Als wir um die felsige Nordspitze von Lanzarote fahren und den Rio überqueren, taucht am Horizont ein langer Landstreifen auf. Vermeintliche Berge ragen aus der platten Scheibe heraus. Dass diese vier Erhebungen gerade einmal 157 m bis 266 m messen, mag man fast nicht glauben. An diesem Septembermorgen weht ein frischer Wind über das Deck unserer Fähre. Ich genieße die Brise, die eine willkommene Abwechslung zu der Hitze Lanzarotes ist.
La Graciosa – anmutig und schön
Vor uns liegt La Graciosa, die Anmutige, wie sie einst der normannische Seefahrer Jean de Béthencourt nannte. Die kanarische Insel kann aber noch viel mehr, als grazil und anmutig im türkis-blauen Atlantik zu ruhen und auf ihre Gäste zu warten. La Graciosa kann in erster Linie überraschen. Einsame Strände, durchweg nur Sandwege und ein Nationalpark, der hinter der letzten Häuserlinie der einzigen (ernstzunehmenden) Ortschaft beginnt und sich über die gesamte Insel erstreckt – dies ist eine Mischung, aus der Träume gemacht sind. Doch aus diesem Traum holt mich Siggi, der schon viele Jahre auf dieser Insel lebt, schnell zurück. Im Hochsommer sind es schon einmal 3500 Gäste, die die knapp 30 km² große Insel und ihre ca. 600 Einwohner überrennen. Doch sie kommen morgens mit der Fähre und verschwinden abends wieder. Nur wenige Apartments bieten Platz zum Bleiben. Heute sind es nur ein paar Pärchen, die mit uns auf die anmutige Insel übersetzen und sich nach der Ankunft in Caleta del Sebo auf der Insel verteilen.
Siggi fährt uns mit seinem Geländewagen über den holprigen Weg, der aus festgefahrenen Sandrillen besteht, zum 5 km entfernten Strand Playa de las Conchas. 6 Euro pro Person kostet das Vergnügen. La Graciosa ist mit Ausnahme einer Handvoll Jeeps, mit denen die Einheimischen fußfaule Touristen umherfahren, autofrei. Und genau das macht auch den Reiz aus. Wo sonst gibt man sich ungestört voll und ganz dem Rauschen des Windes und dem Klatschen des Wellenschlages hin.
Am wilden Strand Playa de las Conchas
Als wir gegen 11 Uhr den Playa de las Conchas erreichen, lehnt nur eine Handvoll an Rädern im tiefen Sand. Mühevoll arbeiten sich meine Füße ihren Weg durch den beigen-hellbraunen Sand, dessen Körner einen quietschenden Rhythmus erzeugen, der fast wie Musik anmutet. Es ist der Rhythmus von Graciosa.
Ich lasse mich auf dem steil abfallenden Strandstreifen zwischen Berge und Meer nieder. Eine rote Fahne weht im Wind und zeigt an, das Wasser lieber nicht zu betreten. Nicht nur die wuchtigen Wellen flößen Respekt ein, sondern auch eine gefährliche Unterströmung. Es gibt keinen Baum, der Schatten spenden könnte, doch der Wind allein kühlt ab.
Es ist ein Landstrich der harten Kontraste – nur ein paar Büschel spenden in dem Spiel an Braun und Blau ein wenig mattes Grün. Im Süden wird der lange Sandstreifen von schwarzem Vulkangestein gestoppt, kleine dunkle Felsspitzen ragen aus dem türkisschimmernden Meer. Im Norden lädt der rotbraune Montaña Permeja zum Erklimmen ein, um sich mit dem Auge die restlichen unbewohnten Inseln des Chinijo Archipel – Alegranza, Montaña Clara, Roque del Este, Roque del Oeste – zu erschließen.
Am Fuße des Montaña Amarilla
Nach einer Stunde, die ich einfach nur meine Augen schließe, um die Ruhe zu genießen, folge ich noch einmal den Spuren im harten Sand. Eine Möwe kämpft mit einem Fisch. Eine Frau hat den Kampf gegen den Wind aufgegeben und schließt ihren Schirm. Ich lasse den Blick auf die Insel Montaña Clara, die direkt vor mir grau-braun steil in den Himmel ragt, hinter mir und fahre zurück in die Ortschaft Caleta del Sebo, von wo aus wir einen Weg zum süd-östlichen Ende der Insel einschlagen. Wieder passieren wir schöne Badebuchten, die jedoch etwas besser besucht sind, als der Playa de las Conchas. Boote tummeln sich im Wasser. Die letzte Bucht wird von einem gelb-roten Vulkan umschlossen – dem Montaña Amarilla, der im Licht der Sonne besonders kräftig erstrahlt. Das Atlantikwasser entfaltet unter diesem Farbspiel eine besondere Leuchtkraft und ist fast die schönste Badewanne der Europas. Hier kann man ewig schwimmen oder sich treiben lassen – gäbe es keine Uhr. Doch auch unsere Fähre wartet am Ende des Tages. Denn jede anmutige Dame wie La Graciosa braucht ihren Schönheitsschlaf.
Was man sonst noch wissen sollte?
- Auf La Graciosa kann man nur Apartments mieten oder sein Zelt gleich südlich der Ortschaft Caleta del Sebo auf einem ausgewiesenen Platz aufschlagen. Der Campingplatz muss bei der Nationalparkverwaltung reserviert werden!
- Geländewagen rechts vom Hafen mieten: 6 Euro pro Person.
- Rad mieten: für 10 Euro pro Tag.
- Mit einer Fähre von Lineas Romero kann man täglich von 8.30 Uhr bis 18 bzw. 20 Uhr (je nach Jahreszeit) nach Graciosa übersetzen. Da Ticket kostet 20 EUR.
Ich wurde von Turismo Lanzarote und dem Spanischen Fremdenverkehrsamt eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.
Der Himmel hat so eine tolle Farbe. Ich konnte nur auf das satte Blau der Bilder achten.
Das ist wahr, liebe Neni. Diese Blautöne waren wirklich wunderschön und passen gut zu der kargen Landschaft. LG, Mad