„Es grünt aus der Bettwäsche.“ Mit einem breiten Lächeln macht uns Olga, die uns die nächsten Tage auf der Reise durch den Norden Portugals begleiten wird, auf die Vorzüge des Regens aufmerksam. Grün ist die Farbe der Region zwischen den Flüssen Minho und Douro, die von Weinbergen geprägt ist. Es treffen tiefgrüne Landschaften und Gebirge Peneda und Geres im Osten auf den rauen, ungezähmten Atlantik und weiße Sandstrände. Die als grüner Minho bekannte, niederschlagsreiche Provinz an der galicischen Grenze galt mit seiner ersten Hauptstadt Guimarães, seinem religiösen Zentrum Braga und all seinen lebendigen Traditionen im Land schon immer als Wiege Portugals. Und auch der einzige Nationalpark Portugals, Peneda-Geres, liegt hier. Die ersten Nächte in Nordportugal verbringen wir auf dem stattlichen Anwesen des Grafen Francisco de Calheiros, der uns in seinem Herrenhaus Paco de Calheiros aus dem 17. Jahrhundert willkommen heißt. Er führt uns durch die alten Gemächer – der Duft des Antiken benebelt etwas die Sinne. Unter dem Dach sammeln sich zahlreiche Antiquitäten – ein Zeuge anderer Zeiten. Beim Löffeln der typischen Kartoffel-Kohlsuppe Caldo verde lauschen wir seinen Erzählungen über die familiären Verbindungen nach Übersee. Generell war die Gegend lange Zeit von starken Auswanderungswellen betroffen, insbesondere ab dem 18. Jahrhundert nach Brasilien. Stolz ist der Graf auf ein paar Stories seiner Familie in der Regenbogenpresse, die im Kaminzimmer ausliegt. Gemütlich sitzen wir hier noch bei einem Wein zusammen, bevor wir uns in die gemütlichen Zimmer zurückziehen. Das Plätschern von Regen und Brunnen im Garten vermischen sich in der Nacht. Frische Landluft und wohltuende Stille breiten sich über dem Hang aus, von dem ich am nächsten Morgen bei blauem Himmel das Lima Tal überblicke. Die Sonne bringt das feuchte Grün zum Leuchten. Da ist der Dunst, der über die Bergkuppen hinwegzieht, und da ist ein Weg, der uns hinaus lockt.
Ponte de Lima – eine Brücke über dem Lima-Fluss
Auf dem Caminho Português, dem kleinen portugiesischen Jakobsweg, wandern wir nach Ponte de Lima. Es sind an diesem Morgen noch wenige Pilgerer unterwegs. Hier ein Plausch, da ein Galão – und schon sind wir am Ziel. Dieses erkennen wir an der wunderschönen namensgebenden Brücke, die den Lima-Fluss stolz überspannt. Römer bauten sie als Verbindung zwischen Braga und Astorga, noch acht Rundbögen auf etwa 100 Metern sind heute erhalten. Im 14. Jahrhundert wurde die Brücke dann um 31 weitere Bögen und 277 Meter verlängert und gilt heute als Wahrzeichen der Stadt.
Bei so viel Geschichte gibt es natürlich auch eine Legende – die Römer erkannten im Lima den mythischen Fluss Lethe, der in dieser Sagenwelt als Fluss des Vergessens und der Hinterhältigkeit galt. Die Seelen der Verstorbenen mussten das Flusswasser trinken um die Erinnerungen an ihre irdische Existenz auszulöschen. Ein General, der römische Prokonsul Decimus Iunius Brutus Callaicu, durchquerte den Lima allein. Um zu zeigen, dass sein Gedächtnis noch funktionierte, rief er jeden einzelnen Römer beim Namen und forderte ihn zur Überquerung des Flusses auf. Diese folgten ihm auf die andere Uferseite. Als Andenken hat die Stadt in Flussnähe Statuen von Römern aufgestellt, die auf die Rufe des Generals warten.
