Dieser Tag stand im Zeichen der wohlhabenderen Gegenden Recoleta und Palermo. Nach dem es morgens regnete, suchte ich zunächst noch den Friedhof de la Recoleta auf, bevor ich mich den Künsten widmete und ins Museo Nacional de Bellas Artes flüchtete. Der Friedhof war sehr beeindruckend. Ich erwartete nicht so eine pompös gestaltete Stadt in der Stadt. Die Oberschicht Argentiniens lässt sich auch die Zeit nach dem Ableben einiges Kosten. So dominieren nahezu richtige Schnörkelgebäude das Gelände und man verliert bei der Höhe und der Menge der Gräber leicht den Überblick. So heißt es, suche man das Grab von Evita, müsse man nur den Massen folgen. Entweder fehlten bei mir wetterbedingt die Massen oder ich stellte mich etwas ungeschickt an. Aber die Suche war kein leichtes Unterfangen. Schließlich war die Suche doch von Erfolg gekrönt und so konnte ich das eher unspektakulär wirkende Grab ablichten. Durch Statuen und erhabenen Marmorfassaden kämpfte ich mich durch den immer stärker werdenden Regen und suchte schließlich das Kunstmuseum auf.
Schöne Künste gegen schlechtes Wetter
Die Argentinier scheinen den Tag langsam anzugehen oder vielleicht sind es eher die Kunstliebhaber oder das Bild vom Kunstliebhaber, weshalb dieses Museum die Öffnungszeiten auf 12.30 Uhr legt. So hieß es noch gut eine halbe Stunde vor den Toren warten. Und die Gruppe der Kunstbegeisterten wurde größer und größer. Oder war es die Flucht vor dem Regen? Mich hielt es nicht allzu lang in der Ausstellung, es waren hauptsächlich Impressionisten Frankreichs und argentinische Künstler zu bestaunen, wobei die Argentinier mit ihrer modernen Kunst noch interessanter waren. Ganz zu schweigen von den christlichen Bildern, die mich durch ganz Lateinamerika verfolgen.
Von tierischen und menschlichen Begegnungen im Park
Dass dieser Tag nun auch ein Tierischer werden würde, hatte ich nicht geahnt. So sah ich in Recoleta einige Paseaperros. Diese professionellen Gassigeher hatten tatsächlich 10 und mehr Hunde an der Leine. Sehr interessanter Nebenjob! Und als ich gerade ein Bild von Evitas Denkmal machen wollte, spritzte mich etwas an. Karnevalsgeschädigt wie ich bin, dachte ich als erstes an einen dummen Scherz, sah mich um, aber niemanden Verdächtigen mit Spritzpistole. Zudem roch diese Flüssigkeit, die mir vom Kopf übers Gesicht über mein T-Shirt bis in die Schuhe floss, etwas bierig. Also nahm ich es mit Humor, bis ich sah, dass diese Flüssigkeit weiß war. Ein Einheimischer im Trainingsanzug und mit schlechten Tätowierungen (für Dich Lars!) eilte mir zu Hilfe. „Pajaro!“ Jep, er hatte es erfasst.
