„Ich wollte doch nur an einen See.“ Und dann stand ich im Garten eines einstigen Gutshauses, dem gerade wieder etwas Leben eingehaucht wird. Gegenüber liegt ein verlassener Kornspeicher, den sich die Natur gerade zurückerobert und vor mir ein verwunschener See. Manche Orte entdeckt man zufällig. Dieser war, als wir auf der Terrasse des Rosencafés in Radekow saßen, der einzige blaue Fleck auf der Landkarte, der uns Abkühlung vor der Hitze versprach. Überhaupt suche ich häufig nach dem Blauen auf der Landkarte und entdecke dann das Grüne und Braune drum herum. Ein Schloss-See hieß es, soll es sein. Nur wenige Minuten später befinden wir uns auf der knorrigen Allee, die direkt in das etwas verlassen anmutende Örtchen Damitzow führt.
Von verlassenen Dörfern in der Uckermark
Gleich am Ortseingang wartet auch schon die sehnsüchtig erhoffte Badestelle mit einem kleinen Parkplatz. Doch irgendetwas zieht mich weiter in den Ort hinein. Vom Dorfteich höre ich das Quaken der Frösche und Kröten, aus den Bäumen zwitschert es und so ganz kann ich mich nicht entscheiden, welchen Eindruck ich von diesem Dorf haben soll. Zwischen „düster und gottverlassen“ und „welch ein fantastischer lost place“ schwanke ich. Als ich Richtung Schlossinsel auf das Nebengebäude des einstigen Gutshauses zugehe, auf der Suche nach einem schönen Uferstreifen, kommt auch gleich Günter Graumann aus dem improvisierten Museumsshop heraus. Durch die geöffnete Tür erblicke ich antike Möbel. Ob ich mich für Gebäude interessiere, will er wissen. Ich komme mir fast etwas zu banal vor, als ich meine, ich suche eigentlich gerade nur eine nette Badestelle, aber das Dorf fasziniere mich generell.
Ich suche immer solche verlassenen Orte, kleine Perlen der Landidylle, die noch nicht in den Urlaubsprospekten stehen. Und so schwärmt er mit Blick auf den benachbarten Speicher, von seiner Fotogenität. Gestern erst sei er seit langem mal wieder im Inneren gewesen und habe dieses Biotop bestaunt, dass sich innerhalb des Gemäuers in den letzten Jahren herausgebildet hat. Moose schmiegen sich dort an eingestürzte Balken. Das eingesunkene Dach lasse ja genug Feuchtigkeit hinein. Er suche noch einen Fotografen für ein Bildbandprojekt und überhaupt, jeder, der sich für diesen Ort interessiere, sei herzlich willkommen. Aktuell werden im Dorfmuseum Bilder einer Künstlerin aus Schwedt ausgestellt. Zum Tag der offenen Gärten in der vergangenen Woche hat er einfach mal kurzerhand einen kleinen Kaffeebetrieb aufgemacht. Dies möchte er gern ab Juli weiterführen, doch ob das klappt, ist noch unsicher. Wir schlendern durch den Garten, als er mir das erzählt. Und ich bin begeistert. Café mit Seeblick ist immer etwas Schönes, was wir Großstadtverdrossenen Menschen suchen. Kurse will er anbieten, die Natur dazu gibt es gratis.
Der Krummer Wald Krzywy Las
Damitzow ist nicht weit von meinem eigentlichen Ziel an diesem Pfingstmontag. Hierfür habe ich mich durch den Polizeiruf inspirieren lassen. Irgendwo hinter der Grenze soll er liegen. Und dann bin ich da.
Krumm wachsen die Kiefern bei Nowe Czarnowo aus dem Boden. Surreal mutet dieser Wald an, wie nicht aus unserer Welt. Zwischen den Stämmen ist ein Mord aufzuklären, der in der Folge Muttertag des Polizeirufs verübt wurde. Was als einfache, mystische Filmkulisse diente, ist jedoch durchaus real. Nur drei Wochen nachdem ich dieses Filmset sah, machte ich mich selbst auf nach Polen. Natürlich erwartete man doch, das Besondere zu entmystifizieren. Tatsächlich befindet sich dieser Krumme Wald Krzywy Las nur 35 km südlich von Stettin am Rande des Grenzortes Gryfino in der Nähe des Kraftwerks „Dolna Odra“. Umringt von vollkommen geraden Bäumen reihen sich auf einem ca. 1,7 Hektar großen Stück in 22 Reihen eigenartig geformte Kiefern. Ca. 100 Kiefern sollen es sein, die hier schief gewachsen sind.