Viana do Castelo und die Eisenbrücke
Wir fahren ein Stück weiter dem Lima-Fluss entlang. Nahe seiner Mündung in den atlantischen Ozean überbrückt die alte Eiffelbrücke den Rio Lima. Sie ist eine der historischen alten genieteten Eisenbrücken des Landes. Am Ufer des Flusses verlassen wir kurz das Auto, um eine der schönsten Städte Nordportugals zu erkunden: Viana do Castello. Die Zeit ist knapp, als wir durch die verschlafenen Gassen rund um den Praça da República streifen. Die Fassaden in den Seitenstraßen blättern ab, Pflanzen hängen aus den Metallstäben der Balkone herab und wissen die Zeichen des Alters gekonnt mit frischem Grün zu kaschieren. Schatten spendende Schirme sind über manch eine Gasse gespannt und immer wieder erblicke ich Graffitis oder Tags. Diese Farbtupfer geben der Stadt ihren Reiz. Olga zeigt auf ein Schaufenster, in dem filigraner Goldschmuck ausgestellt ist – hierfür ist Viana do Castelo bekannt. Und auch für seine wappenverzierten Paläste, Kirchen und Klöstern und Brunnendenkmälern. Nach einer Stunde sind wir wieder am Flussufer. Das markante Krankenhaus-Schiff Navio-Hospital Gil Eannes, das jahrzehntelang die portugiesischen Schiffe des Kabeljaufangs unterstütze, ist von weither sichtbar. Doch hier sagen wir der Stadt „Adeus!“.
Braga – und die schönste Treppe Portugals
Auf dem Weg gen Süden stoppen wir im religiösen Zentrum des Landes – Braga. Mit Titeln wie „Bestes europäisches Reiseziel 2021″ und„glücklichste Stadt Portugals“ ausgestattet weckt sie natürlich unsere Neugierde. Die Stadt ist der Sitz des katholischen Oberhaupts Portugals, dem Erzbischof von Braga. Vom imposanten Erzbischofspalast kann man den Garten Santa Barbara überblicken. Überhaupt ist die Stadt auch bekannt für ihre Gärten, Parkanlagen und alten Häusern auf dem 18. Jahrhundert.
Die Schönheit Bragas erschließt sich erst, wenn man sich der Altstadt nähert. Kirchtürme ragen aus dem Häusergewirr, das einmal betreten mit schmucken Alleen, Plätzen und Straßen mit kleinen Altären an zahlreichen Häuserecken überrascht. Im alten Zentrum findet man die mittelalterliche Kathedrale von Braga – die erste portugiesische Kathedrale, die gebaut wurde, noch bevor Portugal als Land galt. Der romanische Bau vereint auch Einflüsse aus Gotik, Renaissance und Barock. Einst war sie vollkommen vergoldet, doch Salazar ließ Teile des Goldes entfernen, weil sie nicht zu einer romanischen Kirche passen und so sieht man auch noch dies Spuren. Neben dem geschnitzten Altarbild fällt die barocke Doppelorgel mit ihren waagerechten Orgelpfeifen auf. Die Kathedrale beherbergt ein Museum für Sakralkunst und die Königskapelle mit den Grabstätten von den Eltern des ersten portugiesischen Königs.
Braga befindet sich auf der einstigen Stadt Bracara Augusta, die zwischen 300 v. Chr. und 400 n. Chr. von Kaiser Augustus gegründet wurde und die Hauptstadt des nördlichen Iberiens wurde. Spuren der antiken Stadt kann man heute noch entdecken – beispielsweise auch in Restaurants („aTípica“ oder „Frigideiras do Cantinho“), in denen man durch den gläsernen Boden auf die römischen Ruinen schaut. Die alte Stadt blickt auf eine über 2.000 Jahre alte Geschichte zurück und erhält dabei seine Attraktivität für junge Leute – 40% der Einwohner*innen sind unter 30 – und die sieht man auch in den Straßen.
