Eng schmiegen sich die Körper aneinander. Während sich der Transmileneo seinen Weg zurück in die 8 Millionen Metropole bahnt, versuche ich kleine Bruchstücke der Stadt durch die Fensterscheibe zu erhaschen. Zu viele Fahrgäste versperren mir die Sicht. Noch habe ich nur eine verschwommene Vorstellung von Bogotá. Da ist die Altstadt Candelaria und die Neustadt um die Zona Roja und doch noch vielmehr. Dieses Vielmehr bin ich gerade dabei zu enträtseln, diese Zwischenstücke zu analysieren. Doch alles bleibt im roten Backstein – fast die gesamte Stadt. Und dann sind da plötzlich wieder ein paar Straßenzüge, Calle 10 zeigt ein Schild an. Ich erkenne nichts mehr. Trotzdem oder gerade deshalb steige ich nicht aus. Doch der Straßenzug verbessert keineswegs sein Antlitz. Ich sollte schnell handeln und doch bin ich gelähmt. Handeln heißt fragen, fragen heißt Achselzucken, vage Antworten und dann Rückkehr. Noch zweimal steige ich um. Ich verfranze mich mehr und mehr. Verfahren in Bogotá? Wie konnte mir das passieren? Schließlich erkenne ich von weitem die Kirchtürme der Altstadt Bogotás. Wie froh bin ich, als ich das Straßenschild der Av. Jimenez erblicke. Ich steige aus, laufe den Rest zu Fuß.
Auf dem Rückweg von meinem nachmittäglichen Ausflug zur 1,5 Stunden entfernten Kleinstadt Zipaquira hatte ich schlicht die Orientierung verloren. Die ganze Heiligabendstimmung, die ich von meinem Besuch in der Salzkathedrale mit nach Bogotá bringen wollte, ist mit einmal weg. Gestresst tauche ich ein in die vibrierende Stadt. Letzte Einkäufe werden getätigt, Autokarawanen schieben sich durch die engen Gassen der Altstadt.
In Deutschland schläft man bereits, als man sich in Bogotá noch auf das anstehende Weihnachtsfest vorbereitet, indem jeder noch schnell zu seiner Familie fährt. Auch ich freue mich auf meine „Familie“ – mein Freund wird mit dem 20 Uhr Flieger aus Caracas kommen. Und nun muss auch ich mich sputen. Als ich um 19.30 Uhr losfahren will, um ihn abzuholen, bitte ich das Hostel-Team, mir ein Taxi zu bestellen. Doch es ist kein Durchkommen in den Leitungen. Keine Taxinummer funktioniert. Immer nur Warteschleifen mit Hinweisen zum Ansturm. Schließlich gehe ich raus auf die Straße, um hier ein Taxi anzuhalten. Entweder kommt gar kein Taxi vorbei oder ein Überfülltes. Für den Bus ist es längst zu spät. Ich sehe kein Fortkommen. Heiligabend habe ich mir wahrlich anders vorgestellt.
Doch das Hostel-Team motiviert mich, geht nun mit mir gemeinsam auf die Straße. Und tatsächlich erblicken wir ein leeres Taxi, das anstatt der sonstigen 20.000 Pesos nun 30.000 Pesos verlangt. Ich deute an, dass das ungewöhnlich viel sei, aber glücklich, überhaupt ein Taxi ergattert zu haben, sage ich zu. Doch in dem Moment, als ich einsteigen will, fährt das Taxi weiter. Wir rufen ihm hinterher, obwohl auch die beiden Angestellten vom Hostel meinen, dies sei ein unverschämter Preis und noch ein viel unverschämteres Verhalten. Nun ist mir klar, den Flughafen werde ich wohl nicht mehr rechtzeitig erreichen können, und mein Freund weiß nicht, in welchem Hostel ich untergekommen bin. Ein Handy habe ich nicht bei mir. Eine etwas verflixte Situation.
Doch nach einer Weile kehrt dieser unverschämte Taxifahrer wieder zurück. Nun willige ich ohne Murren gleich ein. Er wird gesprächig. Weihnachten sei sehr viel los. Jeder wolle zu seiner Familie. Vom Flughafen werde es gleich ebenso schwer werden, wegzukommen. Daher bietet er mir an, auf mich zu warten. Innerlich lehne ich ab, äußerlich zeige ich mich höflich und nicke zustimmend.
Natürlich erreichen wir den Flughafen zu spät. Lars’ Flieger sollte längst gelandet sein. Nervös schiebe ich mich durch die Menschenmassen, die vor der Ankunftshalle warten. Typisch für viele Flughäfen Lateinamerikas besteht auch in Bogotá kein Grund, Abholer in die Halle zu lassen – das hat sich mit dem Bau des neuen Flughafens inzwischen geändert. Somit versammeln sich alle Abholer vor der Halle unter freiem Himmel. Ein Schildermeer ragt gen Himmel. Mit Mühe blicke ich auf den kleinen Ankunftsmonitor. Lars’ Maschine ist noch unterwegs. Kurz atme ich auf, doch das Gefühl der Freude währt nur kurz. Flieger für Flieger schiebt sich vor die Maschine aus Caracas, die laut Anzeige weder gelandet noch verzögert noch gecancelt ist. Als die Maschine nach 1,5 Stunden Wartens gänzlich vom Bildschirm verschwindet, überkommt mich ein ungutes Gefühl.
Nun ist es bei einer solchen nicht vorhandenen Ankunftshalle äußerst schwer, weitere Informationen zu erhalten. Also tingele ich zur Abflughalle. Dort erhalte ich die Auskunft, die Maschine sei gelandet, aber es dauere noch eine Weile bis die Passagiere draußen seien. Ja, Heiligabend reisen wohl mehr als man eigentlich denken mag. Immerhin ist dies eine frohe Botschaft, mit der ich mich wieder Richtung Ankunftshalle begebe. Gerade als ich mich durch die enge Menschenmasse quetsche, sehe ich aus der Ferne den Goldschopf meines Freundes, der sich in Richtung Taxistand bewegt.
Gemeinsam machen wir uns auf den Weg zurück in die Altstadt. Ein Festessen nach all der Aufregung an diesem Tag wäre jetzt nicht schlecht. Heiligabend kann nun beginnen. Doch kein Restaurant, das jetzt geöffnet hätte. Denn inzwischen ist Heiligabend nicht nur in Deutschland vorbei.
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Tolle Geschichte und so wahr! Dass man in Bogotá teilweise ewig auf ein Taxi wartet, hatte ich auch erlebt. Ich wollte damals im Berufsverkehr schnell noch zum Busbahnhof. 1,5 Stunden hat die nette Kolumbianerin alle Taxi-Dienste durchgerufen und sich durch zahlreiche Warteschlangen gekämpft bis endlich eins kam.
Aber immerhin ist dir dein godenes Christkind ja noch erschienen 😉
Oh, ich hatte sonst nie so große Probleme, aber an Feiertagen wäre ich jetzt vorsichtig mit Taxen in Bogotá. LG, Madlen