen mit einem Flackereffekt rot beleuchtet, während weite Teile der restlichen Stadt im Dunkeln liegen.

Hinter dem Turm taucht schnell Militär auf, das uns vertreibt. Fotografieren ist natürlich mit ihnen im Bild nicht erlaubt, aber spazieren ebenso wenig, denn um den Turm herum wurde wohl schon die Pyrotechnik für den Silvesterabend vorbereitet, und „davon“ sollen wir uns fernhalten. Eigentlich kann man auch gegen eine Gebühr von 5 EUR nach oben, doch die Aussicht ist es heute nicht wert, meint Lim. Und ihrem Wort folgen wir – immer.

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Am Monument der Parteigründung

An einem anderen Denkmal lässt es sich ungestörter verweilen. Drei übergroße Fäuste halten Hammer, Sichel und Pinsel in den Himmel. Mit diesem 50 m großen Monument (die Zahl symbolisiert den 50. Geburtstag der Partei)  huldigt man den Arbeitern, Bauern und Intellektuellen und damit der Partei der Arbeit Koreas, die diese drei zentralen Elemente in ihrem Symbol trägt. Umschlossen werden diese von einem Steinring mit 50 m Durchmesser, der die Einheit des nordkoreanischen Volkes darstellt, das sich geschlossen um die Partei reiht, wie die lokale Führerin mit vollem Stolz erklärt. Lims Gesichtszüge ziehen sich immer zusammen und ihre Stimme verliert an Kraft, wenn sie sich mit bloßen propagandistischen Übersetzungen beschäftigen muss, das fällt mir bei jedem Mal mehr auf, wenn sie neben einer strahlenden lokalen Führerin steht, die inbrünstig alles Mögliche über Kim Il-sungs und Kim Jong-Ils Größe zum Besten gibt. Tatsächlich schafft man allein mit dem Visuellen der Prunkbauten, sich ziemlich klein zu fühlen. Die Erzählungen sind somit nur noch Garnitur. Ein Park umschließt die Anlage, in dem Kinder und Erwachsene Badminton spielen. Dahinter liegen zwei rotfarbene und stufenförmige Wohnblöcke, die bei Frontalblick auf das Parteigründungs-Denkmal symmetrisch wehenden Flaggen nachempfunden sind.

Täglich tauchen wir – wie hier auch – in Souvenirshops und Restaurants der Stadt ab – Adressen hierzu bleiben mir verborgen. Meist gibt es eine junge Frau im traditionellen Kleid, über dem sie wegen der winterlichen Temperaturen einen Mantel trägt, die uns das Licht anmacht, wenn wir den Souvenirshop betreten. Postkarten, Bücher, T-Shirts, Alkohol….es sind die immer gleichen Artikel, die in Vitrinen präsentiert werden. Kalt ist es in den Räumen. Wenn wir die Räume verlassen, wird das Licht gleich gelöscht und wahrscheinlich auch die Heizung abgedreht.

In Restaurants läuft es noch ein Stück konspirativer ab. Diese sind nämlich meist nicht von außen offen erkennbar. Nicht selten muss man erst durch einen Souvenirshop gehen, was schon ein Indiz dafür ist, wer in diesen Restaurants speist. Darüber hinaus liegen sie fast immer auf der 1. Etage versteckt – Fenster gibt es kaum. Und sollte es Fenster geben, sind sie mit Jalousien verdeckt. Das Essen selbst ist so gut und reichlich (eben koreanisch), dass man sich nach vielen Reportagen über die hungernde Landbevölkerung Nordkoreas doch selbst in seinem Tun hinterfragt. Nachdem wir immer wieder darauf beharren, ein Kaufhaus zu besuchen, werden wir in einen chinesischen Kettenladen geführt. Hier gibt’s alles – meint Lim stolz, und tatsächlich denke ich bei dem Anblick dieses Ladens an unsere früheren Intershops und Delikatläden. Das Besondere gibt es durchaus, hat aber seinen Preis. Tatsächlich fragt uns Lim schmunzelnd, warum Deutsche eigentlich immer so erstaunt sind, dass sie in Nordkorea auch Bananen haben.

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Große Studienhalle des Volkes – und von der bizarren Buchauswahl

An diesem letzten Tag des Jahres ist kaum noch ein Student hier, entschuldigt sich Lim. Tatsächlich sind es eher Touristengruppen, die sich in diesem riesigen Prunkbau verlieren, der 30 Millionen Büchern Platz bietet. 600 Räume erstrecken sich über zehn Etagen und eine Fläche von insgesamt 100.000 qm. Wir sind fasziniert von dem Gebäude, aber auch von dem, was man uns so zeigt.

