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Atins und die Elemente der Natur

Atins

Meine Fußsohlen brennen, als ich in der Mittagszeit durch die Straßen von Atins spaziere. Die Erkundung des Ortes war wohl um diese Zeit keine gute Idee, soll ich schnell bemerken. Kaum ein anderer stapft bei diesen Temperaturen durch den Sand, und damit meine ich nicht die Lufttemperatur. Ich springe von Schatten zu Schatten, eiere über die heißen Sandkörner, die sich wie glühende Kohlen unter auf meinen Fußsohlen anfühlen. Wer sich mittags durch Atins bewegen will, tut dies mit Quad.

In Atins lerne ich mich zu bändigen. Sand und Hitze führen mich zurück zur Langsamkeit. Vom Gestalter werde ich zum Beobachter.

Atins

Der mühevolle Weg nach Atins

40 Minuten nach unserer Abholzeit um 7 Uhr klingelt es endlich an der Tür von Casa Frankie. Ein gut heruntergekühlter Van wird uns und zwölf weitere Passagiere für 60 Reais p.P. nach Barreirinhas bringen. Dort wollen wir noch vor der Mittagspause, die hier immer alles in einen Schlaf stürzt, auf das Boot nach Atins wechseln. Doch eigentlich hätte ich es besser wissen müssen, wenn es um Pläne machen geht. Lateinamerika tickt da eben doch immer etwas anders. Denn 1,5 Stunden kurven wir nun, obwohl schon fast vollbeladen, weiter durch die Stadtränder. Mal geht es zum Flughafen, dann in eine Pousada, dann zu einer Tankstelle, dann zu einer anderen Tankstelle…

Der Uhrzeiger dreht sich, während ich etwas durch Übelkeit gebeutelt das lateinamerikanische Zeitspiel über mich ergehen lasse. Ist halt so, denke ich mir. Das was auf uns zukommt, zeichnet sich durch die gut getönte Autoscheibe bereits ab, als wir dann doch endlich die Straße gen Süden nehmen. Die Landschaft verliert an Grüntönen, wird zunehmend karger bis Sandflächen mit Sträuchern das Bild dominieren. Ortschaften schrumpfen zum kompletten Minimalismus zusammen.Barreirinhas, BrasilienBarreirinhas, Brasilien

Als die Behausungen am Horizont zu einer Stadt verschmelzen, haben wir unser Zwischenziel Barreirinhas erreicht. Und wir sind optimistisch, obwohl die Uhr 12.30 Uhr zeigt. Ein paar Passagiere werden vor die Haustür gebracht, bis wir den Fluss Rio Preguifas ansteuern. Dort werden wir in die Hände eines geschäftstüchtigen Touranbieters übergeben. Der meint jedoch, die Boote seien schon alle weg. Heute sei eigentlich kein Weiterkommen. Mit dieser Aussage wollen wir uns nicht zufrieden geben. Four Wheels als Alternative sind im Gespräch. Nach ein paar Telefonaten und Minuten des Wartens und Verharrens buckeln wir die Rucksäcke auf und gehen mit dem behilflichen Mann gen Ortsmitte. Männer sitzen auf einem Grünstreifen im Schatten eines Baums und spielen Brettspiele. Ein Achselzucken und não verrät, hier wird sich heute niemand mehr mit Auto gen Atins bewegen. Die letzte Option ist ein Quad. Wenn ich etwas gelernt habe ist es, mit dem nötigen Kleingeld und guten Provisionen lassen sich immer Wege finden, wo schon das Sackgassenschild blinkt.Barreirinhas, Brasilien Barreirinhas, Brasilien

Wir fahren zur Fähre und setzen einmal über. Auf der anderen Seite Povoado Cantinho sind hinter dem Steg einige Quads aufgereiht. Der Tourtyp klärt alles weitere ab. Für 250 Reais bekommen wir ein Quad mit Fahrer. 150 Reais bleiben bei dem, der uns nach Atins bringt, die restlichen 100 Reais gelten als Provision. Es ist 14.05 Uhr als wir uns im sandigen Nirvana verlieren. Ich sitze ganz hinten, presse mein linkes Bein gegen ein sonnenerhitztes, glühendes Blech und rechne mir aus, mit welchen Verbrennungen ich hier davon komme, als sich auch schon mein Arsch zu Wort meldet durch die Qualen der vielen Sandanhäufungen, die unsere Körper nicht immer adäquat austarieren können. Mit einem besser trainierten Hüftöffner wäre das Beine spreizen hier ein Kinderspiel, denke ich mir, und nehme mir gleich vor, wieder regelmäßiger Yogastunden zu besuchen, denn genau jetzt würden sich diese auszahlen. Wir arbeiten uns durch Sträucher, durch tiefe Sandfelder und irgendwie erinnert mich das an meine Fahrten durch Botswana vor genau einem Jahr. Nur dass ich da in einem Four Wheel saß und nicht unter der prallen Mittagssonne auf einem knatternden Quad.

