Seit einem Jahr rauschst Du an mir vorbei. Oder ich rausche an Dir vorbei. Oder so ähnlich. Jede Woche, wenn ich durch deine majestätischen Linden- und Eichenalleen auf dem Weg gen Norden düse, denke ich darüber nach, wie schön es einst mit uns war. Die Liebe startete so ziemlich genau im Sommer 1997.
Als ich ein Jahr zuvor endgültig nach Berlin zog, wollte ich eine Großstadt. Doch im Sommer, wenn die Hitze sich in die Straßen legte und jeder von Berlin und seinem Drive schwärmte, dürsteten meine Poren nach Wasser. Es war Zeit für eine Erfrischung. Ob nach der Uni, vor der Arbeit oder am Sonntagmorgen, wenn ich aus den Clubs kam – immer war Zeit für ein Stück Brandenburg und seine Seen. Häufig setzte ich mich spontan ins Auto und fuhr einfach allein für 3-4 Stunden raus – Gorinsee, Liepnitzsse, Werbellinsee, Bauernsee – alle waren schnell vom Prenzlauer Berg aus zu erreichen.
Irgendwann reichten mir die kurzen Erfrischungspausen im Umland nicht mehr, meine einstigen Geheimtipps wurden Jahr für Jahr zu ausgetretenen Pfaden der Großstädter. Da ich genau das Gegenteil von dem in Brandenburg suche, was ich in Berlin ohnehin habe, viele Menschen und Lärm, flog ich wie ein Vogel davon. Ich schnappte mir ein Zelt und baute mir meine mobilen Wände auf die Zeltplätze im nördlichen Teil von Brandenburg. Doch wie in einer Beziehung, setzt nach ein paar Jahren die Langeweile ein.
Man schaut sich um, hier und da und zieht irgendwann weiter. Aus einem kleinen Seitensprung – mal eben über die Landesgrenze nach Mecklenburg geschielt – wurde eine neue Beziehung – mit kleinem Heim. Doch wer sagt eigentlich, dass man nicht zwei Lieben haben kann?
Und nun brause ich seit langem mal wieder in Richtung Liepnitzsee, ein Sommerregen prasselt auf uns nieder. Eine Frische liegt in der Luft. Als die Sonne ihre ersten Strahlen wieder durch das dichte Grün des Märchenwaldes zu uns runterschickt, springe ich ins kristallklare Wasser und schwimme hinüber zur Insel – genau so wie ich es immer tat.
Auf der anderen Seite angekommen, lege ich mich in den kühlen Sand und schaue in den Himmel. Wolken ziehen vorüber – Bilder all dieser schönen Stunden, Tage, Wochen ziehen vorüber – hier in Brandenburg.
Gedankenfetzen
- „Lindow ist so schön wie sein Name.“ Immer wenn wir uns Lindow näherten, riefen wir Fontanes Ode an Lindow aus. Was wirklich verblüfft, ist die schöne Lage zwischen drei Seen. Den Wutzsee kann man bei einem kleinen Sapziergang mit seinen 7,5 km wundebar umlaufen und passiert dabei auch gleich am Ortsrand die Klosterruine. Am Vielitzsee gibt es ganz schöne und einsame Badestellen. Der Gudelacksee ist da etwas geschäftiger – nicht zuletzt auch durch einen Campingplatz.
- Im Stechlinsee lebt der Stechlin. Das meinte nicht Fontane. Dieser festen Überzeugung war einst mein Freund und der hat Angst vor großen Fischen. Und die wuchs noch, als wir den Anglern zuschauten und sahen, was die für dicke Dinger aus dem Wasser zogen. Dabei sollten wir eher einer Sage nach den roten Hahn fürchten. Den Stechlinsee kann man umwandern – wer die Ausdauer für 16 km mitbringt. Wir radelten mehrfach um den See, was nicht ganz so viel Freude bringt durch den märkischen Sand. Und auch ein Boot mieteten wir uns häufig. Nur ein Stück weiter hinter dem Bootsverleih gibt es eine Stelle mitten im See, in der man stehen kann. Hier ruderten wir hinaus und spielten Frisbee. Das Wasser in Norddeutschlands größtem Klarwassersee gibt eine gute Sichttiefe von 10 m her. Manch einmal scherzten wir, das läge an dem nahen Kernkraftwerk. Apropos, eine Radtour am Kernkraftwerk nach Rheinsberg ist auch empfehlenswert. Und kürzlich erfuhr ich, man könne das Kraftwerk nun auch besichtigen. Ne ziemlich verstrahlte Sache!
