Der Tag, an dem der Westen seinen Duft verlor
Mein Kompass hatte nur drei Richtungen. Und dennoch schien er intakt. Dort wo die Sonne am höchsten stand, ging es für mich nicht weiter. Hinter der Linie am Horizont kam nichts. Doch der Blick in den Himmel reichte. Gen Süden fuhr man einfach nicht. Was uns davon abhielt, kannte ich nur vom Hörensagen. Ein Grenzzaun, der so fest in meinem Leben stand, nur 15 km von unserem Haus, blieb bis zu jenem Tag für mich unsichtbar, an dem er kein Hindernis mehr war. Hin und wieder schritt meine Patin mit Jeansjacken, Netzstrümpfen und Milkaschokolade in mein Leben und färbte meine Welt bunt. Jeder Gegenstand duftete, dass ich mir in meiner Vorstellung hinter der Mauer ein parfümiertes Land vorstellte. Doch ansonsten mangelte es mir an nichts, außer an den unbegrenzten Möglichkeiten. Aber mit meinen fast 13 Jahren hatte ich noch längst nicht die Gesamtpalette an Möglichkeiten ausgeschöpft. Das Universum vergrößert sich, je älter man wird. Die Wege werden länger, die Zeit rast schneller, der Wille nach Freiheit wächst. Was in der Kindheit noch die duftende Wiese …