Auf dem 564 Meter hohen Monte Espinho im Nordosten der Stadt thront sichtbar die neoklassizistische Wallfahrtskirche von Braga – Santuário do Bom Jesus do Monte – mit ihrem 17 Stockwerke umfassenden Treppenaufgang. Nach Fátima ist Bom Jesús do Monte das beliebteste Ziel für Pilger*innen. Wir haben die Wahl zwischen knapp 600 Stufen zu Fuß über die barocke Treppenanlage Via Sacra und der bequemen Alternative, nämlich die älteste funktionsfähige Wasserballastbahn der Welt. Ich wäre gern gelaufen, doch alle raten mir, unbedingt die Bahn zu nehmen. Man erlebt eben nicht oft, dass aus einer Bahn zur Geschwindigkeitsregulierung das Wasser herausspritzt.
Wir entscheiden uns für die Standseilbahn Elevador do Bom Jesus, die sich durch die Schneise in dichten Wald schiebt. Sie bewältigt auf einer Länge von 275 Metern eine Steigung von 42 Prozent.
Oben angekommen besuchen wir die Kirche und genießen zudem den wunderschönen Ausblick auf Braga und die sanft hügelige Landschaft voller Berge und Wälder.
Bergab folgen wir der endlos langen Zickzack-Treppe, die mit Verzierungen, Springbrunnen und Statuen geschmückt ist und in drei Abschnitte der christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung, Nächstenliebe unterteilt ist. Es sind nur wenige Menschen unterwegs – hier ein Jogger, der die Anlage für sein Training nutzt, da einige Familien und Paare. Ich erreiche die Escadório dos Cinco Sentidos – die Treppe der fünf Sinne, die mit ihren fünf Springbrunnen die Sinne des Menschen darstellt. Der Fußweg ist kurzweilig, da ich immer wieder Details betrachte und das imposante Bauwerk bestaune.
Guimarães – die Geburtsstadt Portugals
Auf unserer Route darf auch ein Besuch von Guimarães nicht fehlen. Als ich durch die Straßen der Altstadt schlendere, fallen mir die zahlreichen Vende-Schilder an den Balkonen, zierlichen Eisenveranden und Fenstern in der Altstadt auf. Türen und Fenster in brauner, weißer, grüner oder gelber Farbe sind oftmals verzogen. Die Straßen sind an diesem Nachmittag belebt – Einheimische und Tourist*innen sitzen in Cafés und genießen den Sonnenschein. Wäsche und Blumen hängen über den Plätzen und Gassen, der Granitstein der Vorbauten und die Ziegeldächer schimmern oft grün durchs Moos. Die Zeit hat Spuren hinterlassen.
Die Stadt am Fuße der Serra da Penha existierte schon im 10. Jahrhundert. „Acqui nasceu Portugal“ (Hier wurde Portugal geboren.) – steht auf der Stadtmauer von Guimarães geschrieben. Die erste Hauptstadt des Landes gilt als die Wiege der Nation, auch weil hier Portugals erster König Afonso Henriques geboren und in der nahe gelegenen Capela São Miguel do Castelo getauft wurde. Die Geschichte des Landes lässt sich somit wohl am besten in der Stadt nordöstlich von Porto aufspüren, die 2012 auch Kulturhauptstadt Europas war.
Der gut erhaltene mittelalterliche Stadtkern zählt zum UNESCO-Welterbe. Man kann sich schnell in ein mittelalterliches Szenarium mit den Straßen überspannenden Bögen, Türmen und Kreuzgängen versetzt fühlen. Und dann wacht neben den Herrenhäusern der Adligen wie das Casa Mota Prego, der Palast Vila Flor oder der Palast Toural das alte romanische Castelo aus dem 10. Jahrhundert über den Dächern. Auf dem 600 m hohen Hausberg Monte da Penha kann man die Aussicht über Nordportugal genießen oder auch das beliebte Sanktuarium Santuário de Nossa Senhora da Penha besuchen, das man auch mit einer Seilbahn erreicht.
