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Tel Aviv – ein Spiel von Licht und Schatten

Strand von Tel Aviv

Meer und Himmel verschwimmen an diesem Morgen vor meinen Augen, als ich den Vorhang meines Fensters öffne. Das Mittelmeer ist nur vage in dem grau-weißen Ausschnitt zu erkennen. Doch schnell findet mein Auge Ablenkung in der Bewegung am Strand. Und da bewegt sich um 7 Uhr morgens schon einiges. Läufer, Inlineskater, Surfer, Stand-Up-Paddler, Kanuten tümmeln sich am und im seichten Wasser von Tel Aviv. Und als sich die Sonne endlich ihren Weg durch die diesigen Luftschichten gebahnt hat, kommt das Spiel mit Licht und Schatten hinzu.

Überhaupt, das Spiel von Licht und Schatten findet an diesem Tag immer wieder Platz auf meinem Spaziergang durch die Stadt – als ich im Südwesten der Stadt in Neve Tzedek ein kühles Plätzchen hinter dem Suzanne Dellal Centre for Dance and Theater suche. Im überschaubaren Gründungsstadtteil Tel Avivs, der „Oase der Gerechtigkeit“ übersetzt heißt, verliert man sich schnell zwischen den kleinen Boutiquen, Schmuckläden, Cafés und Gallerien. Überall gibt es einen Blickfang nicht nur in den Häusern, sondern auch auf deren Wände. Graffitis und Malerei findet man besonders in der Rehov Shalom Shabazi Straße, die Einheimische und Touristen zum Schlendern einlädt.  125 Jahre alte Häuser säumen die schmalen Straßen. Viele sind aufgefrischt. Inmitten des Großstadtgewirrs findet man hier Ruhe. Jede Stadt hat ihr Neve Tzedek, eine Gegend, die unheimlich charmant daherkommt und attraktiv für Touristen ist, weil diese hier das wahre Leben vermuten. Dass die Preise sich längst an den Besucher angepasst haben, ist hier nur nebensächlich. Und so tue ich es all den anderen gleich, die den Spirit von  Neve Tzedek spüren wollen und beobachte von meinem Tisch auf dem Gehweg bei einem Eis und Cappucchino das Treiben in der kleinen Ruheoase, bevor ich weiter zum Rothschild Boulevard gehe. Wer ein Haus bauen will, muss eines dieser Häuser zuvor sanieren, hat mir Yair gesagt.

Seit 2003 ist der Rothschild Boulevard aufgrund seines dichten Bauhaus-Bestandes, der teilweise in große Mitleidenschaft geraten ist, Weltkulturerbe. Schönheit siegt über Funktionalität. Schatten siegt in der Stadt der heißen Sommer auch über Licht. Das ist Bauhaus – man muss das Klare, Schnörkellose mögen. Häuser mit kleinen Fenstern, die nur wenig Sonneneinstrahlung in den Wohnraum lassen, wirken auf mich eher bedrückend. Doch auf dem Rothschild Boulevard wirkt das Globige nur weniger schwer. Ein grüner Streifen trennt die Fahrbahnen voneinander, an denen sich Architekten seit den 30er Jahren ausgetobt haben. Wo in Deutschland mit Blick auf die Abgase und Lärm ein Bogen herumgemacht wird, findet hier das Leben statt. Doggiewalker hetzen auf diesem langgezogenen Parkstreifen inmitten der Straße hurtig an mir vorbei, während es sich Studenten und Geschäftsleute gleichermaßen an einem der zahlreichen Pavillon zwischen den Fahrbahnen bequem gemacht haben, um ihren Kaffee zu genießen. Und auch das Wifi funktioniert unter den Ficusbäumen wunderbar. Wo sonst auf vergleichbaren Straßen der Verkehrslärm zur Hast zwingt, kann man auf einer der farbenfrohen Bänke gemütlich verweilen, oder auch in einem der vielen Cafés und Restaurants am Straßenrand. Und auch ein Besuch der Unabhängigkeitshalle, in der Ben Gurion am 14. Mai 1948 den Staat Israel ausrief, liegt hier nah.

