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Auf dem Pamir Highway – von Duschanbe nach Khorog

Pamir Highway, Tadschikistan, puriy

„Afghanistan!“ Nach einer endlosen Stille legt sich dieses Wort in die erschöpfte Atmosphäre. Zafar, unser Fahrer, spricht nahezu kein Englisch. Doch dieses eher beiläufig daher gesagte Wort erhascht sofort unsere Aufmerksamkeit. Unsere müden Köpfe erheben sich und schauen auf das, was im Morgendunst nur schemenhaft vor unseren Augen verschwimmt. Von nun an werden wir auf dem Pamir Highway drei Tage an der afghanisch-tadschikischen Grenze entlangfahren – beide Länder trennt in diesem engen Tal nur der reißende Strom Pandsch, der sich aus fünf Flüssen speist und daher seinen Namen trägt. Links und rechts erheben sich 4.000er und 5.000er. In einem Land, das zu zwei Dritteln aus Hochgebirge besteht und eine Durchschnittshöhe von ca. 3.000 m aufweist, ist das keine Besonderheit. Es ist Tag zwei unseres Pamir Highway Abenteuers, das wir am Vortag etwas überstürzt in Duschanbe begonnen hatten.

Duschanbe – eine Stadt unter der sengenden Sonne

Mit zweistündiger Verspätung hatten wir Donnerstagmorgen Duschanbe erreicht. Die tadschikische Hauptstadt, die nach ihrem Montagsmarkt benannt ist, machte in den frühen Morgenstunden einen sehr relaxten Eindruck. Weitläufige und leblose eurasische Städtearchitektur mischt sich in das aus Sowjetzeiten geprägte Stadtbild. Völlig übermüdet fuhren wir durch die leeren Straßen von Duschanbe, um uns noch für eine Stunde im Yeti Hostel auszuruhen, bevor wir die Stadt in der glühenden 40 Grad heißen Sonne erkundeten.

Während des Mittagessens erreicht uns die Nachricht, dass wir die geplante Reise gen Süden auf den nächsten Tag verschieben müssen, da unser Auto einen Unfall hatte und in die Inspektion muss. Daher bleibt uns noch ein wenig mehr Zeit für Duschanbe. Erschöpft von der Hitze und unserem Flug beschließen wir gegen 16 Uhr zurück zum Yeti Hostel zu fahren und ein wenig zu schlafen. Wieder checken wir ein. Längst sind unsere Betten frisch bezogen, waren wir nach dem Frühstück doch ausgecheckt. Den Zettel mit den 50 Regeln, dessen Regel Nummer 33 durch seine Versalien NO SEX besonders auffällt, erspart man uns. Kaum haben wir uns hingelegt, klopft es an die Tür und der Chef von Mountain Adventure Travel Tajikistan (MATT), Dilshod Karimov, will uns zu einer schnellen Abfahrt überreden. Er stellt seinen eigenen Wagen zur Verfügung, damit wir uns schnellstmöglich in das Abenteuer Pamir Highway begeben können. Müde willigen wir ein und checken an diesem Tag ein zweites Mal aus.

On the road – die erste Etappe des Pamir Highways

Auf dem Hinterhof des heruntergekommenen Plattenbaus wartet bereits unser Fahrer Zafar. Mit ihm begeben wir uns um 18 Uhr auf den Weg gen Süden. Eine mehrspurige Straße führt heraus aus der Stadt. Menschen, Kühe und Esel spazieren am Wegesrand. Fehlende Straßenmarkierungen bringen noch etwas mehr Unruhe in das ohnehin schon vorhandene Chaos. Mein Blick schweift immer wieder durch die Scheibe auf die Straße, wo aufgetürmte Melonen und  Äpfel in Eimern zum Verkauf angeboten werden. Der Highway ist hier noch vierspurig, doch dies scheint Zafar weniger zu beeindrucken. So viel steht fest, mit seinen kontinuierlichen 50-80 h/km zählt er sicherlich nicht zu den Rasern. Es ist ein sanfter Einstieg in den Pamir Highway mit seiner erschlagenden Naturgewalt, die uns in den nächsten Tagen erwartet.

