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Der Geschmack von Halifax

Halifax

„Es gibt nur eine Straße, die nach Halifax führt.“ Der junge Mitarbeiter der Mietwagenfirma lacht herzhaft, als er meine Frage nach dem schnellsten Weg hört.

Natürlich hatte ich beim Landeanflug auf den Flughafen der Provinzhauptstadt von Nova Scotia bereits gemerkt, dass sich unter mir ein breites Meer an sattem Grün ausbreitet, das nur von kleinen Wasserflächen durchbrochen wird. Von Halifax war weit und breit keine Spur. 400.000 Einwohner der Metropolregion müssen doch irgendwie sichtbar sein. 45 Minuten später befinde ich mich Downtown Halifax, checke ich im The Halliburton in der Morris Street ein. Hier wartet ein Drei-Gänge-Menü auf mich, doch zuvor drängt es mich hinunter zum Hafen.

Halifax Harbour

Halifax Harbour

Flanieren in der Hafengegend von Halifax

Ich bin noch keine zwei Stunden in der Stadt, als ich mich auf dem 3,8 km langen Harbour Walk von Halifax wiederfinde. Tief liegen die Wolken über dem Wasser und verschlucken fast die gegenüberliegende Georges Island mit ihrem Leuchtturm im endlosen Grau.

Halifax Harbour

Zwischen Pier 21 und Casino Nova Scotia zieht es Einheimische und Touristen gleichermaßen auf die Holzplanken der Uferpromenade. Jugendliche halten ihre Angelschnüre im zarten Licht der untergehenden Sonne in das Wasser. Neben ihnen zappeln Fische in Plastiktüten und ringen um ihr Leben. Der Puls der Stadt schlägt gemächlich, mit viel Herz. Kaum zu glauben, dass Halifax aus militärischen Gründen gegründet wurde. Die älteste englische Stadt Kanadas diente zur Abwehr gegen französische Angriffe. Und noch heute ist das Militär der größte Arbeitgeber der Stadt.

Halifax Harbour

Halifax Harbour

Kulturell, aber auch kulinarisch gibt es vom Maritime Museum of the Atlantic bis zur Alexander Keith’s Bewery einiges zu erkunden. Beim Spaziergang entdecke ich an der Anlegestelle Bishop’s Landing viele liebevolle Läden mit einem breiten Angebot für den süßen Geschmack – ob  das „A Mano“ mit italienischer Eiscreme, „The Rum Runner’s rum cake“ mit Kuchen oder Schokolade oder das „Sugah!“ mit Bonbons.

Ein Stück weiter am Queen’s Landing reihen sich Imbissstände wie „Beavertails“, „Smoke’s Poutinerie“, „Canadian Bacon Cookhouse“, „The Battered Fish“ und „Black Bear Ice Cream“ aneinander. Leuchtende, übergroße orangene Hängematten schaukeln über dem Holzweg. Dahinter werden aus bunten Containern Räder und Kajaks verliehen. Doch längst sind sie geschlossen. Der Abend kehrt über der Stadt ein, lockt in den Parallel- und Querstraßen hinter dem Hafen zu einem abendlichen Drink in die Pubs. Halifax hat nicht umsonst die größte Dichte an Bars und Clubs pro Kopf in ganz Kanada.

Halifax, Sugah!

Halifax Rum Factory

Schicksalshafte Ereignisse prägten Halifax

So vergnügt und relaxt der erste Anschein ist, erfahre ich auf einer City Tour von zwei schicksalshaften Ereignissen, die mit Halifax eng verknüpft sind: So gingen während des Ersten Weltkrieges von der Stadt militärische Operationen aus, bei denen es zu einer Explosion des französischen Schiffes Mont Blanc kam, die große Teile der Halbinsel verwüstete und bei der mindestens 1635 Menschen ums Leben kamen.

Und auch die Titanic-Katastrophe von 1912 als größtes maritimes Desaster seiner Zeit spielt eine Rolle in der Stadt, liegen hier 121 Opfer auf dem Fairview Cemetery begraben. Auf einer Stadtrundfahrt kann man diesen etwas abgelegenen Friedhof besuchen, sollte man nicht selbst mit Mietwagen unterwegs sein, und zugleich hinter die einzelnen menschlichen Schicksale der nummerierten Gräber schauen. Wo auf diesem Friedhof meist nur eine Nummer ist, kann man im Nova Scotia Archive nachschauen, welche persönlichen Gegenstände man zu dieser fand. Und so liest mein Guide ein paar Beispiele vor. Schwarze Schuhe, blaues Hemd… Stücke, die ein Menschenleben wieder behutsam zusammensetzen sollen, wie ein Puzzle.

Halifax, Fairview Cemetery

Halifax, Fairview Cemetery

Von Clock Tower, Zitadelle und Grand Parade

Von der Harbour Front aus erkunde ich am nächsten Tag hinter der Lower Water Street das restaurierte Hafenviertel. Vom ältesten Teil der Stadt gehe ich weiter zur Grand Parade, wo auch das beschauliche Zentrum liegt. Die längste Straße der Stadt ist mit fünf Meilen die geschäftige Barrington St., die zum Rathaus und der ältesten protestantischen Kirche Kanadas, der St. Paul’s Kirche, an der kleinen Parkanlage führt. Neben der Grand Parade gibt es ein besonderes Wahrzeichen der Stadt – die markante Town Clock unterhalb der Zitadelle. Ich nehme die Carmichael St. den Hügel hinauf. Allein der Blick über die Stadt und den Hafen von hier oben lohnt sich.

