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Safariexperten? Ein Angsthase am Ngorongoro-Krater

Serengeti

Vierter Tag Safari, die Serengeti haben wir gerade hinter uns gelassen. Vor uns liegt der Ngorongoro-Krater. Bernhard und Michael Grzimek haben den gewaltigen Urzeitkrater, heute Heimat vieler Tiere, mit ihren Filmen in aller Welt berühmt gemacht. Für uns soll er der Höhepunkt unserer Fünf-Tage-Safari werden.

Die große Spannung der ersten Tage war schon etwas verflogen. Wir hatten viele Beobachtungen gemacht. Nach vier Tagen fehlten uns auf der Strichliste des zufriedenen Safaritouristen nur noch Nashorn und Gepard! Mal sehen, ob unser Guide morgen die ersehnten Tiere vor die Kamera locken kann. Doch sie sind mit Handys ausgerüstet. Es gibt eine gute Chance, die Big Five zu entdecken, da sich befreundete Guides untereinander kontaktieren und alle Spots austauschen. Gut für den zufriedenen Touristen, dennoch nimmt dies dem ganzen seinen Reiz.

Elefant in der Serengeti

Elefant in der Serengeti

Drei Giraffen beim Essen

Drei Giraffen beim Essen

Das erste Tier, das wir zum Start im Nationalpark „Lake Manyara“ erblickten, war ein riesiger Elefant, der direkt aus dem Gebüsch auf unseren Wagen zutrottete, etwas beschleunigte und uns um Haaresbreite rammte. Wow, so ein „shocking moment“ zu Beginn! Das erste Tier gleich ein Elefant, anstatt ein Warming Up mit ein paar Warzenschweinen und Impalas. Wir – natürlich im Innern des offenen Fahrzeuges – zitterten und versuchten staunend, die Kameras zum Laufen zu bringen. Es gab eine Menge zu sehen. Von den Schreien der Zebras, die mich mit ihren schönen Mustern verzauberten, fühlte ich mich in den Bann gezogen und die langen Wimpern der Giraffen faszinierten mich ebenso. Doch wie das so ist, nach zwei Tagen Serengeti mit Massen an Tieren, lässt die Faszination doch nach. Manchmal war ich sogar gelangweilt und winkte ab: „Ach, wieder nur ein Gnu! Ich bleibe sitzen, hab schon Hunderte Bilder“.

Da muss schon ein Rudel Löwinnen mit ihren Jungen her, um unser Interesse noch einmal zu steigern. Entspannt sonnten sich die Raubkatzen in der Mittagssonne auf einer Steinformation und schauten dabei den vorbeiziehenden Gnu- und Zebraherden hinterher. Unser Guide parkte in unmittelbarer Nähe, nicht mehr als zehn Meter. Und um uns den Mut eines wahren tansanischen Safari-Guides einmal zu zeigen, stieg er plötzlich aus dem Fahrzeug und pisste lächelnd in Richtung der dösenden Löwen. Mit stolzem Blick nahm er wieder auf dem Fahrersitz Platz.

Giraffe in der Serengeti

Giraffe in der Serengeti

Elefant

Elefant

Migration

Migration

Zebras on the road

Zebras on the road

Erheblich vorsichtiger war er bei der Begegnung mit einer anderen Großkatze. Ich erspähte einen Leoparden auf einem Baum, der genüsslich seine Beute fraß. Nur langsam näherten wir uns diesem prächtigen und unglaublich muskulösen Tier. Das Dach unseres Wagens wurde umgehend geschlossen und wir fuhren nicht annähernd so nah an den Leoparden heran, wie zuvor an die Löwen. „Leoparden springen vom Baum in die Geländewagen und richten in wenigen Sekunden ein Blutbad an. Sie sind einfach unberechenbar“, erklärte unser Guide. Wir waren gewarnt. Dann hielten wir am Rand des Ngorongoro-Kraters.