Ein kleiner Stop am Norak Reservoir zum Sonnenuntergang muss reichen. Von einem Aussichtspunkt, wo sich Fressbuden aneinanderreihen, schauen wir über die zerklüftete Insellandschaft. Rötlich schimmernde Felsen mit grünen Stoppeln bilden den Rahmen, der sich im dunstigen Abendlicht verliert.  Als wir unsere Fahrt fortsetzen, schlängelt sich der Highway weiter durch die Hügellandschaft. Kinder treiben auf dem Rücken eines Esels Ziegen und Schafe vor sich her. Unter einem Baum am Straßenrand betet eine Gruppe Männer gen Mekka. Ansonsten herrscht Menschenleere. Wir geben uns der Monotonie  hin, die nach vier Stunden unterbrochen wird, als wir Khulab erreichen. Eine Kette an Tankstellen säumt den Ortseingang. Hier ist klar, was auf dem Pamir Highway wichtig ist. Als wir um 22 Uhr ein Restaurant betreten, sitzt nur eine Gruppe Jugendlicher vor einem Fernseher. Ein Musiksender beschallt den gut gekühlten Raum. Nicht weit von hier befindet sich unsere Bleibe für die erste Nacht – das Hotel Atak. Betten, Dusche, Klo, Strom – wir werden die Annehmlichkeiten später auf der Reise noch zu schätzen wissen.

Auf dem Pamir Highway an der afghanischen Grenze entlang

Wir machen uns am nächsten Morgen um 7.20 Uhr auf den Weg, wir wissen, es liegt ein langes Stück vor uns. Zwölf Stunden schätzt unser Fahrer. Doch was nach Qual klingt, ist Teil des Ziels – nämlich der holprige, beschwerliche Weg, in den sich nur kurz hinter Khulab der Pamir „Highway“ verwandelt. Eine Ruckelpiste schraubt sich nun den Berg hinauf, an einer Militärbasis vorbei. Bald soll uns auch der erste Checkpoint auf der Strecke ausbremsen. Pass her, kein Foto, nicht aussteigen – diesen Anweisungen sollen wir von nun an noch häufiger folgen. Kleine Lehmhaussiedlungen sind von nun an die „Zivilisation“, Esel die Passanten. Ein Belgier arbeitet sich mit seinem Rad an dem Pamir Highway ab, der sich unter den Cyclisten einer besonderen Beliebtheit erfreut. Nie zuvor sah ich mehr Radler als Backpacker durch ein Land reisen. Wir winken ihm aus dem klimatisierten Auto zu und verstehen nur annähernd, welche Strapazen und beeindruckenden Landschaften hinter ihm liegen.

Noch einmal passieren wir ein Dorf, Frauen tragen Töpfe auf ihren Köpfen, während Kinder am Straßenrand Äpfel verkaufen. Und kurz darauf sind wir mittendrin – im Tal, das der Pandsch durchschneidet. Steil erheben sich die felsigen Gipfel um das Tal auf 4.000 m gen Himmel. Die Landschaft verliert an Farbe. Links und rechts des Flusses kerbt sich jeweils eine Straße in die steinigen Felswände – auf unserer Seite besteht sie aus einer kaputten Teerschicht, die sie einst in der Sowjetzeit erhielt, auf der afghanischen Seite ist der Schotterweg handgemacht, wie Zafar immer wieder betont. Sie kamen mit Schaufeln und Äxten, um diesen Weg zu schaffen, der längst immer wieder stückweise vom dem Pandsch-Fluss weggespült ist, weiß er zu berichten. Der hier geteerte Pamir Highway auf unserer Seite hingegen wird durch die extremen Witterungsbedingungen und chinesischen Trucks zerstört.

Um 10.15 Uhr erreichen wir den Check Point für die Autonome Provinz Berg-Badachschan. Wer hier weiterreisen will, benötigt ein separates Visum, das man sich zuvor in der Botschaft besorgen kann. Nicht weit dahinter machen wir einen Toiletten Stopp. Wir wollen gerade Richtung Ufer springen, da schreit uns Zafar laut hinterher NOOOOO. Es ist das erste Mal, das seine Stimme diesen Nachdruck bekommt. „Minen.“ Er deutet auf die ungefährlichere Seite zum Berg hin.

Um 11.30 Uhr erreichen wir Kalai Khumb, das wie eine kleine Oase wirkt. Ein türkisfarben strahlender Fluss ergießt sich hier in den vom Schlamm braun eingefärbten Pandsch. Darüber ragen kleine Terrassen. Auf Kissen lümmeln sich die Bewohner und genießen die frische Luft. Wir essen kurz im Restaurant Orion direkt am Fluss, bevor wir unsere Fahrt fortsetzen.

4 km hinter Kalai Khumb schlängelt sich ein staubiger Weg den Berg hinauf. Hier thronen die Reste der einstigen Burg Karon über dem Tal. Und einen wahnsinnigen Ausblick gibt es noch dazu. Am Fuße dieses Bergs verbindet eine Brücke beide Länderseiten. Wieder schauen wir neugierig hinüber. Es ist das andere Ufer, das seinen besonderen Reiz auf uns ausübt.

