Samarkand und der Mythos Seidenstraße
„Hast Du Kinder?“ „Nein.“ „Das ist krank.“ „Das ist Deutschlands Krankheit. Du musst Eva Herman lesen.“ Meine Brust bebt, meine Hände verkrampfen sich im dunklen Stoff der Decke, als ich bestimmend rauspruste, so etwas niemals zu lesen. Zugegeben, besser hätte meine Reise nach Usbekistan nicht beginnen können. Mein russlanddeutscher Sitznachbar, der in Usbekistan aufwuchs, hat mich bereits eine Stunde auf dem Flug von Moskau nach Taschkent über Chemtrails, Überwachung, Vergiftung deutscher Städte genervt. Müde nickte ich alles ab, obwohl jeder einzelne Punkt Anlass zur Diskussion geboten hätte. Doch beim Thema Kinderlosigkeit ging er mir mit seinem übergriffigen Urteil zu weit. Ich bekam eine ungefähre Ahnung, dass ich in Usbekistan wieder einmal an meine Toleranzgrenze gelangen könnte – längst fällt es mir schwer, Ungleichheiten und Intoleranz mit lächelnder Gleichgültigkeit zu begegnen und auf lapidare Kulturunterschiede zurückzuführen. Müde drehte ich mich weg und öffnete die Lider erst wieder, als ich um 3 Uhr nachts die Lichter von Taschkent unter mir ausmache und die Ansage zum Landeanflug durch die Aeroflot Maschine schallt. Nachts in Taschkent und wenn alle Züge ausgebucht …