Und dann folgte eine Saubermachaktion mit seinen Taschentüchern und seinem Wasser. Beim Säubern meiner Arschbacke sagte er immer wieder peinlich berührt „Disculpeme“. Dabei war es mir ziemlich egal, wo er herumwischte, Hauptsache weg mit der Scheisse. Das ein Vogel so viel Kot produzieren kann, ist schon enorm. Frage mich, aus welchem Arschloch diese Flüssigkeit gespritzt ist. Die Saubermachaktion dauerte 20 min. Mein Helfer forderte mich am Ende immer wieder auf, mein Top auszuziehen. Er würde sich auch umdrehen, damit ich es selbst säubern könnte. Als ich mich zierte, meinte er, er würde wegschauen. Bis er auf die Idee kam, dass nicht er das Problem sei, sondern andere Passanten. Also hatte er die grandiose Idee, mich in einen Busch zu locken, wo ich mich ausziehen könne – und er dann neben mir stehen würde. Da reichte mir die ganze Scheiße und ich verabschiedete mich während er noch im Busch stand und mich zu sich rüber winkte. Diese ganze Sache kam mir so surreal vor, dass ich erst im Nachhinein bemerkte, wie leichtsinnig ich mit meinen Sachen umgegangen war. Meine Tasche lag die ganze Zeit auf dem Boden. Wenn der Typ ein Dieb gewesen wäre, hätte er leichtes Spiel gehabt. Aber am Ende wollte er nur einen Kuss. Da kam mir der Gedanke, dass er der Vogel mit der Scheiße…
Von Frusteinkäufen
Weiter ging’s. Ich schwankte zwischen den zwei Optionen – wieder ins Hostel zurückfahren oder Augen zu und mit der Scheiße am Leib durch die noble Gegend. Aber da mich keiner kennt und ich zu faul war, den Rückwärtsgang einzulegen, ging ich weiter. Ich suchte die nächste Mall auf, säuberte mich dort in der öffentlichen Toilette neben den schicken Damen, die neben mir ihren Puder zückten und mir angewidert auf den BH sahen. Dann kam mir die grandiose Idee, bei Zara ein Top für 7 EUR zu kaufen. Und danach schlossen sich Frusteinkäufe an, die mir noch zwei Hemden einbrachten. Im Botanischen Garten konnte ich mich wieder der Natur hingeben und die Ruhe genießen, die man zwischen den Autos durchaus sucht.
Tango in Buenos Aires
Da dieser Tag nicht ganz so typisch argentinisch verlief, musste noch ein Abendprogramm her. Und als ich in mein Hostel zurück kam, versuchte mich auch gleich eine Mitarbeiterin dort von einem schönen Tangoabend zu überzeugen und verkaufte mir gleich die Karte mit. Die Hostelmitarbeiterin hat nur leider alles ein bisschen verpeilt. Es gibt zwei verschiedene Varianten – eine mit und die andere ohne Essen. Da eh nur Steak angesagt wäre, wollte ich natürlich ohne Essen und nur das Programm. Dieses sollte laut Hosteldame um 20:30 Uhr starten, schrieb sie mir sogar auf einen Zettel. Um 20.30 Uhr stand ich nun im Palast Tango Porteño und musste mir sagen lassen, dass ich erst in zwei Stunden kommen bräuchte, da jetzt erst einmal gegessen würde. Super, dachte ich mir und marschierte erst einmal in ein Café, um dort die Zeit sinnvoll zu überbrücken. Also stand ich um 22.15 Uhr erneut an der Tür und wurde mit einem herzlichen „Hola Madlen“ von der jungen Dame begrüßt. Und so bekam ich eine 1,5 stündige Show des Tangotanzes und der -musik vorgeführt. Sehr pompös gestaltet und teilweise kitschig. Aber die Tänzerinnen beeindruckten sehr mit ihren verschlungenen, hin und her wippenden Beinen, die im Kontrast zum restlichen steifen Körper stehen. Als ich um Mitternacht ins Hostel zurückkam, hatte ich in dem einzigen Doppelzimmer, das sich direkt neben meinem Zimmer befand, zwei neue Nachbarn bekommen. Ich brauch nicht zu sagen, dass mir deren junge Landesgenossinnen mit Glätteisen und Haarspray am Vortag lieber waren. Sie unternahmen wenigstens etwas, wohingegen diese Jungs zur Spezie gehören „ich fahre in eine Stadt und hänge den ganzen Tag im Hostelzimmer ab und nerve meine Umgebung“. Und so feierten die sonst was da drüben während mir wieder nur die Ohrenstöpsel blieben.
Am letzten Tag meines BA-Aufenthaltes suchte ich noch einmal Palermo Viejo auf. Gestern war ich ja von der “wohlhabenderen” Gegend etwas enttäuscht. Und die netten Läden vermisste ich auch. Aber heute erkannte ich, wo das In-Viertel von BA liegt. Hier reihen sich Boutiquen an Szeneläden an jede Menge Cafés und noch mehr hippen Leuten. Zum Abschluss also schon einmal ein Vorgeschmack auf Berlin. Und noch etwas bleibt mir in Erinnerung – die riesigen Strassen. Wie oft überquerte ich die Ave. de 9 Julio? 20 Spuren plus 2 Busspuren! Das ist mal breit!