Die Stämme biegen sich in einer Höhe von etwa 20-50 Zentimetern über dem in einem Bogen nach Norden. Die Bäume sollen in den 1930er Jahren eingepflanzt worden sein. Über die Krümmung wurde viel spekuliert. Wahrscheinlich ist, dass sie durch Menschenhand gemacht wurde, um das Holz später für den Bau von Möbeln, Schiffen oder ähnlichem zu nutzen.
Die Einmaligkeit kann man dem Ort sicherlich nicht absprechen, doch die Mystik ein wenig. Kurz hinter dem Ortseingangsschild von Nowe Czarnowo weist einem ein Schild den Weg zum mysteriösen Waldstück. Fährt man ein Stück durch unwegsames Waldgelände, schimmert am Ende doch durch das Waldstück eine Siedlung durch. Man ist zudem sicherlich nicht allein hier. Autos mit Berliner, Uckermärker oder gar holländischem Kennzeichen fahren vor. Mücken saugen sich an diesem warmen Pfingsttag fest, während die Vögel munter zwitschern.
Blick über das Untere Odertal
Auf der Rückfahrt nach Deutschland halte ich kurz hinter der Grenze. Direkt am Westufer der Oder bei Mescherin steht ein Aussichtsturm, der den schönen Namen Fliegender Kranichturm trägt. Von diesem Beobachtungsturm unterhalb der Brücke bietet sich aus 15 m Höhe ein wunderbarer Blick über das Untere Odertal. Ich überblicke die verzweigte Flusslandschaft und die Oderauen, sowie das benachbarte Greifenhagen (Gryfino). Es ist so grün, es ist so ruhig, es ist so friedlich. Die Natur kennt keine Grenzen. Die Menschen, die hier leben auch nicht. Viele polnische Bürger ziehen inzwischen in den deutschen Grenzstreifen. Stettin ist nicht weit. Der Speckgürtel der Hansestadt, wie man ihn nennen mag, zieht sich über die Oder hinaus.
Die Anziehungskraft der Gegend scheint grenzenlos. So hat sich unweit von hier, im Ortsteil Radekow, die Japanerin Akiko Hashimoto mit einem kleinen Café niedergelassen. Inmitten einer Rosenfarm liegt dieses kleine Idyll. Zu Kaffee und Kuchen oder leckerer Mittagsspeise gibt es den Duft der Blüten gratis. Als ich berichte, dass ich eigentlich nur den Krummen Wald besuchen wollte, muss ihr Mann lachen. Da ist doch gleich eine Neubausiedlung hinten dran, hier habt ihr viel mehr Natur. Recht hat er!
Was man noch wissen sollte?
Krzywy Las (Krummer Wald)
Den Krummen Wald erreicht man in ca. 1,75 h von Berlin aus über die A11 Richtung Stettin. Bei Mescherin überquert man die Grenze und fährt dann von Gryfino nach Nowe Czarnowo, wo er sich kurz hinter dem Ortseingangsschild rechter Hand befindet. Hier gibt es dann auch ein Hinweisschild.
Damitzow:
Hier gibt es den idyllischen Schloss-See. Die Badestelle befindet sich links am Ortseingang. Noch ein STück weiter im Ort auch am See gelegen findet man das Landhaus Damitzow. Der Ort befindet sich am Oder-Neiße-Radweg und nahe der Bahnstrecke Berlin-Stettin.
Das Rosen Café
Das Rosen Café befindet sich in Mescherin OT Radekow und wird von der Japanerin Akiko Hashimoto liebevoll betrieben. Sie bietet auch Kochkurse und eine mobile Küche an. Auch Ferienwohnungen stehen zur Verfügung. Das Café liegt idyllisch in der Bioland Rosenschule Uckermark.
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