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Israels Küste – Reise von Tel Aviv nach Akko

Israel, Mittelmeer, 2015

Es ist morgens um 9 Uhr in Tel Aviv, als sich eine Blechlawine, wie in anderen Metropolen auch, in die Stadt schiebt. Warum aber auch Autoschlangen raus wollen, erschließt sich mir erst, als wir die Vororte von Tel Aviv erreichen. Hier sitzen viele High Tech-Firmen. Silicon Wadi statt Silicon Valley. Nach seinem amerikanischen Vorbild ist Israel heute der Standort mit der zweithöchsten Startup-Dichte der Welt. An keinem anderen Ort der Welt ist die Zahl der pro-Kopf Gründungen höher als in Tel Aviv.

Caesarea – ein wahr gewordener Traum von König Herodes

Desto verwunderlicher ist es als, auf halber Strecke zwischen Tel Aviv und Haifa altes Gemäuer von Caesarea vor uns auftaucht. Auch wenn nur noch wenige Überreste zu sehen sind, die man hier sogar tauchend erkunden kann, da sich viele archäologische Fundstücke im Meer befinden, kann man sich das Ausmaß der einstigen Hafenstadt von König Herodes an Land nur vorstellen. Er gründete 22 v. Chr. Kaiser Caesar Augustus zu Ehren die phönizische Siedlung Migdal Sharshan – die als prächtigste und reichste Hafenstadt Palästinas galt. Die gesamte Stadt, die im weißen Marmor erstrahlte, ordnete sich dem Hafen als Zentrum unter. Dieser wurde mit aufwendig ins Wasser gelassenen Felsbrocken in 12 Jahren gebaut, um einen 62 m breiten Damm zu schaffen.

Im Jahr der Kaiserkrönung von Titus Flavius Vespasian 69 n.Chr. erhob dieser Caesarea zur Königsstadt. Und einen neuen Namen gab’s damit auch gleich – Prima Flavia Augusta Caesarea. Den Höhepunkt erlebten die Stadt und Herodes, als hier die olympischen Spiele stattfanden.

Unter arabischer Herrschaft verlor Caesarea an Bedeutung und wurde schließlich 1101 von den Kreuzrittern erobert. Mehrfache Zerstörungen folgten – durch Sultan Ashraf Khalil wurde Caesarea dann 1291 endgültig dem Erdboden gleichgemacht. Im 19. Jahrhundert siedelten hier wieder Flüchtlinge aus Bosnien und ab 1940 kamen jüdische Siedler, die mit ihren zahlreichen archäologischen Entdeckungen die Aufmerksamkeit wieder auf Caesarea zogen. Wir betraten das Gelände durch den Südeingang, wo sich auch das römische Amphitheater befindet. Wo einst Gladiatoren um ihr Leben kämpften, werden heute Konzerte veranstaltet und Theaterstücke aufgeführt.

Wir gehen weiter durch Säulengänge, die zur plastischen Veranschaulichung nachgebaut wurden. Wir erreichen das römische Bad, in dem manch lustvolle Spielchen stattfanden. Dahinter liegt das Hippodrom mit seiner knapp 300 m langen Pferderennbahn. Jeder wollte damals besonders gern in den Kurven sitzen, meint unser Guide Yair, da hier die meisten Wagen stürzten.

Wir fahren noch ein Stück weiter und stoppen an dem Aquädukt, das aus dem Dünensand rag. Dahinter liegen Badegäste, die sich im Schatten der Bögen vor der Sonne schützen. Einst diente dieses der Wasserversorgung von Caesarea, indem frisches Wasser aus den 10 km entfernten Karmelgebirge herbeigeschafft wurde.

Backpackertraum Dschisr az-Zarqa

Wieder auf dem Weg nach Haifa verlassen wir bald die Schnellstraße, um die einzige rein arabisch besiedelte Stadt am Mittelmeer, Dschisr az-Zarqa, aufzusuchen. Die ca. 14.000 Einwohner zählende Stadt liegt zwischen Meer, Schnellstraße, Taninim-Nationalpark und Erdwall, der sie von den jüdischen Wohnbezirken von Keisarija trennt, eingegrenzt. Mit der Lage kann man etwas anfangen, dachte sich auch Neta, eine junge Israelin. Dschisr az-Zarqa zählt zu den ärmsten Städten Israels, nicht zuletzt weil wenig Wirtschaft vorhanden ist. Es ist eine Houseworker-Stadt, berichtet Neta. Jeden Morgen um 5 Uhr verlassen zig Busse Dschisr az-Zarqa und bringen die Reinigungskräfte aus der Stadt überall ins Land. Als Neta von ihren Reisen durch die Welt nach Israel zurückkehrte, hatte sie die Idee, den Tourismus in die arme Stadt zu bringen. Meer ist da, Nationalpark ist da, aber die Überzeugung in der Bevölkerung fehlte noch. Vor fünf Jahren traf sie auf Ahmed, mit dem sie das erste Guest House von Dschisr az-Zarqa eröffnete. Es ist einfach, aber liebevoll und zielt auf Backpacker mit seinen 20 Betten – auf Dorms und Doppelzimmern verteilt – ab. Da kein Geld vorhanden war, sammelten sie die 92000 Schekel per Crowdfunding ein und konnten letztes Jahr eröffnen. Auch die gastronomische Infrastruktur entwickelt sich jetzt langsam drum herum.