Man unterscheidet hier die Sozial- und Naturwissenschaften, informiert uns Lim, während sie eine Tür zum Lesesaal öffnet. Hier wird sie uns gleich fröhlich gestimmt „Oma, die Miethaie und ich“, „Lübeck gestern und heute“, „Fräulein Pop und Mrs Up“ sowie Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“ auf den Tisch legen. Tatsächlich erzeugt diese Auswahl auch bei mir ein Schmunzeln. Adorno, Habermann … was weiss ich, was ich hier erwartete. Auf jeden Fall nicht das. Wir treten in einem anderen Raum, dem „Internationalen“, an ein Regal. Hier sollen Fächer nur deutsche Literatur zeigen… Goethe, Schiller… Fehlanzeige, stattdessen ein Kochbuch von Hannelore Kohl. Wir sind irritiert. In diesem Regal steht nichts, was man als große deutsche Literatur bezeichnen könnte. Wir ziehen weiter durchs Gebäude und landen in einem Raum, in dem man Tonträger ausleiht. Auch hier, komische Schlager und nichts was man kennt.

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Mansudae-Kunststudio: Wo Tiger- und Propaganda-Kunst entsteht

Nach dem Ausflug in die Literatur geht’s weiter mit den schönen Künsten des Landes. Eigentlich sollten wir heute die Filmindustrie Nordkoreas kennenlernen, doch diese wurde durch einen Besuch des Mansudae-Kunststudio im Stadtteil P’yŏngch’ŏn-guyŏk ersetzt. Wer eine Nordkorea-Reise bucht, muss sich immer auf Änderungen einstellen. Das Kunststudio ist die größte und bedeutendste Kunstproduktionsstätte Nordkoreas. Viele Skulpturen und Gemälde stammen von hier. Das Studio mit seinen 13 Kreativgruppen und sieben Fabriken beschäftigt etwa 4000 Angestellte, darunter etwa 1000 ausgebildete Maler, Bildhauer und weitere Künstler.

Vor der  Statue von den beiden verstorbenen Kims werden bereits wieder Blumen abgelegt. Die Künstler sind an diesem Silvestertag schon fast alle in Urlaubsstimmung, ihre Ateliers verschlossen. Zwei Künstler findet der lokale Führer dann doch noch, die mit uns sprechen und sich fotografieren lassen. Der Maler Kim Chol hat sich auf Tiger spezialisiert. Harmlosere Motive könnte man uns fast nicht präsentieren. Ergänzt werden diese durch wunderschöne Landschaftsgemälde, die an den Wänden hängen. Dabei hätte mich die Entstehung der Propaganda-Poster doch viel mehr interessiert.

Als nächstes wird uns der Töpfer U Chol Ryong vorgestellt. Typische koreanische Keramik, die als „Koryŏ-Seladon“ bezeichnet wird und erstmals während der sogenannten Koryŏ-Zeit (918—1392) hergestellt wurde, wird hier heute wieder produziert. Das koreanische Wort für Seladon, ch’ongjabedeutet „bläuliches Porzellan“. Das Besondere ist seine farbintensive, glänzende blaugrüne Glasur. Die Aufträge der Künstler kommen wohl selbst aus dem Ausland, meist China ergänzt man schnell. Ob man das alles auch in Südkorea hat, wisse man nicht. So oft wir hören, dass man ein Volk sei, bei den Errungenschaften und Besonderheiten spielt aus nordkoreanischer Perspektive Südkorea keine Rolle.

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Vor der Stadt: Zu Besuch im Mangyongdae Geburtshaus von Präsident Kim Il-sung

12 km vor Pjöngjang hält das Auto inmitten einer grünen Idylle, die willkommene Abwechslung zu der grauen und pastellfarbenen Hochhauskulisse der Hauptstadt bietet. Vögel zwitschern, trotz der winterlichen Kälte. Wir spazieren durch einen Park, in dem das Geburtshaus Kim Il-sungs liegt. Natürlich werfen wir auch einen Blick in das schlichte Bauernhaus samt Stallung und erhalten in aller Kürze von der lokalen Führerin die wichtigsten Fakten geliefert. Viel interessanter ist nach diesem informativen Tag der entspannte Blick über die Stadt. Diesen kann man von der Aussichtsplattform auf dem Mangyong-Hügel, dem Hügel der zehntausend Aussichten, genießen. Der Rundum-Blick ist erfrischend – endlich erfasst mein Auge wieder Weite, die dennoch nicht weit genug reicht. Die Freiheit ist anderswo – hinter dem Horizont, der immer Dunst verhangen ist.

