Estland und die Lieder gegen das Verschwinden
Plattenbauten aus der Sowjetzeit ziehen an uns vorüber, als wir Tallinn gen Osten verlassen. Peterburi ist nur 300 km, die russische Grenze 200 km entfernt. Das Weiß ummantelt die Tristesse dieser Gegend am Rande der Hauptstadt. Ein Viertel der Einwohner Tallinns leben im Plattenbau. Das matte Metall der Straßenbahnschienen, die die Menschen hier mit dem Zentrum verbinden, blinkt aus dem Schneegestöber. Tallinn ist klein. Schnell weitet sich der Blick, in den die Flocken hineinwirbeln. Das nördlichste Land des Baltikums hat der Winter Ende März noch im Griff. Wir kommen kurz auf dem Standstreifen der Autobahn zum Stehen, um alte Ringgräber anzusehen. Die ältesten erhaltenen Baudenkmäler hier. Man hätte die kreisförmigen Steinaufschüttungen fast übersehen können durch die beschlagene Scheibe. Wir könnten auch mitten auf der Autobahn anhalten – es hätte niemanden gestört. Wasserfall Jägala – gefrorene Erinnerung Es sind diese einsamen Landstriche, die mich immer wieder faszinieren. Raus aus dem Menschentrubel Berlins, rein in die Abgeschiedenheit. Wir verlassen die Route gen Osten – da wo Natur ihre kalte Schönheit entfaltet und ihr frostiges Gesicht uns entgegenstreckt. Vor uns …