Porto – der Fluss und das Meer
Es ist der Abend vor dem Tag der Republik, als wir endlich Porto erreichen. Wir sind am Ziel unserer Reise durch Galicien und dem Norden Portugals – oder auch im Hafen angekommen, wenn man die Übersetzung des Stadtnamens wörtlich nimmt. Mein Blick schweift über den Fluss hinüber auf die andere Seite, wo die Lichter von Vila Nova de Gaia leuchten. Dort werden wir an diesem Abend noch im T&C Restaurant in der imposanten WOW (World of Wine) speisen und die Perspektive ändern, in dem wir auf die Lichter von Porto schauen. Mitten in jahrhundertealten Portweinkellern in Vila Nova de Gaia ist dieses mächtige Projekt als Hommage an die Region, die die wichtigsten portugiesischen Industrien und Traditionen beleuchtet, entstanden und dominiert nach meinem Geschmack zu sehr das Bild zwischen den kleinen, alten Häusern. Über die Ponte de Dom Luís I, eine Eisenkonstruktion aus dem Jahre 1886, die Porto über zwei Ebenen mit seiner Nachbarstadt Vila Nova de Gaia verbindet, geht es im Nieselregen zurück.
An meiner Unterkunft rattert eine der drei historischen Straßenbahnen vorbei – die Tram-Linie 1 führt am nördlichen Ufer des Douro entlang nahe ans Meer. Man könnte mit dieser schnell die Flussmündung und den Antlantik erreichen.
Am nächsten Tag zieht es mich hinaus in die Hafen- und Industriestadt Matosinhos. Von hier laufe ich ca. 10 km an den Stränden und dem Flussufer zurück nach Porto. Alternativ könnte man auch die Buslinie 500 nehmen.
Mich begleitet ein kraftvoller Wellenschlag, der zahlreiche Surfer*innen anlockt. Von überall eilen sie mit ihren Boards an den Strand, um das Meer mit Tupfern zu zieren. Und im Sand dehnen sich die gestählten Körper für ihren Wellenritt. Wer den noch nicht beherrscht, kann dies in einer der zahlreichen Surfschulen lernen. Es sind vor allem junge Frauen, die im Sand aufgereiht Trockenübungen praktizieren.
Ich laufe weiter Richtung Flussmündung des Douros. Unter dem leuchtend blauen Himmel spielen alte Männer am Strand Karten. Hier die Strandbars, in denen man sich auf einen Drink trifft und einfach nur das Leben vorüberziehen lässt, dort liegen die Sonnenanbeter*innen, um ihre Bräune aufzufrischen. Am Wasser paaren sich Sehnsucht und Heiterkeit. Zwischen Bewegung und Starre. Die Leuchttürme, Farol de Felgueiras und Farolins da Barra do Douro markieren die Mündung des Flusses in den Atlantik. Hier sitzt man und angelt oder trifft sich auf einen Spaziergang. Ich setze mich und lausche dem Schwappen der Wellen und schaue der kraftvollen Wassermasse zu, wie sie sich über die Kaimauern schiebt.
Portos Altstadt
Es bleibt mir nicht viel Zeit, Porto zu erkunden. Doch schnell wird klar, der Reiz liegt in den verwinkelten Gassen, die sich vom Douro hinauf an die Hänge schmiegen. Es stechen weniger die einzelnen Bauwerke ins Auge, sondern Porto als Ganzes: mit all seinen alten Häusern, winzigen, engen Straßen, barocken Kirchen und Bauten aus Granit. Und natürlich findet man überall die typischen portugiesischen Fassaden mit Azulejos.