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Ausstellung der drei Revolutionen oder die Errungenschaften Nordkoreas auf einen Blick

Zurück in der Stadt sollen uns noch einmal die Errungenschaften Nordkoreas nahe gebracht werden. Stolz zeigt die lokale Führerin in der Ausstellung der drei Revolutionen (die für die Begriffe Ideologie, Technik, Kultur stehen), wie Nordkorea seine Energie gewinnt. Lim übersetzt „blau“ steht auf der Karte für Wasserkraft, „rot“ für Wärmekraft, grün… und dann ziehen die beiden Damen tuschelnd weiter. Doch der gelbe Punkt auf der Karte bleibt unerklärt. Ich frage Lim, wofür dieser eigentlich steht und im selben Moment könnte ich mir direkt auf die Zunge beißen, denn wieder vergesse ich, wo ich mich gerade befinde. Lim weicht aus. Dann senkt sie die Stimme und nuschelt „Atomkraft“. Es ist der letzte Programmpunkt, den wir 2019 noch auf unserer Liste haben. Die Dame, die uns als letzte zwei Touristinnen 2019 geduldig durch zwei der sechs riesigen Hallen führt und uns die wirtschaftlichen, technischen und kulturellen Errungenschaften ihres Landes mit leidenschaftlicher Stimme und Gestik anpreist, bekommt davon nichts mit. Sie strahlt weiter und erklärt uns, wie der Bergbau bei ihnen funktioniert. Dann schauen wir uns Autos aus Eigenproduktion an. Auf den Straßen findet man aber auch ausländische Karosserie, gibt Lim zu, als ich meine Skepsis zeige.

Die Hallen Allgemeine Einführung, Elektronik und Automatisierung, Schwerindustrie, Agrikultur, Klassenkampf und Lichtindustrie haben leider nicht alle ihre Tore geöffnet, denn tatsächlich würde mich eher der Besuch des futuristischen, dem Saturn nachempfundenen Planetariums interessieren oder gleich der Pavillon „Klassenkampf“. Stattdessen überqueren wir den Platz zwischen den Gebäuden und steuern den übersichtlichen Komplex Agrikultur an, wo uns Äpfel und alles rund um Tierhaltung erwartet. Mein Kopf hat sich längst verabschiedet, doch mein Körper muss noch funktionieren, denn diesen Abend werden wir bis in die frühen Morgenstunden auf dem Boot Taedong in das neue Jahr hinein feiern und die nette Führerin verabschiedet uns mit einem herzlichen „Alles Gute fürs neue Jahr.“ Was soll man ihr wünschen? Ich weiss nicht einmal, ob das Heruntergebetete reine Fassade ist oder ob sie den Stolz im Herzen trägt. Man sollte nicht alles, was man sieht, anzweifeln.

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Neujahrstag am Großmonument Mansudae

Menschenmassen sind bereits morgens um 10 Uhr nach dieser Silvesternacht auf den Beinen. Die Macht und Ominipräsenz des Staates zeigen sich in der Größe der Monumente wieder. Auch das Großmonument Mansudae zählt dazu. An wichtigen Tagen und allen Feiertagen kommen zahlreiche Menschen hier zusammen, um Blumen zu Füßen von Kim Il-sung und Kim Jong-il abzulegen. Es ist das erste, was ich 2020 tun werde, ein bisschen seltsam erscheint mir dieser Gedanke schon, als unser Auto auf dem Parkplatz in Nähe des Mansudae-Denkmals hält. Für je 5 EUR kaufen wir Blumensträuße – eine Auswahl haben wir nicht. Frisch sieht das, was die Folie straff zusammenhält, auch nicht mehr aus. An uns ziehen Armeetrupps vorbei. Musik tönt über den Platz vor den überdimensionalen Bronzestatuen der beiden Kims. Wir legen unsere Sträuße ab, machen die obligatorische und inzwischen geübte Verbeugung und dürfen dann auch fotografieren. Wieder erwarte ich Anweisungen, wieder bleiben sie aus. Egal welchen Winkel man nimmt und dass Armee sich auf den Fotos befindest, über den Aspekt wird inzwischen auch hinweggesehen. Neben dem Denkmal kehren Trupps mit Besen den Boden rein und wecken mein Interesse. Ich zögere, fotografiere nicht. Lim meint, ich könne dies ruhig filmen, das sei keine Arbeit, sondern ein Neujahrsritual. Alles was hier passiert, liegt im Auge des Betrachters, birgt eine Doppeldeutigkeit in sich.

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Auf dem Friedhof der Revolutionshelden

Dann finden wir uns vor dem Friedhof der Revolutionshelden wieder. Die Sonne bringt die vertrockneten Sträucher zum Leuchten. Schneereste liegen auf dem ausgedörrten Gras, das die strahlend weißen Gräber der gefallenen Soldaten im Kampf gegen die Herrschaft des Japanischen Kaiserreichs umgibt. Junge Gesichter zieren die Steine – 23-25 Jahre alt waren fast alle Männer, die ihr Leben im Krieg ließen. Die lokale Führerin hat uns versetzt und so laufen wir selbst ein wenig durch die Reihen. Es gibt keine anderen Besucher, die die Ruhe dieser Gedenkstätte stören.