Halifax Clock Tower

Halifax, Zitadelle

Doch hinter den Festungsmauern ist es nicht minder interessant, bekommt man hier einen Eindruck vom Militärleben des 19. Jahrhunderts. Selbst ein Soldatenleben kann man hier „nachleben“ mit allem, was dazugehört.

Halifax, Zitadelle

Kleinod in der Stadt – Entspannen im Public Garden

Am Fuße des Hügels liegt mit dem Public Garden einer der ältesten viktorianischen Gärten Nordamerikas. Zwölf Gärtner kümmern sich liebevoll um die Bepflanzung der Parkanlage, die von Mai bis November geöffnet ist, und als Juwel der Stadt gilt. Zwischen der farbig reizvollen Dahlienecke, der königlichen Blume, und den Kakteen kann jeder, der einen Blick für Pflanzen hat und Ruhe genießen will, einmal richtig durchatmen und im Sugah! Café noch einen Kaffee genießen. Kein Jogger, kein Hund, kein Radfahrer, der einen beim Spaziergang stört. Zum Public Garden bekommt nicht jeder Zutritt. Von einer Parkbank schaue ich dem Titanic Modell und zwei Lady-Booten zu, die auf dem Teich schippern.
Nachdem ich genug Ruhe und frische Luft getankt habe, stürze ich mich in die geschäftigste Straße der Stadt, die Spring Garden Road. Will man einkaufen, wird man hier fündig.

Halifax, Public Garden

Halifax, Public Garden

Halifax, Sugah

Halifax Seaport Farmer’s Market

Halifax ist verglichen zu anderen Provinzhauptstädten nicht groß. Doch es ist die Atmosphäre und Lebensqualität, die diese Hafenstadt prägen, die von und mit dem Meer lebt. Überall sieht man Schilder, die Hummer anpreisen. Leckere Meeresfrüchte und frischen Fisch findet man im Halifax Seaport Farmer’s Market, in dem man auch frisches Obst und Gemüse von lokalen Farmen, Fleisch, das mit Bildern von glücklichen Kühen beworben wird, Käse, hausgemachte Konfitüren oder Blumen kaufen und dabei auch noch vom 1. Stockwerk aus die schöne Aussicht über die Bucht genießen kann. Der 1750 gegründete Markt ist der längste durchgehend bestehende Markt in Nordamerika. Vor dem Gebäude werden die saisonalen Blaubeeren in Kisten verkauft. Es ist Blaubeerzeit und so decke auch ich mich für meine langen Autofahrten auf den Straßen Nova Scotias mit dem fruchtigen Vorrat ein.

Halifax Seaport Farmer’s Market

Halifax Seaport Farmer’s Market

Halifax Seaport Farmer’s Market

Die „Cake Lady“ grüßt mich mit einem breiten Lächeln in ihrem strahlend grün-weiß karierten Kleid, als ich mich zwischen den Ständen verliere. Gleich am Eingang fällt mir mit Fruition vegan local tasty eine vegane Option auf. Dann reihen sich Stände mit vielen Leckereien aneinander – ob organische Fairtrade Schokolade von rawthentic, Stella’s Samosas, die German Bakery, cupcakeS, der Bavarian meat Shop, Mary’s african cuisine, Helen B’s Konfitüren. Und auch Wein, Gin, Wodka gibt es zu kaufen. Weiter hinten auf dem Gelände findet man das Canadian Museum of Immigration (Pier 21) und den Pavillon 22 mit Shops, Boutiquen und Ständen. Leider bleibt mir wenig Zeit, auch diese zu erkunden. Denn die Natur und mein Roadtrip-Abenteuer rufen.Halifax

Halifax

Als ich die Stadt am Ende meiner Reise wieder über die Macdonald Brücke im Schritttempo verlasse, spüre ich noch einmal die gebremste Geschwindigkeit. Der Takt von Halifax scheint ein bisschen langsamer als in anderen größeren Städten zu schlagen. Im Rückspiegel sehe ich die viktorianischen Häuser, die sich an den Hang schmiegen und eine verhaltene Skyline bilden. Und vor mir liegt wieder die Straße zurück in den Alltag, der hinter der grünen Wildnis von Nova Scotia beginnt. Trotz des einsetzenden Regens drehe ich die Fensterscheibe herunter. Nova Scotia will ich schließlich mit allen Sinnen spüren.

Wo ich gut speiste:

Blue Apples, Halifax

Blue Apples, Halifax

Five fisherman, Halifax

Weitere Berichte über meinen Roadtrip in Nova Scotia erschienen auf Travellers Insight:

sowie auf dem Condor-Blog:

Ich wurde von Travellers Insight, dem Flughafen München und Tourism Nova Scotia zu dieser Recherchereise eingeladen. Alle Ansichten sind meine eigenen.

1 Kommentare

  1. Wow, wie vielfältig Halifax doch ist. Sehr toller Bericht und schöne Bilder. Sehr berührend auch der Friedhof, finde ich. Wie traurig, dass Leute, die vielleicht mit großer Vorfreude und Hoffnungen nach Amerika aufgebrochen sind, nun unter einer bestimmten Nummer dort begraben sind.

    Liebe Grüße,
    Christina

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