Allgemein, Brasilien, maddyswelt
Schreibe einen Kommentar

São Luís – Ein tiefer Mittagsschlaf

São Luís

Behäbig wechselt eine getigerte Katze die Straßenseite. Mehr passiert nicht, als ich durch die Rua do Giz laufe. Es ist nachmittags und die Provinzhauptstadt des Bundesstaats Maranhão liegt in einem langen Mittagsschlaf. Die Frage ist nur, wann sie daraus erwacht. 1 Million Einwohner sollen hier leben, doch außer Katzen zeigt sich kaum ein Wesen in den wunderschönen, kolonialen Straßenzügen, die durch schmucke portugiesische Azulejos-Fassaden geprägt sind. Dabei waren die Stadtgründer anders als im übrigen Land nicht einmal Portugiesen, sondern Franzosen. Die Blütezeit des 18. und 19. Jahrhunderts ist längst vergangen, den Verfall sieht man an den vielen lückenhaften Kachelwänden, die oftmals der Natur einen guten Nährboden bieten. So grünt es aus manchen Dächern und Wänden während daneben schmiedeeiserne Gelände, Balkone und farbenfrohe geschnitzte Haustüren blinken. Barschilder scheinen in den Nachmittagsstunden mehr eine Zier, als eine ernsthafte Einladung.

São LuísSão Luís, Brasilien

São Luís, Brasilien

OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Abendstimmung auf dem Largo do Comércio

Mit der eintretenden Dunkelheit erwachen die Kopfsteingassen zu Leben. Der Largo do Comércio füllt sich mit jungen Leuten. Offene Kurzhaar-Afrofrisuren werden auf den Straßen mit Stolz getragen. Straßenstände säumen die Ränder des Platzes und bieten Fritten, Tapiocas oder alkoholische Getränke an. Man trifft sich auf den Bänken unter den Palmen oder in den Restaurants. Eine Live Band vor dem Restaurante d’ Antiga versucht durch den Einsatz eines Verstärkers gegen die Tonbandmusik anderer Kneipen anzukämpfen.

In den ehemaligen Lagerhallen – heute Casa das Tulhas – reihen sich einfache Verkaufsstände und Imbisse aneinander. Hinter den schmucken Fassaden sehe ich am Straßenende schon den Fluss in der Ferne glitzern. Die Abendsonne überzieht das flache Wasser des Rio Anil mit einem Schimmer. Auf der gegenüberliegenden Seite zeichnet sich eine Skyline ab, die São Luís einen leichten Anstrich von Provinzhauptstadt verleiht.

São Luís, BrasilienSão Luís, Brasilien São Luís, Brasilien

Der Dornröschenschlaf von São Luís

Am nächsten Morgen schlendere ich erneut durch die Straßen. Die morgendliche Aufbruchstimmung kommt gegen 9 Uhr erneut zum Erliegen. Die autofreie Innenstadt, die seit 1997 auch UNESCO Weltkulturerbe ist, fällt wieder in einen Dornröschenschlaf. Auch wenn São Luís ein Drehkreuz zu den nahen Lençóis Maranhenses ist, man merkt es der Stadt nicht an. Ausländische Touristen sieht man ohnehin kaum. Vielleicht geht es ihnen auch wie mir: Sie drehen eine Runde, lassen den Zeiger ihrer inneren Uhr selbst zum Stehen kommen, um sich dem Rhythmus der Stadt anzupassen. Dann ziehen sie sich zurück hinter die alten Fassaden der Pousadas, um abends – wie auch die Einheimischen – auf die Straßen gespuckt zu werden. Vielleicht hat São Luís auch die Attitude des Reggaes übernommen, zu dessen Hochburg die Stadt wohl in Brasilien zählt.

São Luís, BrasilienSão Luís, BrasilienSão Luís, Brasilien

Ein paar Sehenswürdigkeiten der Stadt

Ein paar Stufen führen hinauf auf den grünen Platz, den eine Statue von Benedito Leite ziert. Am Ende befindet sich im Palácio do Comércio auch die Touristeninformation. Die schräg gegenüberliegende Catedral da Sé hat ihre Türen geöffnet und lädt zu einem Blick in das Innere mit dem goldenen Hauptaltar ein. Ein Stück weiter die Rua dos Afogados entlang liegt der blau-weiße Brunnen Fonte do Ribeirão, der ab dem 18. Jahrhundert die Stadt mit Wasser versorgte.

São Luís, BrasilienSão Luís, Brasilien

Hinter dem Palácio dos Leoes gehe ich zur Strandpromenade hinunter, an der sich auch der Pedra da Memória befindet. Einmal an der Bushaltestelle vorbei laufe ich durch die Starßen von Desterro. Die Fassaden bröckeln noch mehr als im Zentrum und als Tourist ist man hier erst recht ein Exot. Etwas unscheinbar begrüßt mich dort ein zart-hellblaues Haus aus dem 19. Jahrhundert, das in seinem kleinen Innenraum die Geschichte des Sklavenhandels erzählt.
Das kostenlose Museo do Negro zeigt zudem in seinem kleinen Ausstellungsraum handwerkliche Erzeugnisse. Hier haben einst die Sklaven bis zu ihrer Versteigerung verharrt.

São Luís, BrasilienSão Luís, Brasilien

São Luís und sein offenes Lächeln

Vom Museo do Negro schlendere ich weiter durch die Straßen und werde gleich von einer Schulklasse in ein Gebäude hineingewunken. Die Schüler klatschen, schreien und freuen sich. Irgendwann verstehe ich, dass sie gern fotografiert werden wollen und so komme ich ihrem Wunsch nach. Nach diesem kurzen Abstecher werde ich von einem Mann zu mehr Vorsicht aufgefordert. Das sei nicht die richtige Gegend für eine Touristin wie ich. Ich will das Schicksal nicht herausfordern und kehre zurück zum Largo do Comércio.

Dort suche ich eine Bank auf, da mir langsam das Geld ausgeht. Der Bankautomat zählt fünf Minuten das Geld durch, bis er die Scheine ausspuckt. Im Café an der Ecke hakt das Ventilatorenblatt. Nichts scheint hier Eile zu haben, weder das Personal, noch die Technik. Und auch die Tierwelt scheint sich diesem Rhythmus anzupassen und es der Umgebung gleichzutun. Eine vorbeilaufende Katze streckt sich und lässt sich gleich wieder fallen.

Langsamkeit wird in São Luís groß geschrieben. Wer hierher kommt findet sich zurückversetzt in eine andere Zeit, in der der Rhythmus noch nicht von der Uhr bestimmt wurde, sondern vom Stand der Sonne.

São Luís, BrasilienSão Luís, Brasilien

Was man sonst noch wissen sollte?

Übernachtung:

Tipp: Casa Frankie – in einem wunderschönen Kolonialhaus mit kleinem Innenhof und Swimming Pool.

In der Neustadt: Hier haben wir eine Nacht im Hotel ibis São Luis verbracht, das sich strandnah befindet.

Restaurants:

  • Restaurante Escola do SENAC, Rua de Nazaré
  • Jujinha Café, gegenüber der Kathedrale
  • Restaurante d’Antiga mente Saint-Luis, Rua da Estrella / Lago do Comércio
  • Buriteco Café, Rua Portugal
  • Casa das Tulhas mit vielen Imbissständen

Ich wurde auf meiner Reise durch den Nordosten Brasiliens von TAP Air Portugal unterstützt und vom Hotel ibis São Luis für eine Übernachtung eingeladen. Der Inhalt meiner Beiträge bleibt davon unberührt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert