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3. Advent auf dem Boot {DIARY}

Amazonas

Der Tag beginnt früh. 6.30 Uhr aufstehen – dank Jetlag nach wie vor kein Problem für uns, frühstücken und dann zum Manaus Hostel fahren. Dort checken wir schnell ein und treffen unseren Guide von gestern, der gleich Verstärkung mitgebracht hat – nämlich Antonio aus Guyana, der uns heute gemeinsam mit Joyce, der Chinesin, begleitet. Wir laufen herunter zum Hafen, wo schon ein reges Treiben auf den Straßen ist. Sonntagmarkt heißt viele Stände und viel Gewusel. Heute Mittag schon soll das vorbei sein und die Ruhe über der Stadt hereinbrechen.

Am Hafen sind unsere beiden Jungs erst mal auf der Suche nach einem Boot, so zumindest unser Eindruck. Die Tagestour nehmen die beiden wohl nicht so ernst. Schließlich haben wir zu sechst (Joyce, wir, Fahrer und die beiden Guides) ein größeres Boot für uns allein. Wir steuern erst einmal die nächste Wassertankstelle an und dann den lokalen Hafen, um noch Eiswürfel zur Kühlung zu holen. Dann steuern wir zunächst wieder den Encontro dos aguas an, wo Rio Negro und Rio Solimoes aufeinandertreffen und über 14 km nebeneinander herfließen. Der Rio Negro ist langsamer (4 h/km) und aufgrund seiner Farbe wärmer und der Rio Solimoes schneller (7-9 h/km) und kälter. Wir hatten dieses Phänomen bereits vom großen Schiff viel besser gesehen, aber dieses Mal sprangen auch noch pinke Delfine umher. Das war sehr schön. Eigentlich wollten wir das auslassen, aber die Chinesin wollte dies bestimmt sehen. Auch die Wasserlilien wollten wir ursprünglich nicht unbedingt aufsuchen, letztendllich bereuten wir es aber ganz und gar nicht. Denn dieser Spot schien am Ende der schönste gewesen zu sein. Wir fuhren in Seitenarme des Rio Solimoes rein, weiter zum Lago January, wo wir uns Teppiche von Wasserlilien ansehen. Dazu verlassen wir unser Boot an einem schwimmenden Restaurant und laufen über Stege zu diesem kleinen See mit den Lilien. Auf dem Weg sehen wir in den Bäumen ein Faultier. Im See selbst gibt es Kaimane zu bestaunen – kleine und größere. Im Restaurant wird alles vorbereitet für Reisegruppen. Heute ist Sonntag und da kommen bestimmt einige. Das Buffet sieht gut aus.

Die nächste Station ist ein Haus hinten an diesem See, in dem eine Familie sich eine Anakonda hält. Zudem haben sie auch noch einen kleinen Kaiman im Angebot, dessen eine Gliedmaße abgebissen wurde – angeblich von einem bösen Pirañha. Das Maul des Kaimans ist zugebunden. So ganz geheuer ist mir das alles nicht, ethisch schon gar nicht. Die Familie verlangt extra Geld für Fotos, würden wir nicht zahlen, wäre das Interesse bald gering. Doch der Reiz des Fotos mit einer Anaconda ist für Lars zu groß. Und so spielen wir das Spiel der Tierquälerei mit. Nach diesem seltsamen Besuch fahren wir wieder zurück auf den Rio Negro und lassen Manaus rechts liegen. Hinter uns zieht sich ein typischer Urwaldregen zusammen, gerade als wir die erst im Herbst eröffnete Brücke von Manaus auf die andere Uferseite, die hier ca. 3 km entfernt ist, passieren. Dahinter weitet sich der Rio Negro immer mehr, wird aber auch immer idyllischer mit seinen weißen Sandstränden und der üppigen Uferbewachsung. Der Fluß sieht inzwischen wie ein großer See aus. Joyce hatte bereits beim Abfahren in Manaus gefragt, um welchen See es sich denn hier handelt. McKinsey-Chinesen ohne jeglicher Allgemeinbildung. Was soll man davon halten? Der große See Amazonas also, faszinierte auch unsere liebe Joyce.

Wir glauben, immer weiter ins unbesiedelte Gebiet zu fahren und werden doch überrascht, als immer wieder an weißen Stränden Menschenhorden aus Manaus zu sehen sind, die mit Booten und Autos hierher kommen, um ihren Sonntag mit Barbecue und Baden zu verbringen. Ein typischer Strandtag wie man ihn auch sonst wo finden könnte.

