Der Satz „Ich fliege nach Barcelona.“ erzeugt häufig gleich einen sehnsüchtigen Seufzer gefolgt von Tausenden Tipps, die einen Städtetrip zur gelungenen Reise verhelfen sollen. Doch zig Male musste ich in erstaunte Gesichter schauen, als ich über meine Reise in die Provinz Barcelona sprach. Ich würde Natururlaub machen – keinen Städtetrip. Und so macht sich auch bei mir ein leicht seltsames Gefühl breit, als wir im Landeanflug auf Barcelona sind, aber nicht die City ansteuern, als wir vom Norden nach Süden der Provinz fahren, aber die Stadt nur umrunden und durch Tunnel unterfahren oder vom Strand nur die Skyline erhaschen.
Wandern wie einst Picasso im Cadí-Moixeró
Barcelona ist mehr – und genau dieses Mehr will ich erkunden. Dieses Mehr liegt zwischen türkisfarbenem Meer der Costa Barcelona und den sattgrünen Bergen der Vorpyrenäen und beginnt auf meiner Reise im Naturpark Cadí-Moixeró. Als ich diesen erreiche, hat sich bereits ein leichter Schleier über die bergige Landschaft gelegt, die nach oben felsig ausläuft. Der leichte Regen lässt das Grün noch frischer erscheinen, als es je ein Maler mit Ölfarben auf Leinwand hätte bringen können. Auch wenn das satte grün vor 100 Jahren die Landschaft weniger dominierte, so lag ihr doch schon damals auch ein magischer Zauber inne – der Natur mit Kreativität verbindet. Auf seinem Weg von Guardiola de Berguedà nach Bellver de Cerdanya verbrachte Pablo Picasso den Sommer 1906 in dem 1500m hoch gelegenen Gósol am Fuß der Sierra de Cadí. Dieser Aufenthalt sollte für den Maler stilprägend sein. Seine Farbpalette schrumpfte zudem auf die natürlichen Sand- und Ockertöne, die er in der Natur vorfand, zusammen. Er verliebte sich aber nicht nur in die Landschaft und das malerische Dorf, sondern vor allem in die Menschen. So stammen aus seiner Zeit in diesem beschaulichen Bergdorf viele Menschenstudien der Bauern. Vor allem die Hände standen hier im Fokus seiner Malerei und faszinieren ihn. Auch wenn Paos, wie sich Pablo in dieser Zeit selbst auf katalanisch nannte, Wohnhaus nur noch von außen im Augenschein genommen werden kann, findet man doch eine informative und zugleich didaktisch gut aufbereitete Sammlung im hiesigen Museum. Die 58,5 km lange Route, auf der Picasso damals unterwegs war, kann man heute in drei oder vier Etappen auch nachwandern.
Wem das noch nicht genug ist, der kann auch gleich die bekannte Route Camí dels Bons Homes – den Weg der „guten Männer“ – von dem Sanktuarium von Queralt in Berga nach Arieja mit der Burg Montségur auf französischer Seite der Pyrenäen wandern. Diesen ca. 189 km langen Weg, der als GR-107 ausgeschildert ist, benutzten im 13. und 14. Jahrhundert bereits die Katharer auf der Flucht vor der Unterdrückung durch die Truppen des französischen Königs. Es empfiehlt sich, diesen in acht bis zwölf Etappen zurückzulegen.
Kletterterrain Pedraforca und Vía ferrata von Vallcebre
Viele suchen dieses Gebiet im nördlichsten Zipfel der Provinz Barcelona nicht nur zum Wandern auf. Als sich am nächsten Tag von meinem Zimmerfenster in einer kleinen Holzhütte des Campingresorts Repòs del Pedraforca die Doppelspitze eines Bergs – der einer Heugabel oder einem umgedrehten W gleicht – vor meinen Augen auftut, verstehe ich die Faszination, die man mit dem Erklimmen solcher Gipfel verbindet. Doch nicht jeder Gipfel zählt zum Klettergebiet für jedermann. Ohne Erfahrung sollte man die „Steingabel“ – wie man den dominierenden Felsen Pedraforca nennt, nicht angehen. Ein Klettergebiet, das sich auch für Einsteiger lohnt, ist jedoch auch nur ein Steinwurf entfernt.
Um Vallcebre kann man sich an Klettersteigen der Vía ferrata probieren. Drei verschiedene Schwierigkeitsstufen bieten für jeden eine Möglichkeit, sich am Felsen auszuprobieren. Geht die Fortgeschrittenen-Variante Cal Curt nach außen geneigt tief in den Abgrund, so ist für jemanden mit Höhenangst auch die Mittelstufe, die Vía ferrata Roques de l’Empalomar, noch eine ziemliche Herausforderung. 160 Höhenmeter steigt man ca. 50 Minuten auf Metallsteigen an der Felswand entlang mal quer, mal hinab. Die einfache „Kindervariante“, die Ferrada de la Canalassa, bietet nicht ganz so viel Nervenkitzel, da man nicht in den tiefen Abgrund schaut, sondern auf einer Länge von 150 m nur 40 Höhenmeter über drei vertikale Teilstücke zu überwinden sind. Zuvor ist immer erst ein ca. 20 minütiger Wanderweg Cami del Camps del Tabac zu passieren, der durch einen Fluss und märchenhaften Wald führt.