Wir fahren noch ein Stück weiter vom Ortszentrum ans Meer. Fischerboote liegen verschlafen im Sand. Früher lebte die Bevölkerung der Stadt vom Fischfang, heute ernährt dieser nur noch 20 Familien. Als wir auf der Terrasse einer kleinen Kneipe am Strand sitzen, verstehe ich, was Neta meint. Israel hat wunderbar hergerichtete Badeorte – hier aber findet man noch das Authentische, das Raue, hier hat man noch ein Stück für sich – der Backpackertraum vieler. Und als hätte ich sie in meinen Gedanken bestellt, erscheinen drei junge Leute mit Rucksack auf dem Rücken, die am Strand entlangwandern. An diesem Ort verlässt der Israel Trail, der einmal durch das Land führt und den viele junge Israelis entlangwandern, die Küste und biegt Richtung Karmelgebirge und dann Jesreelebene ab.

Haifa und seine Hängenden Gärten der Bahai

Als wir am späten Nachmittag Haifa erreichen, bleibt uns nicht viel Zeit. Die drittgrößte Stadt Israels liegt an den nördlichen Hängen des Karmelgebirges und bietet mit dieser Lage wunderbare Aussichtspunkte über die Stadt und das Meer. Bis auf 400 m liegen die höchstgelegenen Stadtteile, die zugleich die teuersten Wohngegenden sind. Am Meer hingegen – wo sich nahe dem Hafen große Industriegebiete mit Raffinerie, Durchgangsstraßen, Bahnanlagen und das omnipräsente Dagonsilo treffen – lebt überwiegend die arabische Bevölkerung.

Wir passieren die Ben-Gurion-Straße mit der deutschen Siedlung. Sandfarbene Steinhäuser mit mediterranen blauen, grünen oder rotbraunen Fensterläden und mit, für dieses Klima unpraktische, roten Ziegeldächern zieren das Viertel am unteren Eingang der Bahai-Gärten. Auch zahlreiche Restaurants säumen hier die Straßen.

Wir fahren hinauf zur Louis Promenade, eine Aussichtsstraße, die sich im oberen Teil Haifas am Hang entlangzieht und zum oberen Eingang der Hängenden Gärten der Bahai führt. Seit ihrer Eröffnung im Jahre 2001 dominieren diese terrassenförmigen Gärten das Stadtbild Haifas und wurden gar von Amram Mitzna aufgrund ihrer beeindruckenden Architektur als achtes Weltwunder bezeichnet. 2008 wurde der Schrein des Bab, in dem der Vorläufer des Religionsstifters der Bahai seine letzte Ruhestätte gefunden hat und der als Wahrzeichen der Stadt gilt, von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.

Im Gassengewirr von Akko

Im Stop-and-Go-schieben wir uns mit dem Feierabendverkehr aus Haifa, um zum Tagesabschluss noch die orientalischste Stadt Israels zu besuchen. Auf einer Landzunge am Nordrand der Bucht von Haifa liegt die Altstadt von Akko. Sie ist von einer bis zu 150 m starken Festungsanlage umgeben, von der man einen schönen Blick über die Bucht auf Haifa hat. Altstadt leben fast ausschließlich israelische Araber und prägen mit ihren wunderbaren, farbenfrohen Märkten die Stadt. Dass diese 2001 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurde, verwundert mich nicht. Hinter vielen geöffneten Türen verbergen sich Kunsthandwerksstätten. Kuppeln der Moscheen ragen aus dem engen Gewirr heraus und bieten ein wenig Orientierung. Als ich vor dem Tor einer Moschee stehen bleibe und beschämt meinen Fotoapparat wegstecke, kommt ein Mann auf mich zu und meint, ich könne die Moschee doch gern besuchen. Und Fotografieren sei auch kein Problem.

Am Ende verweilen wir noch einmal am Hafen und schauen im Licht der untergehenden Sonne dem Treiben zu. Junge muslimische Mädchen stehen kichernd an den Felsen der Kaimauer. Ein junger Mann mit Fotoapparat um den Hals reicht einen Ara den jungen Mädchen hinüber, um dann Fotos zu machen. Hier, wo allein die Stadt Motiv genug ist, wird dem Ganzen noch etwas Unwirkliches hinzugefügt. Als hätte man die Schönheit Akkos noch nicht erkannt.

Ich wurde von Israel Tourismus eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen. 

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  1. So viele Kontraste auf so wenig Raum! das Projekt von Neta hört sich spannend an. Ich drücke die Daumen, dass es ein Erfolg wird! Und langfristig positive Auswirkungen für die ganze Stadt bringt. Schöner Bericht, sonnige Grüße, Jutta

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