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Sue – eine Frau in Bogotá

Plaza Mayor

Es ist 23 Uhr. Draußen auf den Straßen Bogotás herrscht buntes Treiben. Fast genauso bunt sind auch die Kerzchen, die in der heutigen Nacht angezündet werden. Denn es ist Nacht der Kerzen. Vom Flughafen zum Hostel war dadurch schon nahezu kein Durchkommen gewesen. Und auch die feucht-heiße Luftdusche, die mir sonst den Begrüßungscocktail meiner Reisen liefert, schien bereits in Feiertagslaune zu sein. Ich befinde mich auf 2.640 m Höhe. Nicht alles was tropisch klingt ist auch tropisch. Tropisch ist nur die Musik, die in mein Taxi hineinschallt.

Cumbia Band

Cumbia Band

Von den Tropen ließ sich wohl auch das junge Reisevolk inspirieren, das wie ich das Hostel Sue in Candelaria als Stützpunkt seiner Nächte oder viel mehr auch der Tage gewählt zu haben scheint. Die Feierlaune ist auf dem Höhepunkt, als ich mich nach Ruhe dürstend schlaftrunken und völlig erschöpft in das Gästebuch eintrage. Es besteht kein Zweifel, was mein Körper dringend benötigt.

Strasse in der Candelaria

Strasse in der Candelaria

Zwischen dunklen, fensterlosen und stinkenden Mehrbettzimmern liegt mein kleines noch dunkleres Einbettzimmer, von dem ich mir eine Nacht voll Ruhe erhoffte. Ein Bett und ein karges Licht sind die gesamte Raumausstattung, die mir keine Ablenkung von meinem Vorhaben versprechen. Welcome to Sue! Eine Frau in Bogotá – schlicht, einfach, provokativ. Die Schönheit lässt sie vermissen. Ein Blick in den gegenüberliegenden Fernsehraum und Flur gibt einen Vorgeschmack auf das, was mich die nächsten knapp vier Monate begleitet. Alkoholisierte, partygestimmte Briten, Amis und Australier. Sicherlich auch andere Nationen darunter gemischt, nur vielleicht etwas weniger dominant in ihren Sprachorganen. Kreischend ziehen junge Mädchen durch den langen Flur und knallen immer wieder die Türen. Alkoholduft liegt in der Luft. Gegen diesen scheint sich mein Kulturbeutel zu wehren. Bis in die mittleren Etagen meines Rucksacks hat sich mein Duschöl entleert. Dementsprechend ölig sieht auch alles aus, was sich bis in der Mitte meines Rucksacks befindet. Der Gang ins Bad durch die quieksenden Girls bleibt mir nicht erspart – in das einzige Bad des Hostels. Also erst einmal warten, bis sich eines der Mädchen entledigt hat – eben so wie mein Duschöl.

Monserrate

Monserrate

Zugegeben – ich bin etwas zu müde, um die Aktion mit Herzblut anzugehen. Morgen ist auch ein Tag! So betreibe ich nur eine erste Schadensbegrenzung und verziehe mich in den Fernsehraum, um noch eine nächtliche Mail in die Heimat zu schicken. Hinter mir läuft der Fernseher auf lateinamerikanischer Zimmerlautstärke. Zwei stoisch dreinklotzende Amerikaner hatten es sich auf der Couch gemütlich gemacht. Der Kerl neben mir am Computer scheint auch nicht kommunikativer, selbst als ich ihn anspreche, kommt von ihm keine Regung. Kollektive Erstarrung gegen das schreiende Partyvolk. Den Anfang meiner Reise habe ich mir tatsächlich ein bisschen anders vorgestellt. Vielleicht ist es einfach nur die falsche Herbergswahl. Habe ich mich beim Hostelnamen zu sehr von Amos Kolleks melancholisch drein schauender Sue hinreißen lassen?

Ich kam am Abend des 7. Dezember 2009 in Bogotá an. 

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