Ich schaue aus meinem Fenster im 11. Stock in einem der Flame Towers auf die Stadt. Die Bucht ist ein Farbspiel, das sich bis in das Kaspische Meer ausweitet. Der Regen spiegelt die Lichter der nassen Straßen. Alles schimmert und auch ich bin Teil dieses Beleuchtungsspiel – indirekt mit meinem Zimmer. Wenn um 20 Uhr die wichtigen Gebäude im Zentrum Bakus angeleuchtet werden, erstrahlt auch der Fensterrahmen meines Zimmers im roten Ton.
Baku ist Licht, Baku ist Wind und Baku ist Bauboom. Denn hier ist alles möglich. Man plant in Superlativen und verweist stolz auf bereits umgesetzte Höhenflüge. Neben den genannten Flame Towers, die allabendlich im züngelnden Flammendeko illuminiert werden und neben unserem Hotel ein Bürogebäude und ein Wohngebäude zum Ensemble zählen, ist ein weiteres architektonische Highlight das Heydar Aliyev Cultural Center von der irakisch-britischen Architektin Zaha Hadid. In Wellenform und weiße Farbe getüncht strahlt dieses Gebäude den Minimalismus aus, den man in einer reichen Ölstadt sonst nicht vermutet. Über 60.000-Quadratmeter und auf über 9 Stockwerken erstrecken sich die Flächen, die größtenteils den überhaupt omnipräsenten Ex-Präsidenten Heydar Aliyev huldigen sollen. So befindet sich neben temporären Ausstellungen wie z.B. aktuell „This wild Africa“ von Adrian Stein oder Ausstellungen über die aserbaidschanische Kultur auch vor allem im 2. und 3. Stockwerk das permanente Heydar Aliyev Museum. Teilweise erzeugen die hier gezeigten „Mitbringsel“ von Staatsgästen ein Schmunzeln. Doch informativ und weniger unterhaltsam bietet sich das Archiv zum Ex-Präsidenten dar.
Der Minimalismus der Architektur lenkt ohnehin immer wieder von den Inhalten ab und zieht meinen Blick auf sich. Die Wellenform des Gebäudes soll die Unendlichkeit ausdrücken und die weiße Farbe eine strahlende Zukunft.
Das Baku eine glänzende Zukunft erwartet, mag man nicht bezweifeln. So entsteht nur einen Steinwurf von hier entfernt das „Olympiastadion“ für die im Juni 2015 stattfindenden Europaspiele und daneben auch gleich das „olympische Dorf“. Olympia findet doch in Rio… mag da manch einer denken. Richtig, doch als Verlierer möchte man dennoch nicht dastehen und hat einfach mal ganz clever ein neues Sportevent erschaffen, das nun erstmalig ausgetragen wird.
Die strahlende Zukunft liegt aber auch anderswo. Da man sich in die weiße Farbe fast ein bisschen verliebt hat, wird auch gleich einmal die einstige „Black City“ – die durch die Erdölgewinnung ihr schwarzes Gesicht bekam – ein bisschen gebleicht, so dass sie bald als White City in ein neues Leben starten kann.
Baku ist eine Stadt, die auf dem Ölboom aufbaut, aber die schmutzigen Seiten doch übertüncht – und das nicht nur mit Farbe. Alles was zu Glanz verhilft, ist dabei recht. So auch die enorme Beleuchtung.
Verschiedene Stile, verschiedene Architekten aus der ganzen Welt tobten sich in Baku bereits aus. Gründerzeit, Jugendstil, Neugotik… – Ende des 19. Und Anfang des 20. Jahrhunderts floss Öl und Geld durch Bakus Straßen, fast mag man diesen Satz auf heute übertragen.