Unter Tage in Cercs
Ich reiße mich vom Ausblick über die beeindruckende vorpyrenäische Landschaft des Naturparks Cadí-Moixeró los und tauche nur zehn Minuten später in die Bergwelt ein. Das Gebiet um den Pedraforca war einst ein wichtiges Bergbaugebiet, das Kohle ausspuckte. Aufgrund der Rentabilität und der billigeren Konkurrenz aus Ukraine oder Südafrika wurden Bergwerke wie das in Cercs 1991 geschlossen. Mit einer kleinen Bahn fahren wir 450 m tief in den einstigen Stollen dieses Bergwerks, um die harte Arbeit unter Tage nachzuempfinden. In kleinen Nischen wird die harte Arbeit unter Tage dargestellt. Ein kleiner Käfig hängt im Stollen – wir schauen uns fragend an. Ist er sicherlich nicht zur Zierde hier. Fällt der Vogel von der Stange, wussten die Bergarbeiter, dass sie ganz schnell die Grube verlassen mussten – aufgrund der austretenden Gase herrschte dann Lebensgefahr. Rannten die Ratten raus, sollten sie diesen Folgen. Meist bebte dann die Erde.
Auch wenn sich die Arbeitsbedingungen über die Jahrzehnte immer mehr verbesserten, zahlt man doch bis zum Ende dieser Arbeit seinen Preis – und der heißt Gesundheit. Dennoch ist die Arbeit im Stollen im Leben der hiesigen Bevölkerung so fest verwurzelt, so dass viele Arbeiter mit der Schließung haderten. Nicht nur im Stollen selbst wird der Besucher über die Funktionsweise eines Bergwerks aufgeklärt, sondern auch in zwei weiteren Gebäuden, die mit Ausstellungen und Filmen einen allumfassenden Einblick in das Leben der Bergarbeiter damals und heute geben.
Wandern in Naturpark Montseny
Wir lassen die Berge hinter uns und fahren durch die gewellten Landschaften der Provinz Barcelona, die die Berge mit der Küste verbinden. Im Naturpark Montseny entdecke ich auf einer Wanderung erneut wunderschöne Bergdörfchen, deren Ruhe sich direkt auf mich überträgt. Lavendel und Thymian zieren die Ränder von Montseny, wo eine Familie Parfum herstellt. Toni, der mich auf einer kleinen Wanderung begleitet, deutet auf ein kleines Lokal. Diese Kneipe hat keine Karte, hier gibt es immer nur ein Gericht, das ist aber umso leckerer. Das was die Familie isst, wird eben auch dem Gast serviert, so funktioniert das Gefühl von Gastfreundschaft und Zugehörigkeit. Immer wieder wird uns ein liebevolles Bon Dia entgegnet – und diesen guten Tag habe ich hier tatsächlich. Bis auf 1.700 m winden sich hier die höchsten Bergspitzen wie die des Turó de l’Home, den wir jedoch nicht erklimmen und stets vor uns sehen. Stattdessen wandern wir durch die Wälder des UNESCO Biosphären Reservats, und richten den Blick immer wieder auf die Buchen, Eichen, Kastanien, die die Natur zieren, und lauschen den Vögeln, immer auf der Hut, einem Wildschwein zu begegnen. Toni zeichnet eine Linie in die Luft – dort, wo der Riu Tordera sich dem Bergrücken herabwindet, sind die Grüntöne besonders satt. Unser Auge zeichnet die Linie nach. Irgendwo dahinten wird sich das Grün im Blau des Mittelmeeres verlieren – irgendwo dahinter werden wir heute noch fahren. Dieses „dahinter“ heisst Malgrat del Mar.
Es sind die kontrastreichen Berglandschaften, die ich bereits vermisse, als wir den Strand von Malgrat del Mar erreichen. 100 km Küstenlinie bilden die östliche Grenze der Provinz, die gern im Fokus der Touristen steht, die Sonne und Meer suchen. Doch Barcelona ist mehr als Meer, mehr als Stadt – hinter dem Horizont geht es weiter und wie so oft im Leben tut auch in diesem kontrastreichen Teil Kataloniens eine Horizonterweiterung gut.
Was man noch wissen sollte?
- Gósol erreicht man von Barcelona in ca. zwei Stunden über die Carretera Comarcal C-31, Carretera Local B-10, Carretera Comarcal C-58, Carretera Comarcal C-16, Carretera Local B-400, Carretera Local LV-4008. Das Bergdorf liegt im schönen Wandergebiet mit idyllischen Routen wie den Camí de Picasso oder den Camí dels Bons Homes (GR 107 und GR 7). Der Besuch des Picasso Museums im Ort lohnt sich.
- Cercs erreicht man von Barcelona über Eix del Llobregat (C-16) oder über die C-17 und C-26 in ca. 1,5 Stunden. Informationen findet man über die Tourismusseite von El Berguedà
- Montseny befindet sich 45 Minuten von Barcelona entfernt. Man erreicht das Dorf von der AP-7 kommend über Sant Esteve de Palautordera, wo sich auch die Tourismus-Information Montseny befindet. Drei rot-weiß markierte Fernwanderwege durchqueren das Gebiet: GR 5 von Camping nach Alguafreda, GR 83 von Rieds nach Abúcies und GR 2 von Eva nach Aiguafreda.
- Einen schönen Überblick über Ausflugsziele und Outdooraktivitäten in der Region erhält man bei dem Tourismusamt der Provinz Barcelona.
- Wer noch einen City Trip Barcelona verbindet, der kann sich bei unserem Reiseführertest Barcelona inspirieren.
Ich wurde vom Barcelona Province Tourism Board und dem Spanischen Fremdenverkehrsamt eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.
Jaaaa Barcelona ist echt so viel mehr! Auf dem Turo de l’home war ich auch noch nicht, aber auf dem Les Agudes, direkt daneben. Der Montseny ist so wunderbar!!!