- Einmal sich im Schiffshebewerk Niederfinow absenken zu lassen, das ist ein seltsamer Kindheitstraum, seit dieses Bauwerk Schulstoff war. Vor zwei Jahren wird der Traum ein Stück Realität, denn Freunde mussten mit ihrem Segelboot auf dem Weg von Berlin an die Ostsee diese Hürde im Eberswalder Urstromtal zwischen Oderbruch und Barnim überwinden. Und ich sagte, dass ginge nicht ohne mich! Der Plan war, nach der Arbeit schnell nach Eberswalde raus zu fahren, wo sie auf uns warten sollten. An jenem Tag waren wir spät dran. Obwohl es von weitem schon zu sehen war, wollte es nicht größer werden. Mit einer Vollbremsung parkten wir das Auto, rasten die Böschung hinauf und als wir oben waren, schlossen sich gerade die Tore, hinter denen das Segelboot unserer Freunde verschwand. Nein, das konnte nicht wahr sein, wir sind gerast, geflitzt, haben alles gegeben, um einmal im Schiffshebewerk uns mit einem Segelboot senken zu lassen. Und dann so etwas. Enttäuscht trotten wir zum Auto, um nach unten zu fahren, wo wir unsere Freunde auf dem Boot begrüßen und mit ihnen einen Abenddrink auf dem Boot zu nehmen. Der Wärter hätte sie wohl rein gewunken, sie konnten nicht mehr auf uns warten. Aber irgendwann wird es noch mal klappen.
- Es war zu einer Zeit, in der ich regelmäßig nach Afrika reiste. Für meine Kollegen war Afrika Safari und ich die Safari-Madlen. So verstand es sich von selbst, dass ich zur Verabschiedung aus meinem letzten Job als Geschenk einen Safari-Gutschein bekam. Meine Kollegen waren der Meinung, für eine Safari muss man einfach nur einen Schritt vor die Haustür machen und so schickten sie mich auf Safari durch Brandenburg. Jede Woche, wenn ich durch Brandenburg fahre, sehe ich Rehe, manchmal auch Wildschweine, Kraniche, Raubvögel… Es gibt also wirklich etwas zu sehen. Nur an diesem Tag regnete der Himmel die Natur platt. Nichts mit Trockensavanne und schon gar nichts mit Tieren. Spaß hat es trotzdem gemacht!
- Zu Ostern den Weihnachtsmann besuchen geht nicht ganz. Aber zumindest anklopften kann man an die Tür des Weihnachtspostamtes von Himmelpfort ganzjährig. Und das haben auch wir schon getan. Und wer nicht persönlich vorbeikommt, kann seine Weihnachtspost an folgende Adresse schicken: An den Weihnachtsmann, Weihnachtspostfiliale, 16798 Himmelpfort.
- Im kleinen idyllischen Flecken Zechlin ruht das Kopfsteinpflaster. Hier liehen wir uns häufig ein Kanu und stachen in das Seengebiet einfach nur für einen Sonntag (Schwarzer See, Großer Zechliner See, Zootzensee, Tietzowsse über den Jagowkanal zum Schlabornsee und zurück). Das Ganze machten wir auch umgedreht von Zechliner Hütte aus.
- Ein bisschen mulmig war es mir schon, als ich zum ersten Mal das KZ Ravensbrück passierte. Es war auf einer Radtour im Frühjahr, auf der ich nur reinlugte. Später plante ich extra Zeit dafür ein und tatsächlich spürt man die Beklemmung, wenn man zwischen Himmelpfort und Fürstenberg auf dem Boden des einst größten Frauenkonzentrationslager (1939 bis 1945) steht oder durch die Gänge zwischen den einstigen Zellen streift.
- An Wasser mangelt es der Wasserstadt Fürstenberg im äußersten Norden Brandenburgs nicht. Auf drei Seen kann man hier schippern: Vom Baalensee über den Schwedtsee die Siggelhavel entlang erreicht man über den Stolpsee das idyllische Dörfchen Himmelpfort. Fährt man durch Fürstenberg, drängen sich neben den drei Seen die bröckelnden Fassaden der Häuser auf. Wie häufig fragten wir uns, warum es an der B96 heute noch so aussieht. Gern möchte man den Bürgern einen Farbtopf in die Hand drücken. Protest statt Farbe, heißt es hier. „B96 raus“-Plakate und Zettel findet man an nahezu jedem Haus. Und man hat, wenn man in den Sommermonaten mit gesenktem Haupt in einer Blechlawine durch den Ort fährt, schon ein schlechtes Gewissen. Wer es schön mag, sucht die Villen am Röblinsee auf. Die sind so schön, dass ich bei meinem ersten Spaziergang am Röblinsee schon meinen Umzug nach Fürstenberg plante und den Zugfahrplan zum Pendeln nach Berlin checkte. Apropos Schienenverkehr: empfehlenswert ist auch eine Fahrt mit der Fahrrad-Draisine, die zwischen Fürstenberg und Templin von April bis Oktober verkehrt.