Die Stadt wirkt verschlafen und lebendig zugleich, als wir an einem verregneten Morgen durch die Straßen schlendern. Wir starten in der Nähe der Universität. Eine lange Schlange bildet sich vor der Buchhandlung Livraria Lello e Irmão, die Einfluss auf die Harry Potter Romane genommen haben soll, da die Autorin Joanne Rowling selbst in den 90er Jahren in Porto lebte. Die Buchhandlung ist die älteste der Stadt und wohl für viele mit der Inneneinrichtung aus dem Jahr 1906 auch die schönste des Landes. So sind es weniger die Leseratten, die hier für ein Eintrittsgeld von 5 EUR Schlange stehen, sondern die Social Media aktive Crowd.
Wir überqueren den Platz des Löwenbrunnens, in dem jede*r Student*in getauft wird. In der Gegend der wissenschaftlichen Fakultät begegnen uns junge Student*innen in schwarzen Anzügen und Umhängen – die Praxantes, also älteren Semester. Olga klärt uns über die Rituale für die Erstsemestler*innen auf – die Praxe, eine alte Tradition der portugiesischen Universitäten. Sie besteht grundsätzlich darin, die Neuen an der Universität zu schikanieren und geht auf das 17. Jahrhundert zurück.
Wir streifen weiter Richtung Clérigos-Kirche – dieses Viertel ist bekannt für seine Bars und schicken Läden, meint Olga. Vom Gipfel soll man einen atemberaubenden Ausblick auf die Stadt genießen. Doch der Regen nimmt zu und wir entscheiden uns gegen den Ausblick und für einen Galão in der Confeitaria do Bolhão, die sich gegenüber vom historischen zweistöckigen Markt Mercado do Bolhão befindet. Das klassizistische Gebäude wird aktuell saniert und so mussten die Händler*innen temporär ausweichen. Unweit von hier befindet sich das touristisch bekannte Café Majestic mit seinem üppigen Jugendstil-Dekor. Hier soll Joanne K. Rowling die ersten Kapitel von Harry Potter verfasst haben. Das Café ist daher allein von außen schon ein beliebtes Fotomotiv und weckt bei mir weniger Interesse – als klassischer touristischer Hotspot. Ob an Hauswänden, in Parkanlagen oder an Aussichtsplattformen – überall fallen die kunstvollen, traditionsreichen Azulejos ins Auge. Wundervolle Beispiele der portugiesischen Fliesenkunst findet man an der Igreja de Santo António dos Congregados und im Bahnhof São Bento. Hier schimmert es überall in blau-weißen Tönen, das Farbspiel von Himmel und Wasser schmückt das Stadtbild.
Von Baixa geht es hinunter zum ehemaligen Flusshafen – nach Ribeira. Hier tummeln sich am Wasser vornehmlich Tourist*innen – angezogen durch das wirklich schöne Setting, aber auch durch die Gastronomie und das Nachtleben. Die engen, gewundenen Gassen und die dichte Häuserfronten, die vom Ufer des Douro aufsteigen, machen die hügelige Altstadt so malerisch.
Im Dourotal mit Rad und Rabelo-Boot
Porto und Portwein gehören eng zusammen und sind durch den Douro-Fluss miteinander verknüpft. So gelangen Douro-Weine (Tafelweine) und der Portweine (Likörweine) traditionell auf Rabelo-Booten aus den umgebenden Anbaugebieten nach Porto. Im angrenzenden Vila Nova de Gaia wurden sie gelagert und von Porto in die Welt exportiert. Wer in Porto verweilt, muss also auch das Dourotal besuchen.
Es ist frühmorgens, als wir Porto mit dem Auto verlassen, um einen Tag lang die umliegenden Weinanbaugebiete, die als UNESCO-Weltkulturerbe klassifiziert wurden, zu erkunden. Das Dourotal zählt zu den schönsten Landschaften Portugals. Nach 1,5 Stunden durch die gewellte Landschaft erreichen wir das Dorf São Martinho de Anta. Hier starten wir auf der EM 322-2 unsere Radtour, die wir immer wieder aufgrund der atemberaubenden Szenerie unterbrechen, um den Ausblick auf den mäandernden Fluss zu genießen und Fotos zu schießen. Autos sind nur wenige unterwegs, und so durchbricht nur das Krähen des Hahns die Stille der Täler. Wir spüren an jenem Tag die frühherbstliche Wärme. Durch die Rebstöcke schimmert das Flusswasser – die Sonne beleuchtet die gemusterten Hänge besonders intensiv. Immer wieder kommen auf den Bergrücken kleine Ziegeldächer und weiß getünchte Weingüter zum Vorschein und setzen farbliche Akzente.