Jetzt also erst mal das Zelt schnell aufbauen, bevor die Sonne untergeht, und den atemberaubenden wolkenlosen Blick auf das Innere des Kraters wirken lassen. Als wir aus unserem Geländewagen stiegen und den Zeltplatz überblickten, bemerkte Madlen schnell, dass hier nicht viel Platz, Ruhe und Einsamkeit herrschte. Zelt an Zelt, Safarigruppe an Safarigruppe und zwei blätterfressende Elefanten am Rande des Platzes, umringt von einer Meute Touristen. Bei einigen war auch schon Alkohol im Blut, was die Furcht vor den Dickhäutern wahrscheinlich betäubte. Wir lösten uns aus der Mitte des Zeltmeeres. Das hier war der Simba-Zeltplatz am Kraterrand, es war kurz vor Weihnachten 2004, High-Season, und wer sich mit den etwas günstigeren Safaris auseinandersetzt, erkennt schnell, dass dieses Camp ein Standard-Übernachtungsspot für viele Gruppen in Nacht Nummer 4 einer Serengeti-Reise ist. An ganz dichten Tagen sollen es sogar bis zu 200 Zelte sein.

Madlen suchte uns einen Platz abseits der anderen Zelte: etwas den Hang hinunter, näher am Rand, deutlich stiller und einsamer. Unser fürsorglicher Guide kam gleich hinterher und ermahnte uns, wieder aufzuschließen, hier wäre es vielleicht gefährlich. Doch Madlen setzte sich mit ihrem Wunsch nach etwas Abgeschiedenheit durch. Außerdem: In der Nacht würde uns unser Guide eh nicht schützen können, denn abends fuhr er viele Kilometer zu einer Siedlung mit TV-Anschluss, um Champions League zu schauen. Fußball und Afrika ist sowieso eine besondere Geschichte. Hier nur so viel: Die Matatus-Kleinbusse sind häufig schick mit dem Vereinswappen europäischer, meist englischer Clubs in Verbindung mit einem christlichen Spruch verziert. Ein sonderbarer Anblick für einen Fußballmuffel wie mich.

Ngorongoro-Krater

Ngorongoro-Krater

Büffel

Büffel

Wie die Nächte zuvor blickte ich um mich. Einen Zaun um den Zeltplatz herum gab es natürlich nicht und jetzt hatten wir uns auch von den anderen Zelten entfernt, die einem etwas Vertrauen schenkten. Immerhin, die gemeinsame Kochstelle, die aus mehreren einzelnen Kochbereichen bestand, wies kleine Zaunabteilungen auf. Hier würde, merkte ich mir, ein Rückzugsraum sein, wenn es in der Nacht gefährlich würde. Doch wie sollten wir den Weg zwischen Zelt und Schutzgitter, vorbei an all den wilden Tieren, zurücklegen? Aber der Gedanke verflog gleich wieder, die leckeren Kochgerüche waren jetzt wichtiger. Überhaupt: Jede der drei Mahlzeiten am Tag war hervorragend und unterschied sich sogar von Tag zu Tag. Was hat man schon für Eintönigkeit auf Touren erlebt, doch unser Koch hier war ein Alfons Schuhbeck unter den Safariköchen. Unsere kleine Gruppe, bestehend aus zwei Schwäbinnen und einem Holländer, saß schon am Campingtisch und informierte uns, dass es noch eine Weile bis zum Abendessen dauern würde. Wir beschlossen, unseren Rundgang zur Erkundung des Camps fortzusetzen. Hinter den Kochgelegenheiten war noch ein festes, etwas in die Jahre gekommenes Sanitärgebäude. Mit etwas Respekt liefen wir nun auch in Richtung der Blätter fressenden Elefanten am Rande des Camps und schossen einige Fotos aus sicherer Entfernung. Etwas weiter abseits sahen wir einige Warzenschweine mit ihren Jungtieren. Sonst nur der herrliche Abendblick in die Weite des Kraters.

Von den Fahrten des Tages waren wir erschöpft, und so löste sich die kleine Reisegruppe nach dem Abendessen schneller auf als gewöhnlich. Um uns herum wurde noch fleißig gegessen, geschwatzt und gelacht. Wir gingen ins Zelt, um zu lesen und die Erlebnisse des Tages zu verarbeiten. Bald schliefen wir ein.

