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Lost Place am See: Mecklenburg-Strelitz’sche Landesirrenanstalt Domjüch 

Neustrelitz Domjuech

Es ist ein trüber Sonntag im Mai, als wir mit dem Auto die enge Straße von Neustrelitz in Richtung Fürstensee nehmen. Wir wollen an den See – irgendwo baden und die „andere“ Hälfte des Müritz Nationalparks erkunden. Jahrelang verbrachte ich jedes Wochenende im Westteil des Müritznationalparks, doch nun sollte einmal der Osten dran sein – rundum Serrahn. Doch als ich am Ortsausgang von Neustrelitz ein Schild entdecke, auf dem ich etwas mit Tour erspähe, werde ich neugierig und vergesse unser Vorhaben.

Ein ruckeliger Weg führt rechts ab. Vor uns tut sich ein Solarpark auf. Ein wenig Skepsis macht sich breit, doch will sie nicht lange währen. Bald erblicken wir Ruinen der Anstaltsgebäude direkt an einem Seeufer inmitten einer großzügigen Parkanlage. Idyllischer könnte das Areal nicht liegen, wäre da nicht der Solarpark, aber das ist eine andere Geschichte.

Neustrelitz, Domjuech Neustrelitz, DomjuechNeustrelitz, Domjuech

Ein Spaziergang durch die Landesirrenanstalt Domjüch

Was wir einmal imim Neustrelitzer Stadtteil Strelitz-Alt so nebenbei entdeckt haben, ist die ehemalige Mecklenburg-Strelitz’sche Landesirrenanstalt Domjüch, die ab 1934 als Heil- und Pflegeanstalt Domjüch fungierte. Anstatt hohe Mauern, Gitter oder Eisentore begrüßen uns einladende Villen- und Pavillongebäude, die teilweise schon zerfallen. Seit 2010 kümmert sich ein Verein um den Erhalt und Fortbestand der Bauten. Immer sonntags um 14.30 Uhr organisiert dieser auch Führungen über das Gelände. Von 14 bis 17 Uhr stehen die Türen für interessierte Besucher geöffnet. Kaffee und Kuchen werden gerade auf Tischen im Garten vorbereitet. Die sanierte Kapelle ist Hauptanziehungspunkt für kulturelle Veranstaltungen. Teil der Vereinsarbeit ist aber auch die Aufarbeitung der Geschichte und erhaltende Arbeiten wie Abdichtung von Dächern und Fenstern oder Anlegen von Wegen.

Neustrelitz, DomjuechNeustrelitz, DomjuechNeustrelitz, Domjuech

Wir fragen nach, ob wir schon durch die Gänge spazieren dürfen, auch wenn noch keine Führung stattfindet. Die Vereinsleute winken uns herein. Wir lassen das, was die Mauern und Wände zu uns sagen ergänzt durch eine Ausstellung, auf uns wirken. Kalt ist es, in den Gängen und Räumen.

Über die Geschichte der Landesirrenanstalt Domjüch

Was wir in den folgenden zwei Stunden erfahren, ist vor allem auch der dunkle Teil ihrer Geschichte. 1899 wurden die Gebäude als Landesirrenanstalt am Domjüchsee für 130 Patienten erbaut. Nach dem 1. Weltkrieg fungierte diese zum Teil als Kinderheim. Während des Nationalsozialismus durchliefen viele psychisch kranke Menschen die Anstalt auf dem Weg in die Heil- und Pflegeanstalt Sachsenberg oder im Rahmen der Aktion T4 in die NS-Tötungsanstalt Bernburg.  Zwischen 1935 und 1941 wurden mindestens 95 Patienten der Heil- und Pflegeanstalt Domjüch zwangssterilisiert. 1943 wurde die Heil- und Pflegeanstalt aufgelöst und in eine Tuberkuloseheilanstalt umgewandelt.

Mit dem Einmarsch der Roten Armee endete 1945 die Zeit der Heilanstalt auf dem Gelände der Domjüch. Das Gelände war aufgrund seiner militärischen Nutzung durch die Sowjetischen Streitkräfte bis 1993 nicht mehr zugänglich. Sie erweiterten die Anlage und bauten drei Kasernen hinzu. Die Anstaltsgebäude blieben erhalten. Seit 1993 stand der gesamte Komplex leer, die Kasernen wurden bereits abgerissen.

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Ein Spaziergang über das Gelände und durch die leeren Gebäude gleicht einer Zeitreise, die das Gedankenkarussell anregt. Und die Stille der Umgebung frisst all die Geschichten in sich auf. Warum ich erst jetzt – nachdem ich doch so viel Zeit in Neustrelitz und Umgebung verbrachte – diese Mauern entdeckte, ist mir ein Rätsel.

Die Faszination, die der Ort ausstrahlt, entsteht nicht zuletzt auch durch die idyllische Lage der Ruinen zwischen Feldern, Wäldern und Wiesen am See.

Neustrelitz, Domjuech Neustrelitz, Domjuech

Was man sonst noch wissen sollte?

  • Am letzten August-Wochenende findet übrigens das artbase Festival auf dem Gelände in Neustrelitz statt.
  • Immer sonntags um 14.30 Uhr organisiert der Verein zum Erhalt der Domjüch Führungen über das Gelände. Von 14 bis 17 Uhr stehen die Türen für interessierte Besucher geöffnet.
  • Die ehemalige Mecklenburg-Strelitz’sche Landesirrenanstalt Domjüch befindet sich an der Ausfahrt nach Fürstensee im Neustrelitzer Stadtteil Strelitz-Alt.

1 Kommentare

  1. Hallo Mad,
    das sind doch echt mal klasse Aufnahmen!
    Die Fassade hat mich ein wenig an meinen letzten Urlaub in Berlin Kreuzberg erinnert :-)
    Ich hoffe, dass ich die Nervenanstalt mit meinem Mann nächstes Jahr auch einmal besuchen kann. :)
    Mach Dir einen schönen Dienstag und viele Grüße, Lisa

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