Nach 1,5 Stunden biegen wir in einen Seitenarm ab, in dem sich wieder eine Seenlandschaft vor uns öffnet. Wenige schwimmende Häuser befinden sich hier. Eines steuern wir an, um unserer nächsten Actividad nachzukommen – dem Schwimmen mit Delfinen. In einer kleinen Kammer ziehen wir uns um, in bester Gesellschaft mit Machete und Beinprothese, die auf dem Boden liegen. Dann geht es ins Wasser, obwohl weit und breit noch kein Delfin zu sehen ist. Das Delfin schwimmen wird nun eher zum Delfin füttern, denn mit einer Schüssel voller Fische werden die trainierten Delfine angelockt. Smart wie sie sind, tauchen sie zentimetergenau auf, um den Fisch zu schnappen und wieder unter uns zu verschwinden. Das ähnelt nun wirklich nicht der Vorstellung vom Schwimmen mit Delfinen. Aber anfassen kann man die auftauchende Schnauze schon einmal. Nachdem wir in diesem dreckigen (weil die Häuser tatsächlich ja auch Dreck hier hinterlassen) und pisswarmen Wasser fertig sind, willigen wir ein, noch ein Lunch am Strand um die Ecke einzunehmen. Das wird auf die Schnelle für uns organisiert.

Als wir mit dem Boot um die Ecke kommen, trauen wir unseren Augen nicht. Wir sind 1,5 Stunden von Manaus entfernt und hier befindet sich ein voller Strand wie in Polen zur Hochferienzeit. Fressbuden runden dass seltsame Bild ab. Überall dicke Menschen, die sich irgendetwas fettiges reinschieben oder durch die Wassermassen schieben. Zuschauen und wirken lassen ist das Beste, was man hier machen kann. Das Programm des Tages erfährt hier seinen Absturz. Schlechter kommt es allemal. Wir fahren nach 1,5 Stunden weiter zur anderen Uferseite, wo wir ein Indianerdorf besuchen. Antonio, einer unserer Guides, verweigert sich bereits diesem Programmpunkt. Und auch wir finden ihn äußerst seltsam. Das Setting des Indianerdorfes hätte nicht besser gewählt werden können. Ein riesiger Sandstrand mit schönen Palmen und anderen Bäumen, dahinter eine Klippe, auf der sich das Dorf befindet. Hier schauen wir uns zwei touristisch präparierte Malokas an, die auch als Verkaufsstand fungieren. Für die Zermonie hätten wir extra Zeit und extra Geld benötigt, was unserem Guide nicht gefiel und uns so auch nicht. Stattdessen machte er uns auf das Rubbermuseum, auch Latexmuseum genannt, neugierig.

Hierzu fuhren wir fast bis Ponta Negra zurück, um dann wieder in einen Seitenarm abzubiegen. Hier fuhren viele Boote, auch Yachten. Jetset auf Brasilianisch. Am Latexmuseum angekommen, begrüßten uns Filmarbeiten eines italienischen Teams. Diese sollten auch unseren Besuch des Museums verhindern. Wir unterhielten uns mit dem Assistenten, der uns über Titel und Regisseur aufklärte. Dann ging es zurück nach Manaus und wir waren, trotz der letzten drei Pleiten, wahrlich erschöpft. Mein Highlight war der Wasserliliensee, den ich eigentlich streichen wollte!

Vom Hafen gingen wir nun nahezu leere Straßen zurück zum Manaus Hostel. Von weitem sahen wir bereits, dass auf dem Plaza etwas abging. Wir ahnten schon, was uns dort erwartete. Hatten wir doch bereits am Freitag Abend die Vorbereitungen hierzu miterleben dürfen. Also suchten wir schnell das African House auf, wo wir einen Saft tranken und das verrückte Geschehen auf dem Platz beobachteten. Plötzlich ging ein Feuerwerk hoch, was den Weihnachtsmarsch eröffnen sollte. Dann folgte zu einer monotonen Mischung aus I wish you a merry Christmas und einer Oper der liebevoll vorbereitete Marsch mit Mottowagen und Kindern, die sich unter den Kostümen von Schneemännern, Lebkuchen, Schneeprinzessinnen bei schweißtreibenden Temperaturen tanzend und winkend voranquälten. Kein Job, mit dem ich heute tauschen wollte. Ulkig auch, wenn man bedenkt, dass nahezu niemand je einen Schneemann gesehen hat, aber alle eine Vorstellung davon haben und sich diese in zahlreiche heiße Regionen ausgebreitet hat. Weihnachten kann auch einfach ohne Schneesymbole funktionieren, tut es aber nicht. Am Ende erleuchtet über der Oper noch einmal ein Feuerwerk und versetzt alle in wahrste Verzückung. Dann hat das Spektakel ein Ende. Und auch der 3. Advent neigt sich dem Ende.

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