Verlassene Ortschaften mit Mauern aus dem Geröll des Flusses schmiegen sich in die karge Farbwelt des Gebirges ein. Hin und wieder sehen wir auch Menschen auf dem Weg. Menschen, die durch eine willkürliche Grenzziehung einst im Great Game von ihren Familien getrennt wurden. Aus dem Lautsprecher tönt Musik. Zafar singt mal auf Tadschikisch, mal auf Persisch oder Afghanisch mit. Kulturen verschwimmen, wo Natur und Menschenhand eine Grenze gezogen haben. Vielleicht liegt genau hierin der besondere Reiz und nimmt die Angst vor den Bildern in den Medien.

Sound of the Roadtrip Pamir Highway: Nobovar ft. Shabnam (Dile, dile)

TIPPS zur Fahrt auf dem Pamir Highway: 

  • Unbedingt einen Platz auf der rechten Seite im Fahrzeug suchen.
  • Toilettenstopps eher an der Felsseite machen, als am Ufer des Pandsch. Es gibt noch immer am Fluss verminte Stücke.

Adressen:

  • Yeti Hostel: Bobojon Ghafurov Avenue, Gafurova Street 34, Bldg 1, Duschanbe
  • Orom Travel: 93/1 Rudaki Ave, Office 103, Duschanbe
  • Mountain Adventure Travel Tajikistan (MATT): 46 Shevchenko Street, flat 58, Duschanbe

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Das sagt wikipedia zum Pamir Highway.

Meine Reise auf dem Pamir Highway wurde unterstützt durch die PECTA in Zusammenarbeit AKF/MSDSP Kyrgyzstan and Tajikistan, GIZ Tajikistan, KCBT, Orom TravelTcellMATT und Kyrgyz Concept.
Alle Ansichten sind meine eigenen. 

11 Kommentare

  1. Hi Mad,

    Wow! Diese Bilder sind einfach der Hammer. Wir träumen schon länger davon mal auf dem Pamir Highway zu fahren. Auf der Bucketlist für einen langen Roadtrip steht er zumindest und irgendwann werden wir’s dahin schaffen. Hoffentlich nächstes Jahr.

    Die Landschaft ist sowas von eindrücklich und so anders. Vielen Dank für’s teilen der Erlebnisse.

    Liebe Grüsse,
    Reni

    • Danke, liebe Reni. Der Pamir ist tatsächlich ein einmaliges Erlebnis, das wirklich so ganz anders ist. Unbedingt machen! Liebe Grüße, Madlen

  2. Spannend! Ich bin ein wenig hin- und hergerissen. Die Bilderbuch-Fotos, die man in irgendwelchen Katalogen sieht, sind endlich durch „reale“ Fotos abgelöst. Es sieht toll und spannend aus, aber ich kann die Anstrengung irgendwie spüren – das lange Sitzen im auto wäre z.B. irgendwie nicht meins. Also vielleicht doch lieber ein bestimmtes Kleckchen aussuchen und sich da umtun – dann aber hat man diesen Eindruck vom Pamir Highway nicht – schwierig. Toll jedenfalls, dass Ihr diese Reise gemacht habt, bin scho ngespannt auf mehr.
    LG /inka

    • Danke liebe Inka, es ist alles eine Frage der Zeit. Mit genug Zeit im Gepäck ist die Tour weniger anstrengend 😉 Aber die Landschaft entschädigt. Liebe Grüße, Madlen

  3. Tolle Bilder. Ich beneide euch um diese Reise. Ich war vor ein paar Jahren mal im chinesischen Teil des tadschikischen Siedlungsgebiet (am Karakorum-Highway) und hab von dort die majestetische Bergkulisse Tadschikistans sehen könnten. Seither wollte ich immer mal das Land besuchen. Hoffentlich klappt es das nächste Jahr. :)

    • Und wir haben immer nach China, Afghanistan und Pakistan rübergeschaut 😉 Den Pamir solltest Du unbedingt besuchen. Diese Bergkulisse und der einschneidende Pandsch zwischen den Schluchten sind schon ziemlich einmalig. Liebe Grüße, Madlen

  4. Ich weiß gar nicht was ich sagen soll. Das ist so beeindruckend. Die Bilder, einfach wow.
    Den Weg muss ich mir genauer anschauen, da hätte ich richtig lust drauf.

    • Ganz lieben Dank, Neni! Die nächsten Wochen werde ich weiter über meine Eindrücke berichten 😉 Mit vielen Fotos! LG, Madlen

    • Nach dem zweiten Schauen: großartig. In dieser Landschaft ist – so wirkt es – alles, wirklich alles, was nicht absolut notwendig ist, einfach abgeworfen. So hart, so karg, aber auch zutiefst beeindruckend.

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