Autor: Mad B

Sigiriya_5

Sri Lanka – die „glückliche Entdeckung“

Eigentlich sollte es regnen. Eigentlich. Dhamma Saara begrüßt uns mit einem Lächeln in seiner knallig orangen Kasaya und reicht jedem eine Lotusblume. Hinter ihm streckt sich die Spitze der Dagoba gen wolkenverhangenen Himmel. Trotz unserer müden, vom Flug gebeutelten Glieder kann man dem Mönch nur ein Lächeln entgegnen. Ich bin mehr als 24 Stunden auf den Beinen – gestern von Berlin mit der Bahn nach Frankfurt gereist und dann mit SriLankan Airlines nach Colombo, um den sich ankündigenden Winter zu entkommen. Nun finde ich mich völlig übernächtigt für einen Mittagsstopp im Umandawa Global Buddhist Village und schaue in die strahlenden Gesichter, die uns willkommen heißen. Vor 8 Jahren wurde das buddhistische Dorf eröffnet, doch fertig ist man hier noch lange nicht. Aktuell arbeitet man am zweitgrößten liegenden Buddha der Welt. Hier denkt man groß und lebt dennoch bescheiden. Wir lassen unsere Schuhe vor dem Eingang der Dagoba und legen unsere Lotusblüten auf den Schrein. Dann lauschen wir den Worten des Mönchs, die ein Gebet formen. Es bedarf weder einer Opfergabe anhand von Blumen noch eines Gebets, um ein guter Buddhist zu sein, erklärt uns …

Estland-10

Estland und die Lieder gegen das Verschwinden

Plattenbauten aus der Sowjetzeit ziehen an uns vorüber, als wir Tallinn gen Osten verlassen. Peterburi ist nur 300 km, die russische Grenze 200 km entfernt. Das Weiß ummantelt die Tristesse dieser Gegend am Rande der Hauptstadt. Ein Viertel der Einwohner Tallinns leben im Plattenbau. Das matte Metall der Straßenbahnschienen, die die Menschen hier mit dem Zentrum verbinden, blinkt aus dem Schneegestöber. Tallinn ist klein. Schnell weitet sich der Blick, in den die Flocken hineinwirbeln. Das nördlichste Land des Baltikums hat der Winter Ende März noch im Griff. Wir kommen kurz auf dem Standstreifen der Autobahn zum Stehen, um alte Ringgräber anzusehen. Die ältesten erhaltenen Baudenkmäler hier. Man hätte die kreisförmigen Steinaufschüttungen fast übersehen können durch die beschlagene Scheibe. Wir könnten auch mitten auf der Autobahn anhalten – es hätte niemanden gestört. Wasserfall Jägala – gefrorene Erinnerung Es sind diese einsamen Landstriche, die mich immer wieder faszinieren. Raus aus dem Menschentrubel Berlins, rein in die Abgeschiedenheit. Wir verlassen die Route gen Osten – da wo Natur ihre kalte Schönheit entfaltet und ihr frostiges Gesicht uns entgegenstreckt. Vor uns …

Lettland Kemeri Moor

Wo die EU endet – Lettland zwischen Stränden, Mooren, Bunkern und KGB

Ein eiskalter Wind bläst durch die verwaisten Straßen Rigas. Mütze, Handschuhe und dicke Winterjacke versagen an diesem stürmischen Märztag. „Nordwind ist immer kalt“, sagt Kristine, die uns auf dieser Reise begleitet. Auffällig viele gelbblaue Fahnen wehen in den Straßen. Hinzu kommen die rot-weißen lettischen Flaggen. „Gestern war Gedenktag für die Opfer des kommunistischen Terrors“, klärt sie auf. Was das bedeutet, werde ich noch bei einem Stopp im KGB-Museum auf dem Weg vom Flughafen ins Hotel erfahren. Das Eckhaus und der KGB – über Verschleppung, Folter und Verhöre 1949 deportierte das sowjetische Besatzungsregime 43.000 Menschen aus Lettland nach Sibirien – Bauern, Intellektuelle und andere, die Moskau als Feinde des Kommunismus ansah. „Jeder hat in der Familie jemanden der verschleppt wurde.“, sagt Kristine. Im einstigen KGB-Gebäude, das unscheinbare Eckhaus, werden wir durch die Verhörräume und Gefängniszellen geführt und blicken am Ende auf eine Wand mit Einschusslöchern. Die kalten Temperaturen in den Räumen, die damals auf 30 Grad beheizt wurden, versetzt uns in die Zeiten, in denen das Komitee für Staatssicherheit (KGB) in Lettland agierte. Tscheckisten haben im Eckhaus von …