Alt trifft auf neu. Moderne auf Spiritualität und Geschichte – das ist die Mischung, die Tel Aviv ausmacht. Ob das exzessive Nachtleben oder die liberale Lebenseinstellung – Tel Aviv ist eine Metropole, die viel Kreativität erzeugt. Und auch Design spielt hier wie in anderen Weltmetropolen eine Rolle. So entstehen immer mehr Modeläden. Und auch „Made in Israel“ heißt es da immer häufiger auf den Labels. Die Schuhindustrie hat eine lange Tradition, aber es sind junge Designerinnen wie Maya Levi, die hier wieder entwerfen und in Rishon Lezion produzieren. Der Erfolg ihrer Marke Olive Thomas scheint der studierten Produktdesignerin recht zu geben. „Tel Aviv is casual“,  meint sie zum Stil der Stadt. Und dieser wird durch das Wetter beeinflusst – luftig, locker, leicht und pragmatisch. Lieber flache Schuhe und Flip Flops, da ist wieder das Schnörkellose Tel Avivs, das auch ihren Modestil prägt.

Wo Neues entsteht gibt es aber auch immer das Altbewährte – das Marktleben funktioniert noch heute wie gestern. Nach all den Museplätzen am Rothschild Boulevard suche ich den Kontrast und finde diesen im Carmel Market, in dem Obst, Früchte, Süßigkeiten, Gewürze, Säfte und auch fertige Gerichte angeboten werden. Unaufdringlich schenken mir die Verkäufer ein Lächeln. Für 10 Schekel trinke ich einen leckeren selbstgepressten Grenadinensaft und lass das Marktleben auf mich wirken. Noch einmal tauche ich in eine orientalisch angehauchte Welt ab, bevor ich die Strandpromenade Prof. J. Kaufmann mit ihren Hoteltürmen erreiche.

Der helle Klang des Balls beim Matkot-Spiel, wie Beachball hier heißt, begleitet mich auf meinem Rückweg. Das Wasser ist glasklar. Doch das übliche Stadtstrandgetümmel muss man mögen. Ein Meer an Liegen lädt zum Sonnenbad ein. Braungebrannte Bademeister wachen in ihren hölzernen Tempeln über das wuselige Terrain. Hier ein Pfiff, da eine Durchsage, die sich mit der Musik, die aus großen mitgebrachten Boxen ertönt, mischt. Das Leben findet hier im Schatten der Hochhäuser am Strand statt, gut durchtrainierte Körper sind hier keine Seltenheit.

Doch nicht überall wird sich à la Baywatch zur Schau gestellt. So passiere ich ein Strandstück, das von Zäunen umgeben ist. Segregated Beach Nordau heißt dieser. Trotzdem kann man einen Blick auf das Gelände erhaschen. Ausschließlich Männer tümmeln sich heute dort – mit freiem Oberkörper. Es ist der religiöse Strand, an dem sich abwechselnd nach Wochentag nur Frauen oder nur Männer in den Fluten des Mittelmeers erfrischen können. Von hier ist es nicht weit zum alten Hafen.

In den ehemaligen Lagerhallen gleich neben dem Stadtflughafen Sde-Dov reihen sich Restaurants, Bars, Cafés, Boutiquen aneinander. Und auch ein Indoor-Foodmarkt ist dabei. Wo 1938 aufgrund eines Streiks der arabischen Hafenarbeiter in Jaffa mit dem Old Port ein weiterer Hafen in Tel Aviv – Jaffa entstand, der jedoch zu flach für Schiffe war, so dass die Güter vor dem Hafen auf kleinere Schiffe stattfinden musste, herrscht heute im Wasser gähnende Leere. Kein Boot hat sich hierher verirrt.

Gleich hinter dem Gelände befindet sich mit dem Jarkon Park am gleichnamigen Fluss eine kleine grüne Oase, in der gelaufen und Kanu gefahren wird. Tel Aviv ist grün – Bäume zieren die Boulevards und Straßen. Und doch findet man nicht so viele Parkanlagen. Weshalb auch? Tel Aviv hat seinen herrlichen Strand mit glasklarem Wasser, um den sich das Leben dreht. Tel Aviv hat aber auch viel Licht und Schatten.

Im Reisegepäck hatte ich das DUMONT Reise-Handbuch Israel, Palästina, Sinai, 3. aktualisierte Auflage 2015

Ich wurde von Israel Tourismus eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen. 

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