- Am Grienericksee liegt ein Schloss, das ich in den letzten Jahren fast immer nur ganz a la Verpackungskünstler Christo verhüllt sah. Mal war es die eine Seite, mal die andere, mal wurde im Garten gegraben. Nie schien es komplett fertig. Woche für Woche, wenn es uns von Frühjahr bis zum Spätsommer in den Norden trieb, passierten wir Rheinsberg oder hielten auch mal. Häufig spazierten wir durch den Schlossgarten – am Seeufer entlang. Man kann auch mit Boot direkt vorfahren. Dort, wo Friedrich der Große einst seine glücklichste Zeit verbrachte und Prinz Heinrich von Preußen, sein Bruder, einen bedeutenden Musenhof kreierte, wollte auch ich einmal länger verweilen – aber ohne raschelnde Planen. Immer wieder sagte ich, wenn es denn mal fertig ist, dann werde ich zur Feier auch in dieser traumhaften Kulisse einem dieser zahlreichen Konzerte beiwohnen.
- Wenn man durch die Straßen Neuruppins spaziert, spürt man noch ein wenig den Geist von einst. Fontane lässt grüßen! Doch dann überrascht plötzlich ein orientalisch angehauchter Tempelgarten mit dem Apollo-Tempel und und beeindruckt der Ausblick von Turm der Klosterkirche St. Trinitatis, den ich bestieg. Von Neuruppin aus erstreckt sich aber, wie soll es anders sein, auch eine idyllische Seenlandschaft – über den Ruppiger See, Molchowsee, Teetzensee, Zermützelsee, Tornowsee gelangt man bis zur Boltenmühle. Diese Strecke entlang der Seen eignet sich auch als Radtour …beides schon getestet.
Und noch ein Tipp: ja Brandenburgs Alleen sind schön – das hin und wieder wohl auch schon nach Grebescher Art jemand gegen ’n Baum gegurkt ist, weil er so abgelenkt war. Jeder scheint ja inzwischen den guten alten Sonntagsausflug als „Roadtrip“ zu verkaufen. Ich nicht. Das Auto ist nur Mittel zum Zweck (hin und wieder tut das auch die Bahn). Geht raus – schnappt Euch ein Rad oder Boot und spürt die Natur! Brandenburg ist für einen bloßen Roadtrip viel zu schade!
Kajakverleihstellen:
- Boltenmühle
- Flecken Zechlin: Bootsverleih Maranke
- Fürstenberg: Nordlicht Kanu
- Lychen: Treibholz
- Prebelow: Jugendherberge Prebelow
- Zechliner Hütte: Bootsservice Behnfeldt
Boote und Tretboote
Neuglobsow: Bootsverleih Stechlin
Campingplätze
Übrigens: Wusstet Ihr, dass Brandenburg mit seinen 2344 km Alleen (an 8.600 km langen Bundes- und Landesstraßen) von allen deutschen Bundesländern mit Abstand das alleenreichste Land ist?
Brandenburg ist wirklich schön. Früher bin ich dort mit meinen Großeltern immer zum Urlaub gefahren und ich finds schade, dass wir das nicht mehr machen.
Dass ich das letzte Mal dort war, ist wirklich schon zu lange her.
Von Berlin ist es ja ein Katzensprung und daher für mich total naheliegend, wenn es mich nach Ruhe und Natur dürstet. LG, Madlen
Ein wunderschöner Bericht zu Brandenburg. Musste ich gleich mal an meine Freundin, die in Berlin lebt und ständig auf Seen suche ist, weiterleiten. Ich selber konnte schon den Uckersee in Prenzlau kennenlernen und die tolle einsame Landschaft um die Stadt Prenzlau herum. ca 1,5 Stunden von Berlin, aber durchaus empfehlenswert.
Viele Grüße
Regina von travelschick.de
Danke liebe Regina. Die Uckermark und das Ruppiger Land mag ich auch besonders. Und irgendwo im Wald steckt in Brandenburg immer ein kleiner See, den man fast für sich allein hat 😉 LG, Madlen
sehr schöne Beschreibung einer wirklich tollen Landschaft… ich habe direkt neben dem Naturcampingplatz am Bikowsee den Campingplätze Berner Land entdeckt… der ist sehr toll, wirklich zu empfehlen… den Link habe ich mal eingefügt… ein Geheimtipp für Camping pur ohne Dauercamper und mit tollen Stellplätzen am See…