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Ostromantik im Fernen Osten

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Seit wie vielen Jahren hat es mich nicht mehr gen Osten getrieben – Osteuropa einmal ausgenommen? Vor über 12 Jahren. Warum jetzt in das mir sprachlich und kulturell nicht vertraute Gebiet eintauchen? Weil es ein Kindheitstraum ist und Träume wollen in der gefühlten Mitte des Lebens erfüllt werden. Die Transsibirische Eisenbahn muss zwar noch warten, aber die Light-Variante gibt mir schon einmal einen Eindruck. Und Wladiwostock kann noch folgen.

Noch 30 Minuten sind es bis zu unserem Landeanflug auf Ulaanbataar. Den mongolischen Luftraum haben wir bereits betreten, aber noch nicht das Land, die bergige Steppe. 7 Stunden Flugzeit liegen hinter uns. Leicht turbulent, aber mit hochsensiblem Personal an Bord. So war weder Toilettengang noch sonst irgendeine Aktivität, die nicht im aufrechten, angeschnallten Sitz vollbracht werden konnte, strictly forbidden. Und das ist Folter in einem Flieger, dessen Sitzreihen förmlich aneinander geklebt zu sein scheinen – zumindest die lukrativen Fensterreihen. Unsere Sitzreihe laut Bordkarte hatten wir zu dem Zeitpunkt schon längst verlassen. Die fehlende Flexibilität des Sitzes trieb Lars schier in den Wahnsinn. Und dann noch die fehlende Highttech-Filmausstattung. Ja, MIAT ist nun mal nicht Lufthansa, dafür aber wesentlich günstiger und exotischer. Die Mongolen nehmen die Enge gelassen, wissen sie erfahrungsgemäß schon längst um die besten Plätz. Nur die dummen Touris quetschen an den Außenkanten zusammen. Meine Uhr zeigt 23 Uhr an während das „Frühstück“ serviert wird.

Diese Nacht hat es nie gegeben. Am Himmel bringt ein heller Streif die Vorboten der aufgehenden Sonne in unser Herz. Guten Morgen Ulaanbataar, guten Morgen Mongolei. Mit einem Bus werden verschiedene Ladungen an Passagieren zum Hauptgebäude gebracht. Die Passkontrolle geht wesentlich schneller als das Gepäckband sich dreht. Nach einer gefühlten Ewigkeit werden wir in die kühle Morgenluft Ulaanbataars entsandt. Ein Schild mit unseren Namen gibt bereits den Beweis ab für die Zuverlässigkeit der Mongolen. Das LG-Personal holt uns mit Hybridwagen ab. Langsam und umweltfreundlich rollen wir an. Zwischen den Bergen eingekeilt liegt auf einer hohen Ebene die Stadt. Vorgelagert befindet sich ein Industriegebiet.

Der erste Eindruck einer Stadt zählt? Hier finde ich als erstes Attribute wie Ruhe, Entspannung und Dreck. Das meine ich nicht negativ, aber schön ist eindeutig anders. Aber es muss nicht immer schön sein, was interessant ist. Und diese Stadt weckt eindeutig Interesse auf mehr. Die Kühle in der Luft, die verschlafene Atmosphäre und die Raue erinnern mich seltsamerweise als erstes an Argentiniens Südspitze (Ushuaia), auch wenn ich mit dieser Assoziation wohl daneben liege. Rumänien? War anders. Baltikum? War anders. Wahrscheinlich ist es einfach das mir unbekannte Russland, das ich in diesem Moment nicht zu fassen weiss. Es ist Ostblock, es ist aber tiefster, östlichster Ostblock, nicht EU geschönte Ostromantik. Hier ist es rough. Nicht nur die Natur, auch die Architektur, wenn ein Architekt überhaupt sich dazu hinreißen lässt, dieses Wort mit Ulaanbataar in Verbindung zu bringen. Die Straßen sind holprig und plattig und führen links und rechts in den Staub. Auch die Innenstadt ist nicht ausgenommen. Weg vom Sukhbaatar Place findet mam so sehr man sich windet keine einheitlich Beschreibung für das, was man vorfindet. Sozialistische Monumentalbauten lösen sozialistische Alt“Neu“Bauten ab und dazwischen gibt es dann noch spärlich die buddhistisch geprägte Architektur der Klöster.

Unser Weg zum LG führt uns gleich mal direkt in die etwas westlich gelegene Bahnhofsgegend. Inmitten heruntergekommener Neubauten steht unser Hostel. Bis zur Räumung unseres Zimmers wird uns freundlicherweise ohne Nachfrage sofort ein Bett im leeren Dorm angeboten. Hier können wir uns etwas ausruhen, wovon wir auch gleich Gebrauch machen. Ruhen ja, schlafen nein, sind wir ja in einem nicht geräuscharmen Hostel untergekommen. Auch nicht in den frühen Morgenstunden. Nachdem wir unser Privatzimmer bezogen haben, erkunden wir die ersten Highlights dieser Stadt. Durch staubige Gassen arbeiten wir uns bis zur Peace Avenue vor. Die zahlreich vorhandenen Hybridautos geben der sowieso ruhig wirkenden Stadt noch mehr Gelassenheit und stete Unsicherheit, ob sich von hinten wieder ein Auto nähert. Rote Ampeln werden so gar nicht beachtet und das macht die Ruhe noch trügerischer. Die laut Lars häßlichste Stadt, in der er je gewesen sei, bietet uns mit seinem Sukhbaatar Place ein kleines Highlight. Nachdem wir uns im Nayra Café gestärkt hatten, suchten wir dieses Fleckchen Sozialismus auf und gingen gleich ins Parlamentsgebäude. Wir brauchen ein bisschen mehr Verspieltheit und suchen uns daher als nächstes Ziel das Kloster Choijin Lama. Fünf Tempel, die chinesischen Pagoden auf dem ersten Blick gleichen, zieren das ehemalige Klostergelände, von dem 1938 die Mönchen vertrieben oder ermordet wurden. Ein Örtchen der Stille findet man heute in diesem Gartengelände. Zuvor suchten wir noch den Hochzeitspalast auf, nicht um zu heiraten, sondern um unseren gewählten Tour Operator zu treffen. Doch in der Office packte gerade nur eine ältere Mongolin eine Kühlbox mit Lebensmitteln – wohl unsere Verpflegung. Der Hochzeitspalast selbst ist ein modernes Gebäude mit vielen Blumentöpfen. Hier soll Heiraten ja auch farbenfroh sein. Über der Farbe legte sich nur ein Schleier durch einen kleinen Heraufziehenden Sandsturm, dem ein kleiner Regenschauer mit einhergehender Abkühlung folgten. Auf unserem heutigen Besichtigungsprogramm sollten noch zwei alte Blockhäuser stehen, die letzten verbliebenen in dieser Stadt. Dumm nur, wenn alles mit sozialistischen Bausünden verstellt ist, dass man den Wald vor Bäumen nicht mehr sieht. Irgendwo hinter dem Leninpalast, heutigem Kinokomplex, sollten sie stehen, Doch wir fanden uns in heruntergekommenen Wohnsiedlungen wieder. Diese glichen denen, die unser Hostel umstellen. Der Rückweg erfolgte nach dem Abendessen im Dunkeln. Inzwischen waren nicht nur meine Augenlider schwer. Ich stolperte so durch die staubigen Seitengassen, die mich in die Bahnhofsgegend zurückbrachten und beobachtete noch die Austragung eines Streites, der mit Steinewerfen endete. Ägypten lässt grüßen.

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