Vor geraumer Zeit plante man in Bogotá, Kolumbien mal den Bau einer U-Bahn. Dazu kam es bekanntermaßen bis jetzt nicht, aber basierend auf dem anvisierten Liniennetz richtete man überirdisch gesonderte Spuren für Expressbusse ein, die heute unter dem Namen Transmillenio die Stadt durchziehen. Damit entkommt man dem anhaltenden Verkehrschaos und kommt für gut 70 Cent von A nach B. Und damit eben auch direkt zum Stadion. Sehr praktisch.
Spiel: Millionarios vs. Deportes Tolima
Ergebnis: 2:1
Stadion: Estadio Nemesio Camacho „El Campín“, Bogotá
Zuschauer: 17.000
Liga: Primera A, Kolumbien
Spieltag: 03.11.2013
Gerade mal zwei Tage im Lande und keine Ahnung, was mich hinsichtlich Stadtviertel und Stadionerlebnis erwarten würde, begab ich mich mit einer gehörigen Portion Vorsicht und offenen Augen Richtung Stadion. Meine Erfahrungen aus Buenos Aires lehrten mich, dass eben die meisten Grounds außerhalb der mehr oder weniger sicheren, von Touristen frequentierten Gegenden liegen, mitunter in ziemlich üblen Vierteln. Das Stadionareal war weitläufig abgeriegelt, und um sich den Stadiontoren nähern zu können, musste vorab eine Ticketkontrolle absolviert werden. Daher begann ich mich erst mal nach der Boleteria durchzufragen. Die Kartenverkaufsstelle fand ich schließlich in einer unscheinbaren Lottoannahmestelle in einer Seitenstraße. Davor lungerten zahlreiche Schwarzhändler herum, die in ziemlich offensiver Art und Weise die Objekte der Begierde anboten. „Schöner Mist“, dachte ich mir, „es kann doch nicht sein, dass die Partie gegen Tolima ausverkauft ist“. Aber nein, wie sich herausstellte, wurden die Tickets allesamt unter Preis angeboten. Jetzt ging es nur noch darum, die Händler gegeneinander auszuspielen, um den bestmöglichen Rabatt herauszuschlagen: Vorteil Gringo. Letztendlich zahlte ich den Gegenwert von etwa 10 Euro für ein 16-Euro-Ticket auf der Gegengeraden. Da ich zeitig angereist war, galt es nun noch etwa 2 Stunden bis zum Anpfiff totzuschlagen. Und nichts leichter als das: Weitläufig um das Stadion herum hatten sich zahlreiche mobile Verkaufsstände positioniert, die ihre Ware feilboten.
Und was dem argentinischen Stadionbesucher die Choripán (Klobasa-artige Bratwurst im Brötchen) ist, das ist dem Kolumbianer der Super Hamburguesa mit Bacon, Käse, Röstzwiebeln und was-weiß-ich-noch-allem. Als Soßen stehen mindestens ein halbes Dutzend Variationen bereit, darunter so Exoten wie die schmackhafte Ananas-Salsa. Den Magen für knapp 2 Euro gefüllt, musste jetzt zum Runterspülen ein Bier her. Und wie überall in Kolumbien bietet fast jeder Tante-Emma-Laden ein paar Sitzgelegenheiten, wo die dort erworbenen Leckereien auch gleich verzehrt werden können. So ist es keine Seltenheit, wenn man im Lebensmittelmarkt zwischen Waschmittelregal und Kartoffelsäcken auf einen Tisch mit fröhlichen Zechern trifft. In diesem Fall war der Laden vergittert und das kühle 0,3er der Marke Águila wurde durch die Gitterstäbe zum Verzehr auf der Terrasse gereicht. Die Einheit zu fairen 1500 Pesos (60 Cent). Spätestens jetzt war meine anfängliche Unsicherheit gegenüber dem Unbekannten verflogen. Man sitzt hier nicht lange alleine herum: Entweder gesellen sich bald andere Gäste zu einem an den Tisch, oder man wird herangewinkt, um einige Fragen nach Beweggründen des Besuches oder Herkunft zu beantworten. Insgesamt eine sehr freundliche, aufgeschlossene Stimmung.
Gerade als es begann gemütlich zu werden, rückte der Anpfiff bedrohlich nahe und ich bewegte mich durch die entsprechenden Schleusen zum Stadion. Die Sicherheitskontrollen beschränkten sich auf ein kurzes Alibi-Abtasten, und im Handumdrehen war ich drin. Das El Campín ist eine imposante, typisch südamerikanische Schüssel, die heute mit 17.000 Zuschauern nur knapp zur Hälfte gefüllt war. Die Blöcke hinter den beiden Toren waren ebenso wie die Mitte der Gegengeraden gut bevölkert. Ansonsten waren aber leider viele Plätze frei geblieben. Die Stimmung war aber nichtsdestotrotz ganz ordentlich, auch wenn das heute nicht gerade ein Topspiel war und die Millos kurz vor Ende der Clausura ziemlich abgeschlagen hinter Atlético Nacional auf Platz 2 rangierten. Zahlreiche Banderolen sowie Zaun- und Blockfahnen sorgten schon mal optisch für das passende Ambiente. Pauken und Trompeten gehören hier ebenso dazu wie die Tatsache, dass fast jeder Stadionbesucher im Vereinstrikot erscheint. Offensichtlich gibt es mehrere Fangruppierungen, von denen jede ihr eigenes Ding durchzieht. Und wenn man auch nicht unbedingt gegeneinander ansingt, so war es jedoch selten, dass mal alle in denselben Gesang einstimmten. Am Besten gefiel mir dabei noch die Interpretation des Klassikers „La Colegiala“. Alles natürlich untermalt vom aus Argentinien bekannten „Armwackler“. Das Spiel selbst war in Ordnung – mehr aber auch nicht. Nach einer knappen Viertelstunde führten die Blauen 2:0 und begannen das Spiel zu verwalten. Für Tolima reichte es kurz vor der Pause noch zum Anschlusstreffer. Der Sieg der Hausherren war aber nie wirklich gefährdet. Insgesamt aber für südamerikanische Verhältnisse ein eher durchschnittliches Stadionerlebnis. Ganz nett anzusehen, aber nicht gerade berauschend.
In Südamerika Fußball schauen – wie intensiv das sein muss!
Das glaube ich auch. LG, Madlen