Wer Fassaden aus Sowjetzeiten sucht, in denen Aserbaidschan als Teilrepublik eine weniger prosperierende Ära erlebte, muss sich sputen. Denn all die hässlichen mehrstöckigen Bauten bekommen aktuell ein neues Kleid mit Vorbau (Balkone) und sind im hübschen Gewand fast nicht wieder zu erkennen. Daneben frisch geputzte Fassaden, neue Steinhäuser und dazu die passende Beleuchtung. Nie sah ich eine hellere Stadt – die zwischen Realität und Traum, eine Brücke zu schlagen versucht. Am Boulevard am Ufer reihen sich Gucci, Armani, Tom Ford, Ferrari-Stores mit einer Selbstverständlichkeit auf, als würden die Bewohner nichts anderes tragen und fahren. Seltsam klingen die Worte meines Guide Rena, die betont, dass Aserbaidschan 1994 pleite war und Investoren suchte. Heute wird investiert – in großen Nummern – Superlativen locken, man will hoch hinaus. 1 km hoch – das weltweit höchste Haus „Azerbaijan Tower“ – soll im Rahmen von Kazar Island auf einer der 41 künstlich erschaffenen Inseln im Kaspischen Meer zwischen Baku und Gobustan entstehen. Wann dieses „Mammut-Projekt“ vollendet ist, dazu schmunzelt der Sprecher des Tourismusministers ein wenig verschämt. In zwei – drei Jahren könne man etwas sehen, da ist er realistisch.
Wer so viel an die Zukunft denkt, vergisst schnell die Vergangenheit. Zum Glück gab es Stimmen, die nach einer ersten Abrissphase in Folge eines Erdbebens im Jahr 2000 die weitere Zerstörung verhinderten, und so lockt heute die Hauptstadt Aserbaidschans auch mit einer schön restaurierten Altstadt İçəri Şəhər, die seit 2000 den Status eines UNESCO-Welterbes hat. Zahlreiche historische Bauwerke, Paläste und Moscheen liegen innerhalb eines Festungsrings. Gleich hinter dem Tor, durch das wir die Altstadt betreten, kehrt Ruhe ein. Mein Blick fällt auf die Skulptur des Dichters Aliaga Vahid. Dahinter liegt ein Labyrinth aus verwinkelten Straßen und es erhebt sich der Palast der Schirwanschahs, ein Gebäudeensemble aus dem frühen 15. Jahrhundert mit Wohnpalast, Mausoleum, dem Jungfrauenturm, Moscheen wie die Schah-Moschee und die Key-Gubad-Moschee. Baku lag im Mittelalter im Herrschaftsgebiet der Schirwanschahs und wurde im 12. Jahrhundert zu seiner Hauptstadt.
Neugierig schaue ich ein wenig später durch die geöffnete Tür in die Cüma Moschee. Gleich werde ich zum Besuch eingeladen. Schnell werden die Schuhe ausgezogen und ein Tuch über meinen Kopf geworfen. Ich solle nicht nach oben sehen, da drüben läge doch Mekka, erklärt mir der Gastgeber freundlich. Doch immer wieder schaue ich neugierig Richtung Kuppel. Vor der Moschee werden Teppiche ausgerollt, Souvenirläden und alte Karawansereien, in denen man sich bei traditioneller aserbaidschanischen Mugam-Musik in alte Zeiten zurückversetzen kann. Ein markantes Bauwerk mit einer besonderen Form ragt in knapp 30 m Höhe. Der Jungfrauenturm erhielt seinen Namen einer Legende zufolge von einer Prinzessin, die sich vom Turm ins Meer gestürzt haben soll, um einer arrangierten Ehe mit ihrem Vater zu entgehen. Auf jeder Etage brannte hier einst ein Feuer und war somit Ort der Feueranbetung. Noch heute setzt sich eine Ausstellung im Inneren mit diesem Thema auseinander.
Ich verlasse die Altstadt Richtung Nizami Literaturmuseum, tauche in das Gewimmel der Einkaufsstraßen um den Fontänenplatz ab, um nur ein wenig später von der Uferpromenade dem Sonnenuntergang und dem Erleuchten der Stadt zuzusehen. Erst flackert es vorsichtig, dann lodern die roten Flammen der Flame Towers während die vom des Eurovision Song Contest bekannte Kristallhalle im kräftigen Rot erscheint. Das Farbspiel der Stadt scheint sich in der Natur fortzusetzen, als am nächsten Morgen über dem Kaspischen Meer die Sonne aufgeht.
Die Reise in Bildern findet Ihr auf Instagram unter #puraserbaidschan
Ich wurde vom Tourismusministerium Aserbaidschan eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.
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