AtinsAtins

Der Sand knirscht zwischen den Zähnen, die Haare flattern durch den Küstenwind und die Glieder schlagen immer wieder gegen das heiße Blech. Und während ich beginne, wehleidig zu werden und die ersten Blasen an der Arschbacke spüre, fahren wir uns auch schon fest. Absteigen, schieben und hoffen. Der Sand brennt unter den Fußsohlen. Als wir nach einer Stunde Atins erreichen, will ich nur noch an den Strand. Das Ganze muss sich hier doch gelohnt haben. Valerio, der uns im Convento Arcádia herzlich willkommen heißt, zeigt uns seine Lieblingsbar La Dolce Mar – natürlich am Wasser.Atins Atins

Am Strand von Atins

Spuren von Quads sind tief in den Sand gebrannt, bis sie die nächste Flut überspülen wird. Der Wind umspielt Haare und legt sich als Geräuschkulisse in die Ohren. Wer hierher kommt, hat ein Accessoire bei sich, und das bäumt sich bereits auf der Wasserfläche kräftig gegen den Wind und gleitet am Horizont dahin. Atins ist ein Kitesurf-Paradies. Und so schauen wir von der Bar auf dieses bunte Segeltreiben, das in der sonst so kargen Landschaft doch irgendwie belebend wirkt. Ein paar Kinder schlagen im Sand ihre Räder während ein junger, braungebrannter Brasilianer mit geöffnetem weißen Hemd und kurzer Jeans auf einem weißen Pferd geritten kommt. Lässig befestigt er den Gaul an einem Pfeiler der Strandhütte und ordert ein Bier. Wäre das hier nicht Atins, es wäre eine erdachte Szene an einem surrealen Ort.

AtinsAtins, Brasilien

Mit einsetzender Dämmerung wird es geschäftig am Strand und auf dem Wasser. Kites werden zusammengepackt während andere noch ein paar Sprünge durch die Lüfte wagen. Vogelformationen mischen sich unter die farbenfrohen Kites. Quads knattern und manch einer macht noch einen letzten verfrühten Abendspaziergang, bis sich um 18 Uhr die völlige Dunkelheit über die sandigen Straßen von Atins legt. Dann stapft man wieder behäbig zurück. Die Tageszeiten sind von Sonne und Mond geprägt – Licht und Hitze spielen hier eine gewichtige Rolle.

Atins, Brasilien Atins, Brasilien

Der scharlachrote Ibis

Mit einsetzender Dämmerung lässt sich eine weitere Besonderheit nicht weit von hier beobachten. Am nächsten Tag lasse ich mich um 16 Uhr einmal auf die gegenüberliegende Uferseite übersetzen. Dort erheben sich Dünen. Aus der Ferne lassen sich rote Ibisse ausmachen, doch noch sind sie nur kleine Punkte am Horizont. In den Mangroven piepst und zwitschert es. Wieder peitscht der Wind, Sand treibt über die Dünen. Dahinter liegt das Meer. Esel und Kühe deuten auf Zivilisation hin. Doch Menschen sehe ich keine. Wir erklimmen die Düne in der untergehenden Sonne, setzen uns nieder und werden sofort vom Sand eingenommen. Als die Sonne fast am Horizont verschwindet, fliegen Ibis-Paare über uns hinweg. Anders als gewöhnlich sind diese hier scharlachrot. Aus Paare werden schnell Gruppen, ganze Formationen, die den Himmel zum Leuchten bringen. Sie alle versammeln sich in der Lagune. Wir müssen zurück, bevor sich um 18 Uhr die Nacht über den Fluss legt und sich die Mücken an unseren Körpern zu schaffen machen.

Atins Atins Atins

Langsam schieben meine Füße den Sand vor sich her. Die Dorfstraße gleicht einem einzigen Meeresstrand, in dem man tief versinkt. Flink geht hier gar nicht. Es fühlt sich an wie ein bewusstes Ausbremsen durch die Natur, um uns zurück zu uns selbst zu bringen.

Wer nach Atins kommt, weiß die Einfachheit zu schätzen. Die Elemente Wasser, Wind und Sonne prägen das Leben und führen einen auf das Wesentliche zurück. Die Natur bietet den Rahmen für eine wundervolle Reise in das Innere.

Atins, Brasilien Atins, Brasilien

Was man sonst noch wissen sollte?

  • Die Anreise mit dem VAN kostete 60 Reais pro Person.
  • Die Weiterfahrt mit dem Quad für 2 Personen kostete 250 Reais, wobei 100 Reais wohl Provision waren. Man bekommt die also durchaus günstiger, wenn man direkt zur Quadstation auf der gegenüberliegenden Flussseite geht.

Unterkunft

  • Convento Arcádia: Ein bisschen abseits vom Kite-Surf-Hotspot fand ich mit dem Convento Arcádia ein kleines Ruheidyll unter Kokospalmen und Cashewbäumen. Neben Zimmern im Haupthaus gibt es auch Chalets. Eine davon bewohnten wir. 100 m entfernt vom Strand kann man hier optimal die Seele in der Hängematte baumeln lassen oder auf einer sehr hübschen Plattform unter freiem Himmel Yoga praktizieren.

Restaurants und Bars

  • Pousada Jurara – vielseitige Küche und gutes WLAN
  • Jerimoon Tour – Tapioca und Acai und WLAN
  • Restaurante Chico Jacinto – Fisch und Sandwichs
  • Strandbar Lar Doce Mar – Drinks und Snacks

Empfehlung

Tour zum Vogeleinflug: Man setzt mit dem Boot über zur gegenüberliegenden Flussseite. Dort steigt man auf Dünen und schaut über das Meer. Um 17.30 Uhr fliegen dann Rote Ibisse ein, das Highlight der Tour. Bei 7 Personen kostet diese zweistündige Tour 25 Reais.

Tour in die Wüstenlandschaft Lencois Maranhenses von 9 Uhr bis 14 Uhr für 70 Reais bei 2 Personen.

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Ich wurde auf meiner Reise durch den Nordosten Brasiliens von TAP Air Portugal unterstützt und vom Convento Arcadia nach Atins eingeladen. Der Inhalt meiner Beiträge bleibt davon unberührt.

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