Portugal

Wo Portugal aus der Bettwäsche grünt – Minho und Dourotal

„Es grünt aus der Bettwäsche.“ Mit einem breiten Lächeln macht uns Olga, die uns die nächsten Tage auf der Reise durch den Norden Portugals begleiten wird, auf die Vorzüge des Regens aufmerksam. Grün ist die Farbe der Region zwischen den Flüssen Minho und Douro, die von Weinbergen geprägt ist. Es treffen tiefgrüne Landschaften und Gebirge Peneda und Geres im Osten auf den rauen, ungezähmten Atlantik und weiße Sandstrände. Die als grüner Minho bekannte, niederschlagsreiche Provinz an der galicischen Grenze galt mit seiner ersten Hauptstadt Guimarães, seinem religiösen Zentrum Braga und all seinen lebendigen Traditionen im Land schon immer als Wiege Portugals. Und auch der einzige Nationalpark Portugals, Peneda-Geres, liegt hier.  Die ersten Nächte in Nordportugal verbringen wir auf dem stattlichen Anwesen des Grafen Francisco de Calheiros, der uns in seinem Herrenhaus Paco de Calheiros aus dem 17. Jahrhundert willkommen heißt. Er führt uns durch die alten Gemächer – der Duft des Antiken benebelt etwas die Sinne. Unter dem Dach sammeln sich zahlreiche Antiquitäten – ein Zeuge anderer Zeiten. Beim Löffeln der typischen Kartoffel-Kohlsuppe Caldo verde lauschen wir seinen Erzählungen über die familiären Verbindungen nach Übersee. Generell war die Gegend lange Zeit von starken Auswanderungswellen betroffen, …

Galicien

Ich bin dann mal weg – unterwegs im immergrünen Galicien

Der König ist da, schnallt Euch an! Das von Thommy angekündigte Polizeiaufgebot war dann doch nicht sichtbar und der König auch nicht, dafür viele Jakobspilger*innen. Wer nach Santiago de Compostela kommt, tut dies zu Fuß, mag man fast schon glauben. Denn jedes Jahr machen sich unzählige Menschen aus den unterschiedlichsten Motiven auf in Richtung Santiago de Compostela, um dem Wegweiser mit der gelben Jakobsmuschel zu folgen. Mindestens 100 km zu Fuß oder mit dem Pferd oder 200 km mit dem Fahrrad muss man zurückgelegt haben, um in der Rúa Carretas 33  bei der Internationalen Aufnahmeeinrichtung für Pilger*innen die Compostela zu erhalten. Hier bilden sich schon am frühen Morgen Schlangen. Wem ist schon bewusst, dass das Jahrhunderte alte und teilweise bereits vergessene europaweite Wegenetz des Jakobsweges erst durch den Aufruf des Europäischen Rats 1987, die Jakobswege neu zu beleben, verstärkt in das Blickfeld von Regierungen und Initiativen geriet. Seither ist es ein gutes Business. Waren es in den 70er Jahren noch weniger als 100 Pilger*innen, so strömten 2018 300.000 Pilger*innen nach Santiago. Im aktuellen Corona geprägten Jahr haben …

Griechenland

Blaue Pause: Segeln im Saronischen Golf und zu den Kykladen

„Ich kann sehen, wie sich die ganze Menschheit hier durch den Flaschenhals streckt und nach einem Ausstieg in die Welt des Lichts und der Schönheit sucht. Mögen sie kommen, mögen sie bleiben und eine Weile in Frieden ruhen.“ – mit diesen wundervollen Worten beschrieb einst Henry Miller Poros – einen der Orte, die ich auf meinem Segeltörn besuchte. Im vergangenen September tauchte ich einen Moment in das Licht am Horizont über dem Mittelmeer ein und entdeckte die Schönheit des Saronischen Golfs und der Kykladen. Wir segelten 6 Tage mit einem Katamaran auf dem Mittelmeer. Eingeladen war ich auf diese Segel-Reise von Argos Yachtcharter. Unterwegs waren wir mit einem Katamaran von Dream Yacht Charter. Neulich auf dem Meer. Azurblau das Wasser, Himmelbläue über dem Horizont. Darauf weiße Segel. Klare Linie, wo das Sichtbare endet und Vorstellung beginnt. Klare Linie, wo sich Sichtweisen unterscheiden. Es gibt kein oben, kein unten. Nur mittendrin. Es gibt Wind, es gibt Wellen, von hinten, von vorn, von den Seiten. Es gibt Kräfte, die sich entgegenstellen und die treiben. Und es gibt uns. Neulich, als sich …

Sep-Strausi

2020. Fragmente der Pandemie. Bebilderte Gedanken.

Der Lichtschein des Monds schiebt sich durch die Lücke des Vorhangs, und wirft Schatten auf das hellbraune Laminat. Durch die geöffnete Balkontür tönt der Balzruf der Nachtigall. Es ist Mitternacht, als der Vollmond die Großstadt erleuchtet. Obwohl ich an einer der Hauptverkehrsadern wohne, erinnert nur die Silhouette der gegenüberliegenden Plattenbauten, die hinter den feinen Ästen der… durchscheint, an Berlin. Lärm und Trubel werden aufgefressen von der Natur. Dieser Moment reiht sich in unzählige Bilder ein, die meine Fotostrecke „Stillstand“ im Kopf nähren. 7 Wochen, in denen mein Kopf nicht still stand und durch mangelnden Input auch keinen Output erzeugte. Geistig gelähmt, obwohl Extremzustände Gedanken zum Fliegen bringen. Doch landen wollen sie nicht sicher auf Papier. Ich wehre mich gegen alles, was erzwungen ist. Abschalten kann ich nur durch Bewegung, das ist mein Elixier. Einschalten will ich nicht. Dieser Film, der viele Facetten der Interpretation zulässt – ob Endzeitstimmung oder Hoffnungsschimmer auf eine bessere Welt – will zu nichts in mir passen. Berlin, 6. Mai 2020 Da ist dieser Blick aus dem Fenster am 30. März, als …