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Wie zuhause – Die Berliner U-Bahn rollt in Pjöngjang

Endlos erscheint die Fahrt auf der Rolltreppe, die an der Puhung (Gedeihen)-Station in 100 m Tiefe führt. Musik schallt durch die Lautsprecher. Anders als bei uns bewegt sich niemand auf den Treppen. Starr lassen sich die Nordkoreaner hinauf rollen, während ich in der Tiefe verschwinde.

Der Grund für die Tiefe des U-Bahn-Netzes wird damit erklärt, dass die Stationen im Kriegsfall als Bunker herhalten können. Über den Bahnsteigen hängen imposante Kronleuchter. An den Wänden begegnet mir sozialistische Ästhetik. Ein Zug fährt ein und ich wähne mich, würde ich das klassische Ambiente mit Kronleuchter und Marmor auf dem Bahnsteig ausblenden, in Berlin. Alte U-Bahnen der BVG – nur mit einem veränderten Anstrich – rollen hier noch auf den Schienen. Kritzeleien an den Fensterscheiben deuten auf die Herkunft hin. Schaffnerinnen kümmern sich um den geordneten Ein- und Ausstieg. Im Waggon dann Berlin-Feeling, nur das Konterfei der Kims am Ende des Waggons erinnert mich wieder daran, wo ich bin.

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Fünf Stopps weiter erreichen wir die Käson (Triumph)- Station: Auf Bildschirmen zeigt sich nordkoreanisches Fernsehen, eingefasste Zeitungen ziehen die Aufmerksamkeit der Fahrgäste auf sich. Wieder am Tageslicht erstrahlt der Triumphbogen vor uns. Wir sind nicht nach Paris gereist, auch Pjöngjang hat sich zum Anlass der Befreiung von Japan einen Nachbau des Arc de Triomphe gegönnt – selbstverständlich ist dieser größer als das Original – um ganze drei Meter überragt er das französische Bauwerk. Der somit höchste Triumphbogen der Welt dient dem Gedenken an die Rückkehr von Kim Il-sung aus dem sogenannten Vaterländischen Befreiungskrieg. Für 5 Euro gelangt man mit einem Fahrstuhl nach oben und erfreut sich von hier einem wunderschönen Blick über das Kim-Il-sung-Stadion, den Moran-Hügel und den Hochhäusern der Stadt. Unsere Guides lassen uns mit diesem Blick allein. Keine Erklärungen, keine überflüssigen Worte.

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Neujahrsspaziergang und Tanz im Moranbong-Park 

Hinter dem Kim Il-sung Stadion schlittern wir auf glatten Wegen durch den größten Park der Stadt. Im Sommer soll hier gegrillt werden, doch heute geht nur eine Handvoll Einheimischer spazieren oder tanzt im Park. Von der Plattform auf dem Hügel genießen wir erneut eine schöne Aussicht über die Stadt. Auf unserem Rückweg ertönt Musik und eine Gruppe älterer Menschen tanzt genüsslich unter einem Dach neben einem Teich. Dieses Bild erinnert mich an China. Es sind diese seltenen Momente, die den Menschen ein Strahlen in die Gesichter zaubern. Es ist einer der wenigen auf mich authentisch wirkenden Augenblicke in diesem Land. Die tanzenden und lächelnden Menschen verzaubern die sonst so kalte Atmosphäre dieser Wintertage. Jeder bewegt sich anders, jeder ist auf der Tanzfläche individuell und nicht mehr Teil eines Ganzen. Sie müssen nicht funktionieren, weil es ihnen vorgegeben ist, diese Zeit wollen sie genau so funktionieren, wie ihre Arme sich in die Luft schwingen und die Beine zu einer Drehung ansetzen. Musik und Tanz füllt den Park – dieses Glück am Neujahrstag ist universell. Adrian und ich reihen uns in diesen lustigen Ausdruckstanz ein und ernten viel Schmunzeln. So nah sind wir selten den Nordkoreanern gewesen.

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Zum Teil 1: Nordkorea Diary – Pjöngjang, eine Insel
Zum Teil 3: Nordkorea Diary – Im Myohyang-Gebirge

 

Dieser Beitrag ist Teil 2 zu meiner privaten achttägigen Reise nach Nordkorea zum Jahreswechsel 2019/20. Ich versuche das zu beschreiben, was ich sah und fühlte. Eine politische Bewertung nehme ich nicht explizit vor. 

2 Kommentare

  1. Morten sagt

    Ich bin ja ein Freund dieser kolossalen Architektur und der dazugehörigen Symbolik. Trotz aller Propaganda fasziniert mich das ziemlich.

    • Da bin ich ganz bei Dir. Mich fasziniert die monumentale Architektur auch, trotz dessen, was sie ausdrücken soll. LG, Madlen

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