Mittags erreichen wir die Quinta do Crasto, ein Weingut mit schöner Terrasse zum Essen für besondere Anlässe. Nicht nur das Anwesen beeindruckt, sondern auch der herrliche Ausblick über die kunstvoll angelegten Terrassen. Hier rufen wir uns wieder ins Gedächtnis, dass wir in der ältesten abgegrenzten Weinregion der Welt unterwegs sind. 77 Rebsorten soll es im Dourotal geben, wo noch handgelesen wird. Das besondere in der heißen Region des Dourotals ist das Mikroklima – Wolken und Feuchte bleiben an den Bergen hängen. Der Schiefer speichert die Wärme vom Tag und gibt sie nachts ab. Marquês de Pombal erklärte 1756 die Region von Peso da Régua und Pinhão im Oberen Dourotal zum exklusiven Herkunftsgebiet des Portweins.
Am Nachmittag nehmen wir auf dem Anhänger eines Traktors Platz. Dieser fährt uns hinunter zum Fluss, wo wir ins Rabelo-Boot umsteigen. Wir starten flussaufwärts nach Pinhão, die Hauptstadt des Portweins. Der Ort ist umgeben von zahlreichen Weingütern und als besonderes Highlight gilt der mit zahlreichen Azulejos-Bildern ausgeschmückte Bahnhof der Linha do Douro-Eisenbahnstrecke. Während der Bootsfahrt begleitet uns ein kurzes Stück die traditionelle Eisenbahn. Ansonsten begrenzen uns auf dem Wasser grüne Flächen und Linien unser Sichtfeld. Steile Weinterrassen klettern zu beiden Seiten des Douro-Flusses die Hänge hinauf.
Das Dourotal kann nicht nur auf erstklassigen Wein und edle Weingüter verweisen, sondern beeindruckt mich vor allem mit seiner atemberaubenden Natur. Malerische Kleinstädte und urigen Dörfer ergänzen das Bild. Eine davon ist Lamego, wo wir noch einen Abstecher zum wichtigsten barocken Heiligtum in Portugal – Nossa Senhora dos Remedios – machen, bevor wir den Tag im Dourotal auf dem Weingut Quinta da Pacheca ausklingen lassen.
Saudade am Douro
Wo der Douro auf den Atlantik trifft, vermengen sich süßes und salziges Wasser. Porto ist ein Stück Sehnsucht und Nostalgie. Am Ende der Reise blicke ich auf die schaukelnden Boote bei untergehender Sonne. In jenen Herbsttagen zieht Dunst vom Fluss auf und flutet die Gassen im schummrigen Laternenschein. Die umliegenden Hügel geben nur noch Umrisse preis. Nordportugal ist feucht und hat auch oft Nebel und Regen – doch wie immer folgen auf trübe Tage Sonnenschein. Dem konnten wir uns in den vergangenen Tage versichern. Und als zur blauen Stunde die Farbe auf den Hängen über dem Douro wie ein reifender Portwein vom kräftigen Rubinrot hin zu Braun- und Goldtönen changiert, spüre ich das Gefühl von Abschied. Feine Aromen von Gewürzen, Nüssen, Dörrobst, Datteln, Karamell, Vanille, Zitrusfruchtschalen umhüllen meinen Gaumen. Nordportugal verzaubert alle Sinne.
>>> Teil 1 Galicien <<<
Ich wurde von Gebeco zu dieser Recherche-Reise in Galicien und Nordportugal eingeladen. Die Reise wurde von Lufthansa unterstützt. Alle Ansichten sind meine eigenen.