Papua2

Die letzte Reise – in Zeiten von Corona

Meine Beine verlieren an Leichtigkeit, je mehr wir uns dem Ziel unserer mehrtägigen Wanderung durch das Baliem-Tal nähern. Noch einen Fluss gilt es zu überqueren. Stromschnellen wirbeln unter dem Baumstamm, der als provisorische Brücke dient, das Wasser auf. Schwere Regenwolken liegen in der Luft und werden sich bald über uns ergießen. Aus dem Gebüsch tönen Zikaden, ich lausche ihrem Surren und meinen Schritten, als in meinem Kopf das Orchester meiner Gefühle eine Melodie komponiert – aus dem Pochen meines Herzens und dem sich überschlagenden Puls. In einer Stunde werde ich die papuanische Provinzstadt Wamena erreichen, mich dort nach Tagen digitaler Abstinenz in ein sehr behäbiges WLAN einloggen und die Welt, wie ich sie kannte, wird in diesem Moment nicht mehr dieselbe sein. Diese Vorahnung beschleicht mich. Doch als mich dann die neusten Informationen schleppend erreichen, überrollen mich diese mit einer unerwarteten Wucht. Wäre ich doch einfach weitergewandert, immer tiefer in die Berge hinein, in denen das Volk der Danis auf das der Yalis trifft. Manchmal zahlt es sich aus, uninformiert zu sein – zumindest für …

Myohyang-Gebirge

Nordkorea Diary – Im Myohyang-Gebirge

Eine zu Eis erstarrte Mittelgebirgslandschaft umgibt uns, als das Auto plötzlich hält. Song Guk, einer meiner beiden Guides, winkt mich nach draußen. Seine Kollegin Lim bleibt überraschend beim Fahrer im Auto zurück. Hier gilt kein Vier-Augen-Prinzip mehr. Vor uns liegen große Kasernenanlagen. Schreie tönen über das Gemäuer. Bilder fügen sich allein aus den Geräuschen in meinem Kopf zusammen. Eine ungewöhnliche Wanderung im Myohyang-Gebirge Irritiert frage ich Song Guk, ob wir hier jetzt wandern wollen. Er nickt und marschiert schon schnellen Schrittes davon. Ich stolpere auf den gefrorenen Wegen, die nicht gestreut sind, hinter ihm her. Frostiger und grauer könnte eine Landschaft nicht wirken, ihr Antlitz von Eis überzogen, meine Wahrnehmung von der Starre in meinen Adern geprägt. Das Blut schießt mir in den Kopf, verliere immer wieder den Halt auf den spiegelglatten Wegen, klare Gedanken habe ich längst verloren. Als wir uns der Kaserne nähern, schießt mir nur noch ein „das war’s Madlen“ durch den Kopf. Hier kannst Du von der Bildfläche dieser Welt verschwinden und niemand bekommt es mit. Vielleicht war ich doch zu naiv, als ich dachte, meinen …

Nordkorea, Silvester in Pjöngjang

Nordkorea Diary – Pjöngjang zum Jahreswechsel, Juche 109

Ein Fluss, ein Boot, eine Band, ein prächtiges Feuerwerk am Ufer – Silvester wie es überall stattfinden kann. Dass ich in Pyongyang bin, kann ich an jenem Abend schnell vergessen. Mal erfüllt die „DPRK“ alle Vorurteile, mal überrascht sie auch. Vier Tage bin ich bereits in einem Land, das ich nicht zu fassen bekomme. Mimik, Gestik, Zwischentöne sind nur kleine Anhaltspunkte, um hinter die Fassaden zu schauen. Der Interpretationsspielraum ist groß. Wir sehen immer das, was wir sehen wollen. Tatsächlich denke ich oft, das hier ist wie die DDR – nur krasser. An jenem Silvesterabend auf dem Boot finde ich mich in einer Parallelwelt wieder, die wenig mit Pjöngjang und noch viel weniger mit der Land Nordkorea zu tun hat. An den Tischen vor der Bühne, auf der zwei Stunden vor Mitternacht eine Frauenband im Krankenschwester-Look auftritt, das wohl sexy wirken soll, sitzen ausländische Touristen und Nordkoreaner, die es sich leisten können. Über Preise spricht man hier nicht. Eigentlich war vorgesehen, den Abend auf dem nahen Kim Il-sung-Platz zu verbringen, doch die angekündigten -16 Grad ließen …