Mitten in der Nacht wachte ich durch ein Schmatzen und Kauen dicht an meiner Zeltwand auf. Wer frisst hier direkt neben meinem Zelt mitten in der Nacht? Ich spitzte meine Ohren und konzentrierte mich auf die Geräusche. Meine Gedankenwelt fing an zu rattern. Welches Tier ist das? Plötzlich war mir alles klar! Die zwei großen Elefanten! Nur die kamen in Frage. Der Gedanke manifestierte sich in meinem Kopf. „Oh verdammte Scheiße“, dachte ich. Nur eine dünne Zeltplane trennte mich von den tonnenschweren Viechern, die mir vielleicht in ihrer Tollpatschigkeit oder vor Schreck in der nächsten Sekunde mit ihren riesigen Füßen auf den Kopf treten würden, mindestens aber das Zelt niederrennen könnten. Diesen Gedanken malte ich mir in meiner Fantasie weiter aus. Irgendwie schaffte das monotone Kauen mich allmählich zurück in den Schlaf zu wiegen.

Dreckschwein

Dreckschwein, äh Warzenschwein

Hyäne

Hyäne

Etwa eine Stunde später weckte mich diesmal meine Blase. Draußen schmatzte es immer noch. Ausgerechnet jetzt vom unteren Ende des Zeltplatzes nach oben zu laufen, war sicher keine so gute Idee. Wie konnte ich mir behelfen? Gab es irgendein Behältnis hier im Zelt? Nein. Der Druck wurde größer und das Schmatzen der Tiere dauerte an. Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen, öffnete vorsichtig das Zelt und trat hinaus. Eilig zwei Schritte weiter, geschafft, und ich tat, was ich tun musste. Dann hastete ich zurück.

Schweißgebadet und mit pochendem Herzen legte ich mich nieder. Nur keinen Lärm machen und auch kein Licht. Das kleine Abenteuer überlebt, keinem Elefanten begegnet. Abermals lauschte ich dem Kauen, schließlich schlief ich erneut ein. Etwas später aber war ich wieder wach. Das gut gewürzte Essen machte sich bemerkbar. Diesmal würde ich um den Weg zu den Sanitäranlagen nicht herumkommen. Immer noch grasten die vermeintlichen Elefanten hinter dem Zelt. Dunkelheit und vollkommene Ruhe lag über dem Platz. Nach einer Ewigkeit des Abwägens schlich ich mich ein zweites Mal nach draußen. Nur der Mond erhellte leicht die unmittelbare Umgebung. Eben wollte ich meine Stirnlampe einschalten, um tatsächlich loszulaufen, da wurde es laut. Der Lärm kam von oben am Hang, Stimmen anderer Touristen waren zu hören, und eine Leuchte mit der Stärke einer Stadion-Flutlichtanlage flammte auf. Wunderbar, meine Furcht ließ sofort nach, dafür erschraken die vielen grasenden Tiere, die wild und erschrocken in meine Richtung rannten. Ich stand erstarrt mitten in einer kleinen Herde fliehender Tiere. Nun erkannte ich auch, dass es sich nicht um Elefanten handelte, sondern um Warzenschweine und Impalas. Elefanten grasen wahrscheinlich nur in meiner Fantasie, im wirklichen Leben fressen sie Blätter von den Bäumen.

Couragiert ging ich nun über den Platz den leichten Hang hinauf zum Sanitärgebäude. Plötzlich hörte ich ein Quietschen, Miauen, Schreien wie von einer wilden Katze. Ich fragte mich, welche wilde Bestie wohl ihr Unwesen im Toilettenhäuschen treibt. Da meine Gedanken recht kreativ sind, sah ich schon einen Leoparden vor mir. Der Lärm wurde lauter. Nahezu wagemutig und neugierig ging ich weiter. Dann war ich nah genug. Vor mir war kein Leopard, Löwe oder Gepard in Hockposition, sondern ein Guide: Vollkommen nackt und betrunken auf einer Toilettenschüssel sitzend, jauchzte er wie eine Wildkatze in die Savanne hinaus – oder war es doch eher ein Gassenhauer aus irgendeinem Fußballstadion dieser Welt?

 Wir reisten Ende 2004 einen Monat durch Tansania.

4 Kommentare

  1. Sehr schöner Bericht und Fotos.
    Als ich den Teaser gelesen hatte ging ich von einem Nilpferd aus, weil ich damals mein nächtliches Erlebnis damit gemacht habe.
    Aber du warst ja hier nicht in Flussnähe….
    LG, Peter

    • lars sagt

      Oh, Fortsetzung folgt, lieber Peter. In Uganda waren es tatsächlich die Nilpferde, die mir Respekt einflößten.

    • lars sagt

      Danke, Morten. Ostafrika ist wirklich empfehlenswert. Und die Migration in der Serengeti unglaublich.

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